Bad Berleburg. In Wittgenstein herrscht akuter Fachkräftemangel in der Psychotherapie - Lange Wartezeiten sind die Folge. Was Patienten beachten müssen.

Bereits seit 31 Jahren arbeitet Rüdiger Saßmannshausen in Bad Berleburg als niedergelassener Psychiater. Eine lange Reise, in der das Mitglied der Ärztekammer Westfalen-Lippe so einiges erlebt hat. Die aktuelle Situation der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie übertrifft jedoch noch einmal alles. Denn: Wohin man auch schaut, überall herrscht Personalmangel. Auch bei den Fachärzten für psychische Erkrankungen ist das nicht anders.

„Wir haben zu wenig niedergelassene Psychotherapeuten“, macht Rüdiger Saßmannshausen deutlich. Die Gründe dafür seien vielschichtig. Viele Menschen würden denken, dass die Kassenärztliche Vereinigung die Zulassung von neuen Psychotherapeuten begrenzt. Dies sei aber nicht der Fall. Die gesetzlichen Krankenkassen hätten schlichtweg kein Interesse an mehr Therapeuten, da dies einen Anstieg an Kosten mit sich bringen würde, erläutert der ausgebildete Psychiater. Auch andere strukturelle Probleme in der Ausbildung seien hier von Bedeutung.

Kaum Therapieplätze

In der aktuellen Konstellation trifft eine besonders hohe Nachfrage auf ein geringes Angebot. Inmitten vieler Krisen ist der Bedarf nach Behandlungen so hoch wie nie. Daher beteiligte sich der Psychiater an der Terminservicestelle der KV Nordrhein, bei der auch von weiter außerhalb Patienten mit Arzt-Terminen versorgt werden. Der Facharzt hatte in der Folge schnell akute Notfälle bei sich sitzen, bis der Patient einen Therapie-Platz bekam. „Ich bin die Feuerwehr, das Rote Kreuz und das THW zusammen, scherzt Saßmannshausen. Doch auch er musste schnell feststellen, dass eine fachgerechte Behandlung der Patienten nicht mehr möglich war. Deutlich zu viele Anfragen erreichten die Praxis, weshalb die Praxis die Terminservicestelle schnell wieder verließ.

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Viel zu hohe Nachfrage

Die schwierige Situation sei dem Berufsmangel geschuldet. „Wir haben auch ganz erhebliche Probleme und einen extremen Nachwuchsmangel. Wir kriegen einfach keine Psychiater mehr“, verzweifelt Saßmannshausen an der Situation. Zwar sei der Landkreis Wittgenstein noch „ganz gut aufgestellt“, doch in den angrenzenden Regionen – wie dem Hochsauerland – sehe dies „schon ganz anders aus“. Generell erkennt er ein bundesweites Problem, das in ländlichen Regionen noch früher deutlich werde. „Auf dem Land gehen so langsam die Lichter aus“, warnt der Psychiater.

Bereits jetzt müsse der Patient in vielen Regionen zu lange auf einen Termin warten. Zwischen drei bis sechs Monate seien ein gängiger Zeitraum. Zeit, die eine erkrankte Person einfach nicht hat. Dazu sei es für viele Patienten aufgrund des Krankheitsstandes gar nicht möglich, lange Strecken mit dem Auto zu ihm zurückzulegen.

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Kostenerstattung möglich

Wer dringend Hilfe benötigt und keinen Termin beim Psychotherapeuten bekommt oder bis zu einem halben Jahr warten muss, kann sich laut dem Facharzt einen freien statt niedergelassenen Therapeuten suchen. Jeder Versicherte habe das Recht, in einem angemessenen Rahmen behandelt zu werden und dazu gehöre auch eine möglichst schnelle Behandlung. Daher verweist das Mitglied der Ärztekammer Westfalen-Lippe auf die Möglichkeit der Kostenerstattung bei der Krankenkasse, auch wenn sich diese möglicherweise erst quer stellt.

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Kein Nachfolger in Sicht

Der Bad Berleburger Psychiater Rüdiger Saßmannshausen sieht schwere Zeiten, auf seine Branche zukommen.
Der Bad Berleburger Psychiater Rüdiger Saßmannshausen sieht schwere Zeiten, auf seine Branche zukommen. © Picasa

Saßmannshausen ist 68 Jahre alt und selber eigentlich schon Rentner, aber weil er sich noch fit fühlt und die schwierige Grundsituation kennt, arbeitet er weiter und unterstützt die Wittgensteiner Region. Die Hoffnung, einen Nachfolger zu finden, hat der Bad Berleburger jedoch schon komplett aufgegeben. „Die Wahrscheinlichkeit, einen Nachfolger zu kriegen, ist so hoch wie ein sechser im Lotto, ohne überhaupt Lotto zu spielen“, witzelt er. Einen Ausweg aus der verzwickten Lage sieht er nur in einer stärkeren bundesweiten Förderung des Gesundheitswesens und einem stärker gelegten Fokus auf die Ausbildung.

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Politisches Versagen

Die Fehler vor Jahrzehnten fielen dem Land nun inmitten des demografischen Wandels auf die Füße. Die Medizin habe sich stetig weiterentwickelt, dies sei aber in Deutschland noch kaum erkennbar. „Wir haben zu lange in einer Gesundheit-ist-billig-Mentalität gelebt, aber Gesundheit ist nicht billig. Man kann nicht mit einem Werkzeug von gestern die Probleme von heute lösen“, richtet sich Saßmannshausen in aller Deutlichkeit in der Hoffnung auf Besserung an die politischen Entscheidungsträger.

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