Berghausen. 50 Jahre hat Hans Günter Radenbach auf den Moment gewartet: Seine Funde aus zwei Tälern bei Berghausen stuft die Wissenschaft als bedeutend ein.

„Bisher galten die Urkunden aus Raumland und Arfeld als Siedlungsbeginn in Wittgenstein“, erläutert Hans Günter Radenbach. Doch seine Funde aus dem frühen Mittelalter, die er im Trufte- und im Preisdorftal gemacht hat, stammen aus einer Zeit vor den Sachsenkriegen der Jahre 772 bis 804. „Damit ist die Besiedlungsgeschichte Wittgensteins 100 bis 150 Jahre älter, als wir bisher angenommen haben“, berichtet Radenbach. Unterstützung bekommt er von Archäologen des Landesverbandes Westfalen-Lippe (LWL) wie Dr. Rudolf Bergmann aus Münster, Dr. Manuel Zeiler und Dr. Eva Cichy aus Olpe.

Sie haben die Forschungen zu einem Projekt unter dem Titel „Archäologisches Schaufenster Preisdorf- Truftetal“ zusammengefasst, dessen Erforschung noch weitere Erkenntnisse erhoffen lässt.

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Neugier und glückliche Umstände

Am Anfang dieser Geschichte stehen ein 23-jähriger Werkzeugmacher voller Entdeckerdrang und Landwirte, die ihre alten Ochsengespanne gegen Traktoren und neue Pflüge tauschen. Das war 1973.

Der Berghäuser Hans Günter Radenbach hat mit seinen Funden aus der Eisenzeit und dem frühen Mittelalter einen wesentliche Beitrag zur Geschichtsforschung geleistet. Hier eine Zeichnung einer mittelalterlichen Schnalle aus der Wüstung
Der Berghäuser Hans Günter Radenbach hat mit seinen Funden aus der Eisenzeit und dem frühen Mittelalter einen wesentliche Beitrag zur Geschichtsforschung geleistet. Hier eine Zeichnung einer mittelalterlichen Schnalle aus der Wüstung "Druffte" im Truftetal.  © WP | Lars-Peter Dickel

Damals hörte sich Hans Günter Radenbach den Vortrag eines Archäologen auf der Auer Burg an. Der wunderte sich darüber, dass es in Wittgenstein zwar fünf Wallburgen gebe, aber nicht einen einzigen bekannten Siedlungsplatz aus der Eisenzeit. Das ließ dem jungen Berghäuser keine Ruhe – und er begann zu forschen.

„Mein Glück war es, dass die Bauern damals vielfach ihre Pflüge tauschten“, erklärt Radenbach. Die tiefer greifenden Scharen ritzten auch die archäologisch bedeutsamen Schichten an und förderten so Funde zu Tage. „Ich habe nicht gegraben. Das sind alles Oberflächenfunde“, erklärt der heute 72-jährige. Akribisch kartiert und beschreibt er seine Funde und bewahrt sich sicher auf. Das Problem: Fast 50 Jahre lang interessiert sich kaum ein Fachmann für diese Funde, bis Dr. Manuel Zeiler von der Außenstelle Olpe des LWL um eine Auswertung kümmert. „Das ist ein Geschenk für Wittgenstein“, sagt Radenbach.

Ein Urhof aus dem 7. oder 8. Jahrhundert

1973 hatte Radenbach eine Stelle im Preisdorftal entdeckt und mit Funden belegt, die nun zu einer Grabung führten. Im Jahr 2020 haben Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe dann an dieser Stelle eine sensationellen Fund gemacht: Eine frühmittelalterlichen Urhof, der sich auf das 7. bis 8. Jahrhundert datieren lässt.

