Bad Berleburg. Das Wisentprojekt bleibt ein Fall für Juristen. Neu ist die Forderung: Berleburgs Bürgermeister Fuhrmann sollte zurücktreten. Das ist passiert.

Nach dem Eklat um die Wisente im Rothaargebirge geht es jetzt um die spannende Frage, wie es mit der Herde der Wildrinder und dem Trägerverein weitergeht. Neu ist dabei, dass jetzt auch ganz persönliche Vorwürfe gegen den Vorsitzenden des Wisentvereins, Bernd Fuhrmann, erhoben werden und der Feudinger Achim Wickel sogar dessen Rücktritt vom Amt des Bad Berleburger Bürgermeisters fordert. Festzuhalten bliebt aber auch, dass nicht nur Fakten, sondern auch Gerüchte um die nächsten Schritte kursieren.

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Das sagt die Bezirksregierung

In der Bezirksregierung Arnsberg fiel hinter verschlossenen Türen auch der Begriff „Fake-News“: Regierungspräsident Heinrich Böckelühr (CDU) war „überrascht“ von einer Zeitungsbetrichterstattung am Dienstag, das berichtet sein Sprecher Christoph Söbbeler auf Nachfrage. Aus dem Medium hatte er erfahren, dass er als Regierungspräsident eine einstweilige Verfügung gegen den Trägerverein des Wisentprojektes beim Landgericht Arnsberg erwirken wolle. Damit, so berichtet die Zeitung, solle der Trägerverein in einem Eilverfahren zur Rückkehr in den öffentlich-rechtlichen Vertrag über das Auswilderungsprojekt gezwungen werden. Den hatte der Trägerverein in der vergangene Woche einseitig aufgekündigt, als er die Wildrinder für „herrenlos“ erklärte und damit jedwede Einflussnahme auf die Tiere und Haftungsfragen für Schäden von sich wies. „Es stehen viele rechtliche Fragen im Raum, die wir analysieren müssen, aber der Regierungspräsident hat keine einstweilige Verfügung erwirkt“, dementierte Söbbeler die Falschmeldung.

Das sagt die Staatsanwaltschaft

Wisente im Sonnenlicht. Das Artenschutzprojekt im Rothaargebirge ist in Schwierigkeiten geraten. Ein Abbruch droht.
Wisente im Sonnenlicht. Das Artenschutzprojekt im Rothaargebirge ist in Schwierigkeiten geraten. Ein Abbruch droht. © WP | Uwe Lindner

Ein juristisches Nachspiel für den Trägerverein ist aber dennoch nicht ganz ausgeschlossen. Das hatte der Rechtsanwalt der klagenden Waldbauern, Hans-Jürgen Thies, in der Westfalenpost bereits mit zwei zu prüfenden Paragrafen ins Spiel gebracht: den Paragrafen 3, Absatz 3 des Tierschutzgesetzes, der Strafen androht, falls man Tiere aus seiner Obhut sich selbst überlässt und den Paragrafen 40 des Bundesnaturschutzgesetzes, der die Freisetzung von geschützten Tierarten ohne behördliche Genehmigung als unzulässig erklärt. Und das geht auch an der zuständigen Staatsanwaltschaft nicht vorbei: „Wir haben ein Prüfverfahren eingeleitet“, berichtet Pressesprecher Patrick Baron von Grotthuss. Für den Oberstaatsanwalt ist das aber ein schwieriges Feld: „Wir werden sehr detailliert und kritisch prüfen, ob das hier infrage kommt“, so von Grotthuss. Einerseits seien die Tiere aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung angesiedelt worden und andererseits lebten sie bereits sehr lange in Freiheit. Auch der Oberstaatsanwalt sieht da vor allem Haftungsfragen für Schäden im Vordergrund, denn als jagdbares Wild gelten Wisente selbst dann nicht, wenn sie herrenlos wären. Also wären auch die Jagdpächter aus der Haftung.

