Bad Laasphe. Henning Graf von Kanitz, scheidender Geschäftsführer Center Forst, blickt im Interview zurück und nach vorn – durchaus mit gemischten Gefühlen.
Henning Graf von Kanitz, langjähriger Geschäftsführer Rentkammer Laasphe der Fürst Wittgenstein’schen Waldbesitzergesellschaft, zieht sich nun auch aus der Geschäftsführung des hessischen Kooperationspartners „Center Forst“ zurück. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über seinen Start Anfang der 90er Jahre und die schwierige aktuelle Entwicklung mit Klimawandel und Borkenkäfer. Er blickt aber auch nach vorn – auf Wiederaufforstung und Windkraft im Wald.
Sie sind zum 31. Dezember 2021 als Geschäftsführer der Center Forst GmbH in den Ruhestand getreten. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Henning Graf von Kanitz Ganz ehrlich: Das war eine schwere Entscheidung. Aber ich denke, ich habe versucht, den Betrieb zusammenzuhalten, auf eine wirtschaftliche Basis zu stellen und Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu sichern. Ich habe versucht, die Geschäftsfelder Jagd, Friedwald und Ökopunkte für Biotop-Aufwertung auszubauen. Und ich habe versucht, im Forst die Nachhaltigkeit einzuhalten – trotz diverser Stürme wie Vivian oder Wiebke. Leider muss man dem Nachfolger einen schwer geschädigten Betrieb übergeben. Früher haben wir rund 40.000 Festmeter Holz pro Jahr eingeschlagen – ab 2022 werden es vielleicht nur noch 10.000 Festmeter sein. Mein Nachfolger muss durch Verschlankung und neue Geschäftsfelder versuchen, nicht in ein Defizit zu verfallen. 2020 und 2021 haben wir bereits versucht, für einen Teil der Aufforstungskosten entsprechende Rückstellungen zu bilden.
Forstpolitisch wurde früher immer wieder darauf gesetzt, die Betriebe ausschließlich über den Holzverkauf wirtschaftlich zu führen. Die sonstigen Wald-Funktionen – also Schutz- und Erholungsfunktion – standen der Allgemeinheit zum Nulltarif zur Verfügung. Heute wird das ohne öffentliche Hilfen nicht mehr weiter möglich sein.
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Ihr beruflicher Rückzug bei Center Forst und aus der Rentkammer Bad Laasphe – wie vollzieht sich das?
Steckbrief: Henning Graf von Kanitz
Der Diplom-Forstwirt Henning Graf von Kanitz (65) wird in einem Forsthaus im Westerwald geboren. Im Kreis Neuwied/Rhein macht er auch das Abitur. In München studiert er Forstwirtschaft. Für drei Semester geht Graf von Kanitz ferner an die damalige Hamburger Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH), Institut für Weltforstwirtschaft. „Ich war das einzige Kind unter meinen Geschwistern, das in die Forst-Laufbahn gegangen ist.“1984 folgt ein zweijähriges Referendariat im rheinland-pfälzischen Koblenz, wo von Kanitz später auch sechs Jahre als Oberforstrat tätig ist. Nach den Stürmen Vivian und Wiebke organisiert er die Nasslagerung des Holzes im gesamten Bundesland. 1992 dann der Ruf zur Rentkammer in Bad Laasphe, wo von Kanitz auch 13 Jahre lang wohnt. Er ist verheiratet mit einer Kommunikationstrainerin und hat zwei erwachsene Kinder im Alter von 25 und 26 Jahren.Die Hobbys des 65-Jährigen: Kunst, Reisen und Musik machen. So bereiste von Kanitz unter anderem verschiedene afrikanische Länder, um sich dort die Entwicklungshilfe im Forst anzusehen. In reduzierter Form bleibt er übrigens der Center Forst GmbH als Senior Consultant erhalten, insbesondere für die betreuten Wälder der USA. Graf von Kanitz spielt Saxofon in einer Combo sowie einer Big Band – und freut sich schon: „Dafür habe ich jetzt mehr Zeit.“ Außerdem sieht sich von Kanitz mit seiner Frau fast jeden Film im Kino seiner jetzigen Heimatstadt Lauterbach an.
Also, das läuft alles so ein bisschen stufenweise. Die Tätigkeiten als Geschäftsführer der Rentkammer habe ich schon vor einem Jahr abgegeben, erledige im Moment aber noch offene Vorgänge aus den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021. Aus dem laufenden Geschäft bin ich raus. Ich war seit 1992 der Geschäftsführer und Generalbevollmächtigter dieser GbR. Wenn ich jetzt gehe, habe ich in dieser Funktion fast die 30 Berufsjahre voll.
Wie fing das damals für Sie in der Rentkammer an?
