Deuz. . Das Gräberfeld auf dem 67 eisenzeitliche Bestattungen stattfanden, wurde im Zeitraum von etwa 600 vor Christus bis zur Zeitenwende angelegt.

Die Geschichte geht weit zurück, in jeder Hinsicht. 1987 hat Helmut Baldsiefen, Amateur-Altertumsforscher aus Netphen, das Gräberfeld im Osten und Südosten von Deuz entdeckt, wertheaufwärts am Hang zur Wasserscheide zum Siegtal. Bis 1996 wurden dort 67 eisenzeitliche Bestattungen ausgegraben, die ältesten aus der mittleren Hallstattzeit um 600 vor Christus, die jüngsten aus der Spätlatenezeit bis zur Zeitenwende: Urnengräber, Leichenbrandnester, ein Körpergrab.

Dr. Hartmut Laumann, 2001 verstorbener wissenschaftlicher Referent bei der LWL-Archäologie für Westfalen in der Außenstelle Olpe, sei „nie dazu gekommen, das auszuwerten“, sagt Dr. Manuel Zeiler, einer von Laumanns Nachfolgern. Als er selbst 2012 nach Olpe gekommen sei, „ hat mich das natürlich interessiert.“

Wer sind die Menschen, die dort beigesetzt wurden, und woher kamen sie?

„Wir können vieles genauer datieren“, sagt Zeiler, der jetzt gemeinsam mit Sidney Sebald und Gisela Gruppe erste Ergebnisse veröffentlicht hat. Das geplante Buch wird auch eine Studie zum Thema Migration sein. Denn diese Erkenntnis zeichnet sich ab: Es gab nicht die eine Wanderung, aus der sich die Urbevölkerung des Siegerlands entwickelte. Die Belege deuten vielmehr auf den „kontinuierlichen Zuzug von Fremden hin“, sagt Zeiler.

Wer ist geblieben, wer wieder gegangen?

Die Spuren führen nach Nordhessen. Von dort könnte die Keramik stammen, die in einigen Deuzer Gräbern gefunden wurde. Halsringe, ein Schmuck der wohlhabenderen Menschen, deuten auf die Wetterau hin, eine Eisenfibel – mit der ein Gewand zusammengehalten wird – auf Zentralfrankreich. Verzierungen, Schmuck, Keramiken deuten auf Entstehungszeiten, „der Geschmack ändert sich“, sagt Manuel Zeiler.

Aber, so rückt der Archäologe bisher gängige Forschung zurecht: „Die Dinge sind teilweise deutlich jünger.“ Und sie stammen keineswegs eindeutig immer aus derselben Region, es gibt Hinweise auf die Eifel, auf die Pfalz, auf Tirol, auf den Schwarzwald. Ein, zwei Jahrhunderte machen für die Deutung eine Menge aus. „Migration gab es die ganze Zeit.“ Und Zuwanderer, die zum Beispiel um 500 vor Christus gekommen sind, sind auch wieder weggegangen.

Wer ist Einheimischer, wer Migrant?

In den Gräbern wurden in etwa ebenso viele Frauen wie Männer beigesetzt. Fast die Hälfte starben als junge Erwachsene, also als 20- bis 40-Jährige, die andere Hälfte wurde 40 bis 60 Jahre alt, der Senior, ein „Vielgereister“, könnte sogar 70 geworden sein.

Ein Drittel der Beigesetzten stammt nicht von hier – die Strontiumanalyse belegt den Unterschied zwischen Zahnwurzeln, die sich in der Jugend bilden und nicht verändern, und Knochen, die sich der Umgebung anpassen. Kalziumreiche Ernährung, mit Milch und Blattgemüse zum Beispiel, beeinflusst die Strontium-Zusammensetzung in den Knochen. Das wäre dann ein Indiz für eine Region mit Viehhaltung. „Normal“ in der Eisenzeit war ein Migrationsanteil von zehn Prozent. Für Manuel Zeiler zeigen die Deuzer Ergebnisse, „dass das Siegerland in der Eisenzeit für Einwanderer attraktiv war.“

Was verraten Zähne, was der Schmuck?

Aber wo kamen sie nun her? Entdeckt wurden „spät Zugereiste“, die – das beweisen die Zähne – ihre Jugend noch nicht im Siegerland verbracht haben. Sie könnten aus der Gegend von Korbach gekommen sein, vom Vogelsberg, aus dem Raum Bonn, überall daher, wo es junges Vulkanitgestein gibt, aus dem Strontium in den Körper aufgenommen wurde.