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Dr. Rudolf Bergmann bezeichnet den Urhof im Preisdorftal als einen wichtigen Anhaltspunkt: „Dabei handelt es sich um einen der Urhöfe der späteren Grafschaft Wittgenstein, von denen die Besiedlung ihren Beginn nahm“. Das Alter macht Bergmann an dem steinernen Keller fest und bescheinigt außerdem einen „Kulturzusammenhang mit den angrenzenden Kulturregionen Mitteldeutschlands“. Und Bergmann regt an: „Es wäre sinnvoll, hier aufgrund der exzellenten Erhaltungsbedingungen einen zukünftigen Schwerpunkt der Wüstungsforschung einzurichten.“

Überregional bedeutende Funde

Dr. Eva Cichy und Dr. Manuel Zeiler betonen ebenfalls die Einzigartigkeit: „Der gemauerte Steinkeller ist in das 7. bis 8. Jahrhundert zu stellen und damit überregional beachtenswert. Derartige Bauten sind selten und finden sich in Hessen mehrheitlich an befestigten Plätzen der Karolinger-Zeit.“ Zeiler geht wegen der Kellerwände und der Fundgüter am Urhof davon aus, eine gesellschaftlich exponierte Bevölkerung zu belegen und nennt dies eine „Seltenheit für Hessen und Westfalen“.

Auch wenn es Differenzen in der zeitlichen Einordnung gibt: Hans Günter Radenbach geht das runter wie Öl. „Dass ich das noch erleben darf“, sagt der 72-Jährige fast 50 Jahre nachdem er den Urhof im Preisdorftal lokalisiert hat.

Ein archäologisches Schaufenster

Zum archäologischen Schaufenster werden Preisdorftal und Truftetal vor allem durch ihre Funddichte mit zwei Brennpunkten der frühen Eisenzeit und dem frühen Mittelalter. Darüber hinaus lassen sich dort sogar Gelände-Relikte aus der Eiszeit mit sogenannten Hanglehm-Terrassen feststellen, die vor 18.000 Jahren entstanden sind.

Aber zurück zur Besiedlungsgeschichte, die für Wittgenstein dann etwas früher datiert werden kann: Im Preisdorftal hat Radenbach fünf Siedlungen entdeckt. Neben dem Urhof ist dort auch die Siedlung „Briesdorff“ zu nennen, die 1447 auch urkundlich erwähnt wurde. Hinzu kommen drei eisenzeitliche Siedlungen.

Wichtig für die Menschheitsgeschichte

Der Berghäuser Hans Günter Radenbach hat mit seinen Funden aus der Eisenzeit und dem frühen Mittelalter einen wesentliche Beitrag zur Geschichtsforschung geleistet. Hier eine Zeichnung einer mittelalterlichen Schnalle aus der Wüstung Druffte im Truftetal.
Der Berghäuser Hans Günter Radenbach hat mit seinen Funden aus der Eisenzeit und dem frühen Mittelalter einen wesentliche Beitrag zur Geschichtsforschung geleistet. Hier eine Zeichnung einer mittelalterlichen Schnalle aus der Wüstung Druffte im Truftetal. © WP | Lars-Peter Dickel

Das Truftetal ist sogar fast flächendeckend besiedelt gewesen. Dr. Bergmann würdigt das Tal und die Forschung dazu so: „Sie sind für die Geschichte der Menschheit bedeutsam.“ Zehn Fundorte hat Radenbach hier aufgelistet. Vier stammen aus dem 7. bis 8. Jahrhundert. Eine davon ist auch das Dorf „Druffte“, das dem Tal seinen Namen gab. Es soll nach der Berleburger Chronik (Cornelius) ein Dorf mit Kirche und Höfen auf beiden Seiten des Baches gewesen sein, das in Urkunden aus dem 16. Jahrhundert erwähnt wird und nach zwei verheerenden Bränden schließlich wüstgefallen war.

Und all diese Erkenntnisse machen Funde möglich, die ein archäologisch interessierter junger Mann – Hans Günter Radenbach – ab dem Jahr 1973 in und um Berghausen und später an vielen anderen Orten Wittgensteins gemacht hat. Aus dem Interesse wurde Leidenschaft, die aber lange von anderen Wissenschaftlern ignoriert wurde, bis Dr. Manuel Zeiler und neue wissenschaftliche Methoden die Auswertung voran getrieben haben.