Ich habe damals einige Umstrukturierungen im Unternehmen vornehmen müssen, als wir einige Flächen verloren hatten – durch Austritte aus der Gesellschaft und Verkäufe. 2005 ergab sich dann für die Rentkammer mit dem zweitgrößten Privatwald NRWs nach Bad Berleburg die Gelegenheit, mit dem größten Privatwald Hessens zu kooperieren – auch eine Konstruktion mit einer Vielzahl von Eigentümern. Ich wurde dann auch dort zunächst Geschäftsführer und gründete schließlich die Dachgesellschaft „Center Forst“, um zentrale Verwaltungsaufgaben und Synergieeffekte beider Gesellschafter zusammenzuführen. Am 1. Januar 2007 hatte die GmbH dann ihre volle personelle Ausstattung. Im Grunde sind nur noch die Revierleiter und Waldarbeiter in der GbR geblieben.
Und wie verlief damals der Start bei Center Forst?
Der Orkan Kyrill am 18. und 19. Januar 2007 war die Feuertaufe für diese Konstruktion – und wir haben dann sowohl die organisatorische als auch die logistischen Qualifikationen in Hessen und in Bad Laasphe gut nutzen können. Hessen war schon in früheren Jahren von Kalamitätsholz betroffen gewesen. Ohne „Center Forst“ hätten wir die Kalamitäten durch den Orkan in Bad Laasphe gar nicht allein bewältigen können. Und auf der Abnehmer-Seite für das Holz hatten wir bereits einen schrumpfenden Markt.
Da waren die Säger aus dem Sauerland wie etwa die Briloner Firma Egger und die eingesessenen früheren Bauholz-Säger oder die Firmen Ante und Pfeifer in Hessen, Vogelsbergkreis. Außerdem war für uns der Fernabsatz möglich nach Süddeutschland und Österreich. So haben wir 2007 dank der Kooperation rund 600.000 Festmeter Kalamitätsholz abgewickelt.
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Gab es nach Kyrill nicht noch ähnliche Stürme dieses Kalibers?
Viel schlimmer für uns waren tatsächlich Orkan Friederike im Januar 2018 sowie zwei folgende trockene Sommer 2018 und 2019. Dabei hat der Windwurf zu einer sehr starken Entwicklung des Borkenkäfers beigetragen. Insbesondere hat der Bad Laaspher Wald stärker gelitten als der in Bad Berleburg bei geringeren Niederschlägen. Wir haben jetzt großflächige Schäden, so dass wir mindestens 50 Prozent des Holzbestandes verloren haben und noch verlieren werden. Eine Wiederaufforstung ist notwendig, dabei gehe ich von Tausenden Hektar aus. Wir werden aber unterschiedlich mit den Flächen umgehen, nach alternativer Wald-Nutzung suchen – durch Windkraft sowieso.
Windkraft haben wir ja schon vor zehn Jahren planerisch begonnen, rund um Fischelbach. Das Projekt wurde aber erfolgreich beklagt. Jetzt haben wir es neu aufgegriffen. Das Projekt befindet sich jetzt im Genehmigungsverfahren.
Sie verlassen Ihren Arbeitsplatz in einer Zeit, wo sich die Wälder vor allem wegen des Klimawandels offenbar gravierend verändern. Wie bewerten Sie die Entwicklung? Und was raten Sie Ihrem Nachfolger im Amt mit Blick auf die Zukunft im Forst?
Die Windkraft wird wichtig sein für die Zukunft der Waldflächen in Bad Laasphe – und ich bin mit meinem Nachfolger, Fritz Richter, der Meinung, hier alle Potenziale nutzen zu müssen. Dabei hoffen wir auf Rückenwind durch die neue Ampel-Regierung – etwa beim Tempo der Umsetzung von Windkraft-Projekten. Bei fünf Jahren im Moment bis zur Genehmigung sind aktuelle Anlagen, die ständig neuen Vorgaben unterworfen sind, ja gar nicht planbar. Außerdem haben wir eine hohe Belastung durch die Einordnung unserer Waldflächen in geschützte Flora-Fauna-Habitat-Gebiete – mit Fledermaus, Rotmilan oder Schwarzstorch.
Mein Nachfolger Fritz Richter kommt übrigens gebürtig aus Hessen und hat schon fünf Jahre Erfahrung bei Center Forst. Er ist wie ich Diplom-Forstwirt und hat im Unternehmen den Dienstleistungsbereich für weitere Waldbesitzer und öffentliche Institutionen sehr erfolgreich aufgebaut.
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Wo immer mehr Bäume gefällt werden, entsteht Platz für andere hohe „Gewächse“ wie zum Beispiel Windräder. Sehen auch Sie in der Windenergie eine Zukunft für Waldbesitzer, die ihre Flächen Betreibern von Windkraftanlagen überlassen – oder in diesem Bereich gar selbst investieren?