Zwei Beigesetzte wurden gefunden, die aus Gegenden mit altem Gestein, zum Beispiel Granit, stammen. Sie könnten aus dem Taunus zugewandert sein, ebenso aber auch aus dem Burgenland oder dem Schwarzwald. Dann ist da die Fibel im Grab eines Menschen, der aus dem französischen Zentralmassiv kommen könnte – zumindest der Schmuck stammt eindeutig dorther.

Viele Gräber enthalten Hinweise auf die Wetterau, „vielleicht fassen wir damit die Gründergeneration“, schreiben Zeiler und seine Mitautoren. Sie könnten geblieben sein, während Menschen aus anderen Regionen kamen und gingen. Erahnen lasse sich, „dass wir überhaupt mit einer allgemein größeren Mobilität in der Eisenzeit zu rechnen haben“.

Andererseits: So eindeutig muss der Zusammenhang zwischen Schmuck und Herkunft auch nicht sein. Vielleicht wurde den Siegerländern einfach der Schmuck aus der Fremde beigegeben. Ein Gürtelhaken kann unterwegs erworben, ebenso aber auch von einem wandernden Handwerker im Siegerland gefertigt worden sein.

Welche Gewissheiten gibt es, und welche nicht?

So könnte es gewesen sein – oder auch nicht. Die Archäologen werden weiter forschen. Fest stehe aber, dass die „beeindruckende Technologie“ der Siegerländer Eisenverhüttung, die jetzt auch zwei Sommer lang im Hagener Freilichtmuseum in einem Rennofen rekonstruiert wurde, „definitiv nicht im Siegerland entwickelt wurde“, sagt Manuel Zeiler. Und dass immer wieder Fremde zugezogen seien. Die am Ende ihrer Tage Seite an Seite, ohne erkennbare Trennung, neben den Einheimischen, die auch mehr oder weniger Fremde waren, beigesetzt wurden. Auch das steht fest. Gesehen haben es die Forscher mit eigenen Augen. In der Nekropole Deuz.

Was Knochen und Zähne verraten

Stichwort: Strontium

Eine wichtige Rolle bei den Untersuchungen der Beigesetzten spielt das chemische Element Strontium, das im menschlichen Knochenbau und in den Zähnen vorhanden ist – die Isotope dieses Elements weisen darauf hin, wo dieser Mensch groß geworden ist, wo er sein weiteres Leben verbracht hat, vor allem aber, ob er dort, wo er begraben wurde, auch geboren ist. Die Wikipedia sagt: „Da die Entwicklung der Zähne im Jugendalter abgeschlossen wird, kann man hieraus auf die Region schließen, in der eine Person aufgewachsen ist, während die Knochen mitteilen, wo sie sich in den letzten Lebensjahren befand.“ Heute funktioniert das Verfahren nicht mehr, wo Kühe, die für Deutschland Fleisch liefern, in Polen aufwachsen und mit Futter aus Mittelamerika gemästet werden. Aber für damals, für die Eisenzeit allemal. Manuel Zeiler ist begeistert: „Sogar die Viecher waren fremd“, berichtet er über die Analysen und nennt das den „Oberburner“: „Das spricht nicht dafür, dass die Menschen hier großartig Landwirtschaft betrieben haben, sondern auch das Nutzvieh importiert wurde.“

Fakten zur Besiedlung

Über die Besiedlung des Siegerlands weiß man bisher das: In der Jungsteinzeit, das ist im Siegerland etwa ab 5000 vor Christus, haben sich Menschen hier aufgehalten und auch Mineralien gesucht – sie stellten aus ihnen Pigmente, also Farben her. Spuren von Siedlungen gibt es aber noch nicht einmal aus der Bronzezeit, die der Eisenzeit vorausging. Dann aber, so Manuel Zeiler in seiner Studie, entwickelte sich, anscheinend „plötzlich und ohne eine regionale Vorentwicklung“, die Montanlandschaft mit den größten Rennöfen ihrer Zeit. Nach dem Boom um 200 vor Christus war um die Zeitenwende alles vorbei, „genauso plötzlich, wie es begann“. Erst nach gut 500 Jahren, im frühen Mittelalter, wurde das Siegerland neu besiedelt.