Bad Berleburg. Die Wittgensteiner Kommunen und der Kreis stellen sich den Leserfragen der WP: Die spannendste ist: Kann man die Energiewende noch steuern?

Für die Energiewende braucht es nicht nur Windkraft – das wurde bei der Auftaktveranstaltung dieser Redaktion zum Thema „Energiewende“ deutlich. Denn auch Photovoltaik, Wasserkraft oder Biomasse stehen im Zentrum der Entwicklung, die dezentrale Versorgung durch einen Energiemix ist das Ziel. Dass das aber alles andere als eine leichte oder kurzfristige Aufgabe für Kreis und Kommunen ist, machten die geladenen Vertreter der drei Wittgensteiner Kommunen und des Kreises deutlich.

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Haben Kommunen ob der Goldgräberstimmung unter Investoren eigentlich noch die Chance, steuernd in die Entwicklung vor Ort einzugreifen? So eröffnete Redaktionsleiter Lars-Peter Dickel die Runde mit dem zuständigen Dezernenten des Kreises, Arno Wied, Erndtebrücks Bürgermeister Henning Gronau und Bad Berleburgs Planungsdezernent Christoph Koch sowie Bad Laasphes Fachbereichsleiterin Bauen und Planen, Manuela Manske. „Ich halte das für ausgemacht schwierig. Aber umgekehrt: Welche Alternativen gibt es denn, als es zu versuchen“, so Wied.

Kommunen vermissen klare Vorgaben von Bund und Land

Ein großes Problem für die Kommunen, so der Konsens in der Gesprächsrunde, sind die seit Jahren ständig wechselnden Vorgaben. Auch das neue „Habeck’sche Osterpaket“, wie Wied es nannte, gebe noch keine klare Richtung vor. In Bad Berleburg wurde zum Beispiel entschieden, alle Planungen noch einmal auf Null zu setzen und von Neuem zu beginnen. „Wir sind derzeit in der zeichnerischen Ausarbeitung. Wir müssen ein schlüssiges Planungskonzept erarbeiten – das wird durch aktuelle Gesetzgebung nicht einfacher. Wir können jetzt nur die Planung voran bringen und dann auf die Entwicklung reagieren“, sagte Christoph Koch auch mit Blick auf die Regel, dass jedes Kommune zwei Prozent ihrer Fläche für erneuerbare Energie bereit stellen soll: „Da weiß noch keiner genau, wie das aussehen wird. Ich hoffe dass die Regel kommunenscharf berechnet wird – sonst sehe ich auch, dass der Handlungsspielraum immer kleiner wird.“ Aber: Plant eine Kommune aktiv selbst, hat sie zumindest die Möglichkeit, andere Bauanträge für maximal zwei Jahre zurückstellen zu lassen.

Wasserkraft und Photovoltaik nicht vernachlässigen

Dass der Blick bei den erneuerbaren Energien aber nicht nur gen Windkraft gehen sollte, betonte Henning Gronau: „Die Wasserkraft ist grundlastfähig und unerklärlicherweise etwas außerhalb des Fokus. Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir uns breiter aufstellen, weil wir gewisse Potenziale – gerade bei der Wasserkraft – liegen lassen.“ In Sachen Photovoltaik werde sich aber sowohl im handwerklichen als auch privaten Bereich einiges verändern, prognostizierte Gronau: „Jeder beschäftigt sich derzeit mit Energiereduktion oder eigener Energieproduktion. Wenn man ein Satellitenbild Erndtebrücks von heute und in drei Jahren vergleicht, wird sich auf den Dächern sicher einiges verändert haben.“

Das Podium der Diskussionsrunde: Manuela Manske, Christoph Koch, Arno Wied, Henning Gronau und Lars-Peter Dickel (von links)
Das Podium der Diskussionsrunde: Manuela Manske, Christoph Koch, Arno Wied, Henning Gronau und Lars-Peter Dickel (von links) © WP | Lisa Klaus

In Bad Laasphe, wo man noch dabei ist, die Vorrangzonen für Windkraft auszuweisen, wird aber beispielsweise die Altstadt mit Nahwärme versorgt. „Damals war das die Zielsetzung, denn Photovoltaik ist da eher schwierig. Wir wollten eine Alternative anbieten, und da hätte sich ein Nahwärmenetz unter dem Altstadtpflaster angeboten.“

Bundeswehr ist kein Ausschlussfaktor

Mit Blick auf die geplanten Windkraftanlagen auf dem Benfer Rücken und die zurückgezogene Klage der Bundeswehr machte Gronau für Erndtebrück klar: „Die Bundeswehr war in der Vergangenheit ein Ausschlussfaktor – aber es ist nicht so, dass die Belange der Bundeswehr heute nicht mehr gelten.“ Im Gegenteil seien die vier Anlagen so geplant worden, dass sie keine Störwirkung auf die Arbeit der Bundeswehr haben – die diese Störwirkung auch nicht nachweisen konnte. Dennoch, so bestätigte auch Wied, werden zum Beispiel im Regionalplan trotz jener konkreten Entscheidung um die Bundeswehr in Erndtebrück Radien geschlagen, wo nicht davon auszugehen sei, dass sich Windkraft dort eigne.

Kommunen können komplexe Planungen nur mit Hilfe bewältigen

Dass die Kommunalverwaltung mit den erneuerbaren Energien ein sehr dickes Brett zu bohren haben, das zu allen anderen arbeitsintensiven Verwaltungs-Aufgaben noch hinzu kommt, machte indes Manuela Manske deutlich: „Man schafft das als Kommune nicht alleine. Da muss man sich Unterstützung holen. Wir haben damals auch ein Planungsbüro beauftragt – und auch die holten sich dann rechtlichen Beistand dazu, um das Verfahren rechtssicher auf den Weg zu bringen.“

Von den Lesern, die zur Diskussionsrunde eingeladen waren, wandte sich unter anderem Jürgen Halverscheid mit einer konkreten Frage an Arno Wied: „Ich wohne in der Trufte, wo es derzeit 19 Anträge für Windenergie gibt. Wir leben dort in sieben Häusern mit zehn Haushalten – was passiert, wenn aufgrund der massiven Auswirkungen durch die Windräder die Quellen versiegen und der Brunnen auf einmal trocken ist?“ Die Infrastruktur, so betonte Wied, werde im Genehmigungsverfahren immer berücksichtigt. „Dann werden auch Vorkehrungen getroffen, dass so etwas gar nicht erst passieren kann, sonst gäbe es auch keine Genehmigung.“