Bad Laasphe. „Die Leistungen des bewirtschafteten Waldes sind multifunktional“, sagt Fritz Richter, der neue Leiter. Und spricht von neuen Einnahmequellen.

Die Rentkammer der Fürst Wittgenstein’schen Waldbesitzergesellschaft in Bad Laasphe hat seit 2022 einen neuen Leiter: Fritz Richter (38) folgt auf Henning Graf von Kanitz. Seinen Vorgänger hat er auch in der Geschäftsführung der Center-Forst GmbH als Dienstleister für Forstbetriebe beerbt, deren Gesellschafter die Rentkammer Wittgenstein und die Waldgesellschaft der Riedesel Freiherren zu Eisenbach sind. Die Center-Forst Gruppe bewirtschaftet über 30.000 Hektar Wald in Deutschland und den USA. In beiden Funktionen setzt Richter nun neue Schwerpunkte, was den Alltagsbetrieb im Forst betrifft. Ein Stichwort hier: alternative Einnahmequellen.

Wie läuft der Wald-Umbau im Forst der Bad Laaspher Rentkammer? Ist das Kalamitätsholz schon überall aus der Fläche?

Wir sind tatsächlich noch gar nicht den Schritt in die Wiederbewaldung gegangen. Vielmehr sind wir derzeit intensiv in der Kalamitätsaufbereitung. Wir sind als Unternehmen und Erwerbsforstbetrieb auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz getrimmt, deshalb müssen wir alle Kapazitäten dort hineinstecken, wo es im Moment brennt.

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Gehen die frisch gepflanzten jungen Bäume an?

Derzeit analysieren wir unsere Flächen erst einmal und haben ein innovatives IT-System aufgebaut, das die Aspekte des Klimawandels und die Niederschlagsveränderung an den Stellen berücksichtigt, wo aufgeforstet werden muss. Per Tablet, Handy und PC haben unsere Fachleute die notwendigen Geo- und Sachdaten mit der Waldeinteilung und den Aufforstungsflächen samt GPS-Bezug immer parat, etwa auf Themenkarten, können sie also mit in den Wald nehmen, Arbeitsmaßnahmen planen und organisieren. Außerdem prüfen wir darüber laufend unsere Facheinschätzung anhand von Empfehlungen, welche Baumarten die richtigen für einen bestimmten Standort unter den klimatischen Perspektiven sein wird.

Mit welchem Anspruch geht die Rentkammer mit ihren Waldflächen um?

Achtung, Forstarbeiten! An vielen Stellen ist das Kalamitätsholz noch nicht aus dem Wald, anderswo geht es schon um die Wiederbewaldung.
Achtung, Forstarbeiten! An vielen Stellen ist das Kalamitätsholz noch nicht aus dem Wald, anderswo geht es schon um die Wiederbewaldung. © WP

Es gilt, unseren Forstbetrieb für die Zukunft zu erhalten. Alle Wälder in der Region sind durch Menschenhand geprägt. Wir haben den Anspruch unsere Wirtschaftswälder wiederherzustellen – aber eben klimaresilient, Laubholzbestände inklusive. Wir sind gerade in der Vorbereitungsphase. Und unsere Bedürfnisse für den Wald müssen wir natürlich auch mit unseren Baumschulen kommunizieren, also geeignete Pflanzen bestellen. Vieles wird sich nicht natürlich wiederbewalden, weil die Kahlflächen zu groß sind. Allerdings wird die Wiederbewaldung problematisch, weil das Forstpflanzengut erst angezüchtet werden muss. Es wird also zu Engpässen in der Umsetzung kommen. Dieser Wiederbewaldungsprozess wird sicher 20 Jahre andauern.

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Sie waren bei „Center-Forst“ bislang „Assistent der Geschäftsleitung“. Welche Einblicke hatten Sie in dieser Funktion bereits in die Arbeit der Bad Laaspher Rentkammer?

Ich bin jetzt im achten Jahr im Unternehmen. Damals bin ich als Assistent auf einer halben Stelle und befristet auf 1,5 Jahre eingestiegen. Ich habe währenddessen begonnen, das Geschäftsfeld „Forsteinrichtung“ aufzubauen – da sind wir als Center-Forst GmbH mit Abstand Marktführer in Hessen. Ich habe in der Center-Forst das digitale IT-System aufgebaut und natürlich dem Geschäftsführer, meinem Vorgänger Henning Graf von Kanitz, zugearbeitet. Als Dienstleister im Forst beraten wir auch Institutionen – zum Beispiel den hessischen Rechnungshof, Versicherungen oder Gerichte. Aber natürlich auch jene Waldbesitzer und Forstbetriebe in Wittgenstein, die von uns betreut werden. Und wir haben ein Startup-Unternehmen im Bereich der Forst-IT aufgebaut.

