Schwelm. Jürgen Okrongli ist seit 1982 Psychologischer Psychotherapeut in Schwelm. Mit 73 Jahren kann er lange in Rente gehen. Das will er aber nicht.
Im Oktober sind es schon 40 Jahre, die Jürgen Okrongli als Psychologischer Psychotherapeut in seiner Schwelmer Praxis tätig ist. Mit nun 73 Jahren könnte er zwar längst in Rente gehen, doch das kommt für den Schwelmer definitiv nicht in Frage. „Ich mache das so lange, bis eines Tages ein nervenstarker Patient am Ende der Therapie etwas sagt, aber ich nicht mehr antworte“, sagt Jürgen Okrongli mit einem Grinsen. Sein Beruf ist für ihn viel mehr als ein reiner Job, er führt seine Arbeit tagtäglich mit Leidenschaft aus. Und das habe sich insbesondere durch die jahrelange Erfahrung entwickelt. „Ich habe quasi zwei Leben, ein Mal das hier in der Praxis und dann das private“, erklärt der 73-Jährige und erzählt dabei, dass er etwa drei Monate pro Jahr gemeinsam mit seiner Frau auf einer holländischen Insel unterwegs ist. Das sei nur möglich, weil der psychologische Psychotherapeut über Jahre daraufhin gearbeitet hat, betont er.
Doch zurück zum Anfang: Schule, das war etwas, wofür sich Jürgen Okrongli nur schwer begeistern konnte. „Ich bin auch zwei Mal sitzen geblieben“, erzählt er und lacht. Demnach war er im letzten Schuljahr nicht nur der Älteste, sondern auch der einzige mit einem Auto – und das war besonders cool, erinnert er sich. Danach entschied Jürgen Okrongli sich dazu, Psychologie zu studieren. Dabei war der Plan jedoch bis zuletzt, in einer Klinik anzufangen, über eine eigene Praxis – darüber hatte er überhaupt nicht nachgedacht.
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Kurz vorm Ende seines Studiums deutete auch alles darauf hin. „Ich war fest überzeugt, im Klinik-Bereich anzufangen“, betont er. Damals wurde ihm eine Stelle in einer Reha-Klinik in Essen angeboten. Zuvor hatte er mehrere Monate an einer Kunsttherapie in der psychiatrischen Abteilung des Klinikums in Herdecke teilgenommen. „Da hat niemand gesprochen“, erzählt Jürgen Okrongli. So merkte er schon früh, dass er dort arbeiten möchte, wo Menschen lebendig sind, wo er mit Menschen und Patienten kommunizieren und sprechen kann. „Aber ich hatte ja den Platz in der Reha-Klinik, das war ja noch ein wenig anders als die klassische psychiatrische Abteilung.“ Dennoch wich er nicht von seinem Plan ab, bis Elke Okrongli, seine Ehefrau, die entscheidende Aussage machte.
Ursprünglich Stelle in Essen geplant
Der Schwelmer blickt auf den Tag zurück, als wäre es gestern gewesen. „Wir waren auf den Weg zu unserer Insel“, erzählt er. Das Klinikum in Essen lag auf dem Weg und so wollte er die Gelegenheit nutzen, um seiner Liebsten seinen künftigen Arbeitsplatz zu zeigen. Als er die Reha-Klinik betrat und sich vorstellte, sagten die Kollegen damals, er könne seinen Kittel schon mitnehmen. Samt weißem Kittel wollte Jürgen Okrongli sich aber zuerst noch seiner Gattin präsentieren. „Ich stand vor einem Spiegel, die waren an so kleinen Säulen auf dem Flur angebracht und da rief meine Frau: ,Nein, das bist du nicht’.“ Okrongli dachte zunächst, irgendetwas würde nicht richtig sitzen, zuppelte noch einmal das Gewand zurecht. „Nein, das bist du nicht“, rief sie ihm erneut zu. Und da legte sich ein Schalter um. „Wissen Sie, ich höre eigentlich immer auf meine Frau“, sagt der Psychotherapeut im Gespräch mit der Redaktion. Ohne zu zögern nahm er den Kittel, ging zurück zu den dortigen Kollegen und legte das Gewand wieder kommentarlos auf die Ablage. „Sie können den ruhig schon mitnehmen“, wiederholten die Mitarbeiter vor Ort. „Echt? Auch wenn ich hier nicht anfange?“, entgegnete Okrongli. Und so war die Entscheidung getroffen – und im Nachhinein war es die allerbeste, wie er sagt.
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Das 40-jährige Jubiläum rückt immer näher und Jürgen Okrongli freut sich nach wie vor auf jeden einzelnen Tag, an dem er seiner Arbeit nachgeht. Mit seinem Kundenstamm, der aus etwa 80 Patienten besteht, hat er gut zu tun. Zu ihm kommen die die unterschiedlichsten Patienten. Seine Frau Elke unterstützt ihn in Praxisangelegenheiten, steht im immer zur Seite. Sie sind ein eingespieltes Team. Selbst wenn Jürgen Okrongli, wie er sagt, sein Alter auch selbst spürt, macht er weiter, hält sich mit Sport fit. Vor allem Drachensteigen sowie die traditionelle Reise auf seine Lieblingsinsel zählen zu den Dingen, die ihm einen Ausgleich schenken. Ein Ausgleich – das ist besonders wichtig, denn der Psychotherapeut hat täglich mit den verschiedensten harten wie auch traurigen Schicksalen zu tun. Und auch im Tennis ist Okrongli ein kleines, verstecktes Talent, stand in der Vergangenheit tagtäglich auf dem Platz und schwang den Schläger. „Man muss einen menschlichen Spagat für diesen Job können. Früher dachte ich immer, man kann mit jedem eine Therapie machen, das ist totaler Wahnsinn. Genau so wie eben nicht jeder Psychotherapeut werden kann. Das Fachliche, das muss jeder können, aber man muss eben auch Mensch sein und bleiben.“
>>>INFO:
Jürgen Okrongli hat seine Praxis am Kornborn 18 in Schwelm. Er ist Psychologischer Psychotherapeut für Erwachsene.
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Der Unterschied zwischen Psychiatern und Psychotherapeuten ist etwas kompliziert und umfangreich zu erklären, sagt Jürgen Okrongli. Grob gesagt könne man jedoch festhalten, dass Psychiater medizinisch unterwegs sind und ausschließlich Rezepte ausstellen dürfen, jedoch keine Therapien mit den Patienten durchführen können. Bei den Psychotherapeuten ist es andersrum.