Kreis setzt auf Juristen

Kreis: Tiere sind nicht „herrenlos“

Auf die Frage, wie es mit den Wildrindern am Rothaarkamm weitergeht, hat die Redaktion auch den Kreis Siegen-Wittgenstein angefragt, dessen Landrat Andreas Müller den Vorsitz in der Steuerungsgruppe des Artenschutzprojektes hat. Der Kreis hat eine klare Auffassung zum Thema „Herrenlosigkeit“ der Herde und zu einseitigen Kündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrages:

„Ein solcher Vertrag wird nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes abgeschlossen und definiert die vom Projektträger während des laufenden Projektes umzusetzenden und einzuhaltenden Maßnahmen. Er regelt aber auch, wie eine Entscheidung über eine Überführung des Projektes in eine nächste Phase der Herrenlosigkeit oder über eine Beendigung des Projektes herbeizuführen ist. In beiden Fällen hätte dies durch eine einvernehmliche Entscheidung der nach dem Vertrag einzurichtenden Koordinierungsgruppe erfolgen können, alternativ kann eine solche Entscheidung aber auch durch die Vertragsparteien des öffentlich-rechtlichen Vertrages herbeigeführt werden, insbesondere dann, wenn ein einvernehmliches Votum der Koordinierungsgruppe nicht zu erwarten ist.

Kündigungsrechte

Eine Kündigung dieses öffentlichen Vertrags durch eine einzelne Vertragspartei ist nur möglich, wenn außergewöhnliche Umstände dies erfordern. Aber auch dann – so ist im Vertrag ausdrücklich geregelt – beginnt zunächst eine sechsmonatige Übergangszeit, in der die zur Beendigung des Projektes notwendigen Maßnahmen möglichst einvernehmlich zu vereinbaren sind.

Ausdrücklich ausgeschlossen ist im öffentlich-rechtlichen Vertrag, dass der Trägerverein das Eigentum an den Tieren aufgeben oder deren Herrenlosigkeit erklären kann, ohne dass die anderen Vertragsbeteiligten dem zugestimmt haben.

Die Dienststellen des Landes – also auch die Bezirksregierung und der Landesbetrieb Wald und Holz – und des Kreises sind deswegen der Auffassung, dass entgegen der vom Trägerverein abgegebenen Erklärungen der Status der Tiere weiterhin unverändert ist und dass sie sich weiterhin im Eigentum des Vereins befinden und nicht herrenlos geworden sind.“

Wenn der Trägerverein an der „Herrenlosigkeit“ der Wisenten und seiner einseitigen Kündigung des Vertrages festhält, will der Kreis Siegen-Wittgenstein dies „im Zweifel juristisch oder gar gerichtlich klären“ lassen. Die Schuld für diese Eskalation sieht der Kreis eindeutig beim Trägerverein: „Weil der Trägerverein zurzeit uneingeschränkt an seinen Erklärungen festhält und keine Bereitschaft zu weiteren Verhandlungen mit den die öffentlichen Dienststellen repräsentierenden Vertragsparteien zeigt.“ Wie genau es weitergeht, lässt der Kreis offen. „Die zuständigen Behörden – die maßgebliche Erklärung des Trägervereins ist ja nun gerade erst eine Woche alt – befinden sich über die nunmehr erforderlichen Maßnahmen noch in der Abstimmung.“

Das sagt die Wildtierstiftung

Auf seiner Internetseite äußerte sich auch die Deutsche Wildtierstiftung zum aktuellen Stand des Projektes. Sie ist einer der neuen Partner des Trägervereins und sieht in der Beendigung des Experiments auch einen moralischen Widerspruch: „Wenn wir es nicht schaffen, in Deutschland einen großen Pflanzenfresser auf einer kleinen Fläche zu tolerieren, wie können wir dann von afrikanischen Ländern fordern, Schäden von Elefanten in der Land- und Forstwirtschaft zu dulden?“

Kritiker fordern Konsequenzen

Der Feudinger Achim Wickel erhebt in einem Leserbrief, der in dieser Ausgabe abgedruckt ist, schwere Vorwürfe gegenüber Bernd Fuhrmann. Dieser habe durch sein Verhalten als Vorsitzender des Vereins geltendes Recht aus dem Richtersprüchen des Oberlandesgerichtes ignoriert: „...wenn selbst der Bürgermeister erkennen lässt, dass er die demokratische Rechtsprechung nicht akzeptiert und versucht sich mit billigen ,Staranwaltstricks’ darüber hinwegzusetzen“, dann sei dies unwürdig und für Wickel ein Grund, den Rücktritt vom Bürgermeisteramt zu fordern.

Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmanns Büro äußerte auf Anfrage dieser Zeitung, dass man – wie in der Vergangenheit auch – zu Leserbriefen keine Stellung beziehe.