Ich glaube nicht, dass das zu einem neuen Hype führt. Seit drei Jahren reicht es ja nicht, dass Sie für neue Windräder eine Genehmigung haben – Sie müssen auch einen Strompreis bieten. Zum Glück hört das aber auf, wenn bald die Umlage nach Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für die Windkraft herausfällt.
„Schwarzstorch bedroht die Windkraft“ lautete im Mai 2021 eine Überschrift unserer Zeitung. Wie bewerten Sie aktuelle Windkraft-Projekte auf Flächen bei Fischelbach, Hesselbach, Bernshausen oder Sohl, deren Eigentümer Sie vertreten bislang vertreten haben?
Wir haben wie gesagt ein gescheitertes Projekt bei Fischelbach wieder neu aufgelegt – im ähnlichen Umfang mit sieben Windrädern, davon fünf auf unseren Flächen. Das könnte dann in zwei, drei Jahren Realität sein. Und die anderen Gebiete sind in Planung. Ein Problem ist die Radarstellung der Bundeswehr am Ebschloh in Erndtebrück, die verhindert viel – sogar in Fischelbach, obwohl wir weit weg jeder Besiedlung sind. Aber es gibt Verhandlungen. Wir als Wald-Eigentümer werden die Flächen für Windkraft auch weiterhin nur an Projekt-Entwickler oder Betreiber verpachten.
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Wie war das eigentlich vor etwa einem Jahr bei den Dreharbeiten zum Dokumentarfilm „Das grüne Herz Westfalens“ von Katrin Buhbut, in dem Sie als Experte auch zu Wort gekommen sind?
Das war ein freies Filmteam, das sich das Thema selbst gesucht und den Film dann über den WDR publiziert hatte. Die kamen dann auf uns als Rentkammer zu, weil sie wussten, dass ich seinerzeit den Bad Laaspher Friedwald mitinitiiert hatte – als ersten privaten Friedwald in Deutschland. Ich bin und bleibe ja ein großer Fan dieser Art von Waldnutzung. Im Film übrigens auch zu sehen: die Paten für unser Archiv, die sich ehrenamtlich um den Bestand kümmern – etwa mit dem Forstatlas als einzigartigem Karten-Material aus dem 17. Jahrhundert.
Sind die „Bücherwürmer“ im Fürstlichen Privatarchiv eigentlich noch aktiv?
Fast vier Jahrzehnte lang war ja der Name von Eberhard Bauer, der 2017 verstorben ist, eng mit diesem Archiv verbunden, das sich jetzt im Haus der Rentkammer befindet. Vorher hatte er aber die Betreuung der historischen Unterlagen an Heinrich Imhof aus Weidenhausen abgegeben, der sich nun gemeinsam mit den Heimatforschern Wolfgang Birkelbach und Klaus Homrighausen darum kümmert. Und ich habe die drei dann irgendwann liebevoll „Bücherwürmer“ genannt.
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Warum übernimmt man – wie Sie 2015 – die Schirmherrschaft für ein Bildhauer-Symposium auf dem Stünzel? Oder des 4. Wittgensteiner Holzmarktes 2001 in Bad Berleburg?
Dazu muss man wissen: Der Stünzelplatz gehört der Bad Laaspher Rentkammer und bot sich als Veranstaltungsort gut an. Das lief damals über die Vermittlung von Heinz Mengel, einem ehemaligen Mitarbeiter der Rentkammer. Der brachte da ganz internationale Leute zusammen – um künstlerisch etwas zu machen mit Wald-Materialien. Und beim Holzmarkt waren wir als Rentkammern ja ohnehin immer mit einem eigenen Präsentationsstand vertreten.
Im März 2004 wurde der erste NRW-Friedwald in Bad Laasphe eröffnet. Wie kam es dazu? Wie betrachten Sie das Projekt, das auch Ihre Handschrift trägt, aus heutiger Sicht?
Dieses Projekt geht immer weiter – mit rund 100 bis 120 Bestattungen im Jahr. Nachdem das Einzugsgebiet erst deutlich überregionaler war, hat sich die örtliche Bevölkerung nach längerer Eingewöhnungszeit immer stärker interessiert. Aus dem nahen Hessen haben wir allerdings eher weniger Kundschaft, die offensichtlich die Bestattung Angehöriger in einem anderen Bundesland scheut.
Grundsätzlich ist der Friedwald eine sehr sinnvolle Nutzung von Wald – da brauchen Sie auch keine Bäume zu fällen. Und wenn ein Baum stirbt, bleibt er liegen. In unserem Friedwald haben sie zu 95 Prozent Buchenbestände, vielleicht noch ein paar Eichen, Birken oder Ahorn. Das Konzept ist erfolgreich, trägt sich – und die Leute sind dankbar, dass es so etwas gibt. Für die Verwaltung arbeiten wir übrigens mit der Friedwald GmbH im hessischen Griesheim zusammen.