Welche Ratschläge hat Ihnen Ihr Vorgänger Henning Graf von Kanitz mit auf den Weg gegeben? Fungiert er noch als Berater im Hintergrund?

Steckbrief: Fritz Richter

Fritz Richter (38) wächst in Johannisberg im südhessischen Rheingau auf. Nach dem Abitur studiert er an der Universität Göttingen und an der Technischen Universität in der Slowakei Forstwissenschaften und Waldökologie (Master of Science).

„Erneuerbare Energien habe ich aber auch studiert“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Darüber hinaus war Richter im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in Vietnam tätig, in Irland und den USA aktiv – ist also „international breit aufgestellt“.

Der 38-Jährige ist glücklich verheiratet, hat eine sechsjährige Tochter und einen fünfjährigen Sohn. Seine Hobbys: Natur, Handball, Reisen und Segeln. Ferner engagiert sich Fritz Richter in verschiedenen hessischen Vereinen, ist zum Beispiel Vorstandsmitglied im hessischen Waldbesitzerverband und Sprecher der Fachgruppe der Forstsachverständigen in Hessen.

Graf von Kanitz ist jetzt vollständig im Ruhestand. Ich habe mit ihm immer ein enges und gutes Verhältnis gehabt mit dem gemeinsamen Ziel, Forst-Eigentum erfolgreich weiterführen. Der Übergang in der Geschäftsführung Anfang des Jahres war vorgesehen, nicht zuletzt wegen der komplizierten Geschäftsstrukturen. Im Übrigen ist Graf von Kanitz für die Familie der Rentkammer weiterhin da, wenn es noch offene Fragen geben sollte.

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Wo setzen Sie Schwerpunkte in der Bad Laaspher Forstwirtschaft?

Wir stehen ja von einem brutalen Veränderungsprozess, der uns mit aller Wucht getroffen hat: die Kalamität. Damit entfällt unsere eigentliche Geschäftsgrundlage auf Jahrzehnte. Da gilt es jetzt, alternative Einnahmequellen zu schaffen – was schwer ist bei der Größe unserer Flächen. Ziel ist es, mit der Stadt Bad Laasphe im Dialog Alternativen umzusetzen, aber auch auf unserem Eigentum in Erndtebrück und Bad Berleburg.

Können Sie dazu ein Beispiel nennen?

Natürlich ist da die Windkraft – aber wir sind nach einer behördlichen Baugenehmigung beklagt worden, als wir bereits vor Jahren Windenergie im Wald bei Sohl umsetzen wollten. Damals war die Situation noch anders. Der Wald war grün und vital und es hat Verfahrensfehler beim Projektierer gegeben. Wir sind nun an einem anderen Punkt – und seit Jahren daran, diesen Windpark in Bad Laasphe erneut zu entwickeln, gemeinsam mit dem Land NRW als Flächeneigentümer dort und der Umweltstiftung Dieter Mennekes. Inzwischen gehen wir davon aus, dass dieses Projekt kommen wird, mit dem Unternehmen Juwi als Projektierer und im Einvernehmen mit der Kommune.

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Borkenkäfer, Trockenheit, Windkraft: Welche großen Herausforderungen warten auf Sie in den Wittgensteiner Wäldern?

Wir hoffen sehr darauf, dass die wichtigsten Ökosystem-Leistungen des Waldes bald honoriert werden – das ist ein politisches Thema. Es geht darum, dass der Wald im Privateigentum ein CO2-Speicher, aber eben auch Zugang zur reinen Erholung, zu reinem Wasser und zu sauberer Luft ist. Die Städte Bad Laasphe und Berleburg profitieren als Kurort und vom Tourismus. Menschen nutzen unsere Privatwälder, die wir gerne zur Verfügung stellen. Aber gerade die Notwendigkeit, dass unsere Betriebe weiter existieren müssen, drängt Alternativen auf. Hier ist Windenergie die einzige wahre Hoffnung. Die Vergütung von CO2-Leistungen oder auch den Erosionsschutz durch den aufgeforsteten Waldbestand sind in der Politik bislang nicht ausreichend diskutiert worden. Mechanismen existieren bisher nicht, werden aber immer mehr diskutiert.

