Rönkhausen/Siegen. Es gibt eine Wiederholungsgefahr. Das schlägt der psychiatrische Gutachter für den Angeklagten vor.

Es ist ein spektakulärer Fall, der jede Menge Fragen aufwirft. Da ist der Mann, der mit einer Kettensäge und einem Fleischermesser bewaffnet in der letzten Silvesternacht in den Rönk’ser Treff gestürmt ist und den Gastwirt und dessen neue Lebensgefährtin, die Ex-Frau des Angeklagten, „kalt machen will“. Und auf der anderen Seite sitzt da im Siegener Schwurgericht der 52-Jährige, der gefasst ist, keine Emotionen zeigt und eher harmlos wirkt. „Wenn Sie so dasitzen, kann man sich gar nicht vorstellen, wie wütend Sie werden können“, hatte es Richterin Elfriede Dreisbach auf den Punkt gebracht. Kein Wunder, dass Dr. Brian Blackwell ein sehr komplexes Gutachten am fünften Verhandlungstag ankündigte. Ausführlichst versuchte der Psychiater aus Hagen, den Fall zu sezieren.

Im Ergebnis diagnostizierte er bei dem Angeklagten eine schwere Depression einhergehend mit einer Impulsstörung und einem Eifersuchtswahn. 24 Jahre war er mit seiner Frau zusammen, die überwiegend glückliche Zeit endet im Mai 2020. Man hat sich auseinandergelebt, es gibt finanzielle Probleme und der 52-Jährige erfährt, dass seine Ex-Frau eine Affäre mit dem Gastwirt, der auch noch sein bester Freund ist, hat.

Ein Berg von Wut

Ein Berg von Wut habe sich in dem Angeklagten aufgetaut, so der Gutachter. Er habe sich wertlos und hilflos gefühlt. Eine narzisstische Störung begleitet sein Leben. „Immer wieder gibt es Verluste der Impulskontrolle“, so Dr. Blackwell. Es gibt häusliche Gewalt gegenüber seiner Ex-Frau.

Nachdem sich seine Frau von ihm getrennt hat, taucht der Angeklagte kurze Zeit später noch einmal bei dem neuen Paar auf. Er randaliert und leistet der Polizei Widerstand. Ruhiger wird er erst, als er eine neue Freundin kennenlernt. Sie sieht aus wie seine Ex-Frau und spricht auch so. Doch in der verhängnisvollen Silvesternacht glaubt er, dass auch diese Frau ihn betrügt. „Das war eine schwere Kränkung. Er hat gesagt, er würde den Mann finden und ihm den Kopf abschneiden“, sagt der Gutachter. Doch der Angeklagte findet den vermeintlichen Nebenbuhler nicht.

Und dann kommt es zu einer überraschenden Wende. Plötzlich entscheidet sich der 52-Jährige, der zuvor noch zwei Gramm Kokain konsumiert hatte, zur Tat im Rönk’ser Treff. „Er hat die Wut auf eine andere Person umgeswitcht, die er töten wollte. Das ist erstaunlich“, meint Dr. Blackwell.

Therapie dringend nötig

Eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit könne er nicht ausschließen, so der Gutachter, der eine Wiederholungsgefahr sieht: „Die Tat ereignete sich aus heiterem Himmel. Es war eine Tat aus reiner Kränkung heraus. Das bedeutet aber auch, dass er bei einer erneuten Kränkung wieder zu so einer Tat fähig wäre.“

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Der Angeklagte müsse dringendst behandelt werden, betont Dr. Brian Blackwell: „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Unterbringung in der Psychiatrie dringend erforderlich ist. Das Risiko ist hoch, dass er ohne Therapie weitere Straftaten begeht.“ Er glaube, dass der Angeklagte gesprächsbereit und empfänglich für eine Therapie sei: „Ich halte es für realistisch, dass er in fünf, sechs Jahren stabilisiert ist.“ Der Prozess wird am 18. August fortgesetzt.