Erholung im Wald – das möchten sich die Eigentümer privater Areale in der Zukunft vergüten lassen. Diskutiert wird über Vergütungen durch CO2-Zertifkate.
Erholung im Wald – das möchten sich die Eigentümer privater Areale in der Zukunft vergüten lassen. Diskutiert wird über Vergütungen durch CO2-Zertifkate. © Lars Heidrich

Was fordern Sie deshalb?

Die Leistungen des bewirtschafteten Waldes sind multifunktional. Wenn wir Erholungs- und Schutzfunktionen erbringen und Klimaschutz-Ziele aktiv umsetzen, erwarten wir dafür Vergütungen. Da plädiere ich sehr für eine Kombination aus Grundvergütungen durch den Staat für Gemeinwohl-Leistungen und den freien Markt. Dass Unternehmen freiwillige CO2-Zertifikate aus dem Wald kaufen können, um ihre eigenen Klimasünden auszugleichen, wird kommen. Und Flächeneigentümer könnten zum Beispiel die Förderung bestimmter Baumarten beantragen, um bestimmte Management-Maßnahmen als Leistung am Markt anbieten.

Wie soll das mit der Zertifizierung funktionieren?

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Wir hoffen und wirken mit, dass für Forstbetriebe, die Holzwirtschaft und den Naturschutz sowie die Industrie und Verbraucher ein Standard entwickelt wird, damit verschiedene Zertifizierungssyteme unter einem Dach gemanagt werden können. Es wäre unser Wunsch, die klassische Bewirtschaftung und eine finanzielle Kompensation für bestimmte Maßnahmen durch einen neuen Markt und neue Mechanismen zu erschließen. Wir sind zwar schon froh, dass es eine klassische Förderung für den Forst gibt, aber diese ist auch sehr bürokratisch – und deckt sich häufig nicht mit den Interessen des Erwerbsforstbetriebes, da die Ziele politisch überprägt sind.

Wo immer mehr Bäume gefällt werden, entsteht Platz für andere „Gewächse“ wie zum Beispiel Windräder oder Photovoltaik-Anlagen. Sehen Sie darin eine Zukunft?

Für die Windkraft suchen wir momentan erst einmal eine klare Linie. Hier sind zunächst die Kommunen als Planungsträger gefragt. Und wir wünschen uns auch, einbezogen zu werden. Photovoltaik dagegen ist im Moment wirklich schwierig, hier muss der Gesetzgeber nachbessern. Der Ukraine-Krieg zeigt uns auf, dass Deutschland schnellstmöglich und geregelt nachhaltige Energie erzeugen muss.

Als „Assessor des Forstdienstes“ haben Sie eine Zeit lang in Kassel als Forstsachverständiger gearbeitet. Was sind das für Erfahrungen aus Ihrer heutigen Sicht?

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Ich bin von der Ausbildung her Forstassessor und mit Amt des Geschäftsführers leitender Forstdirektor im Privatwald. Ich besitze aber auch noch eine öffentliche Bestellung zum Sachverständigen für Forstwirtschaft. Dieses Know-how bringe ich jetzt als Geschäftsführer bei unserer Center-Forst-Gruppe ein. Wir erstellen Fachgutachten und beraten Institutionen, private und kommunale Waldbesitzer.

Stellen beispielsweise Kletteranlagen oder Mountainbike-Trails eine zukunftsfähige Einnahmequelle für Waldbesitzer dar?

Wir stehen in enger Diskussion mit den Kommunen auch zu diesen Themen. Es muss aber erst einmal etwas Substanzielles sein, wir sind ein Land guter Ideen. Wenn Sie auf die Interessensgruppe für einen Bikepark in Bad Laasphe anspielen, stehen wir einem solchen Projekt positiv gegenüber. Wir haben die Planung an die Stadt übergeben, die Untersuchungen laufen. Aber wir unterstützen grundsätzlich gute Ideen in solchen Richtungen.

Stichwort Verkehrssicherheit: Können sich Wanderer oder Spaziergänger überhaupt noch in einen Wald trauen, in dem die kranke, trockene Bäume nicht mehr ganz standsicher sind?

Wir gehen unseren Hausaufgaben da sehr streng nach, erwarten aber auch Unterstützungsleistungen durch das Land NRW, gerade bei der Verkehrssicherheit entlang öffentlicher Straßen. Und für den Wald selbst ist unser Appell nach draußen: Nur die Waldwege betreten, alles andere ist gefährlich. An den Waldwegen kommen wir unseren Verpflichtungen nach. Der Waldbesucher muss waldtypische Gefahren selber erkennen.

Mehr Infos im Internet: www.center-forst.de, www.rentkammer-wittgenstein.de. Die Internet-Auftritte sind zur Zeit in der Bearbeitung.