Bad Berleburg. Ein 20-jähriger Bad Berleburger und ein 17-jähriger Bad Laasphe wurden vom Amtsgericht Bad Berleburg wegen Volksverhetzung verurteilt.

Wegen Volksverhetzung hat das Amtsgericht Bad Berleburg am Dienstag einen 20-jährigen Bad Berleburger und einen 17-jährigen Bad Laaspher verurteilt. Die Heranwachsenden hatten einer geschlossenen WhatsApp-Chatgruppe namens „Division Wittgenstein“ angehört, in der fremdenfeindliche, diskriminierende und auch rechtsextreme Inhalte verteilt wurden. Der Staatsschutz aus Hagen hatte ermittelt.

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Ursprünglich waren die beiden jungen Männer mit einem weiteren Angeklagten aus Bad Berleburg vorgeladen. Dieser sollte neben Volksverhetzung auch noch verbotenes pornografisches Material und Munition besessen haben. Weil sich der dritte Angeklagte aber krankgemeldet hat, wurde dessen Strafverfahren gleich zu Beginn abgetrennt. Es wird an einem neuen Termin gesondert verhandelt.

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Tatvorwurf

Nach dem Amtsanwältin Judith Hippenstiel die Anklage verlesen hatte, zeigten sich beide Angeklagte geständig. Der 20-jährige Bad Berleburger ist gleich zweifach in Erscheinung getreten. Er hatte einen fremdenfeindlichen Post in der WhatsApp-Chatgruppe geteilt. Neben dem Bild einer Rettichwurzel stand „Rettich“ und neben dem Foto eines Flüchtlingsbootes im Mittelmeer stand „Rett‘ ich nicht“. Darüber hinaus hatte er das Foto eines Mannes ohne Arme gepostet, unter dem sinngemäß zu lesen war, dass dieser eine Armbanduhr zum Geburtstag bekommen habe, diese aber wohl noch nicht ausgepackt habe. Dadurch habe er Behinderte verächtlich gemacht. Der 17-jährige Bad Laaspher hatte ein Foto in der Gruppe geteilt auf dem zu lesen war: „Juden werden hier nicht bedient.“

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Die Anklägerin machte beiden jungen Männer klar, dass dies Straftaten der Volksverhetzung seien, für die bei Anwendung von Erwachsenen-Strafrecht mindestens eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren verhängt werden könne.

Geständnisse

Der 20-jährige räumt die Tat ein und wiederholte seine Aussage bei der Polizei: „Da bekommt man etwas geschickt, schmunzelt darüber und klickt auf Weitersenden ohne Nachzudenken“. Bereits seit gut einem Jahr, noch bevor die Anklage ins Haus kam, habe er sich von der Chatgruppe „Division Wittgenstein“ abgemeldet. „Im Nachhinein bereut man es doch“, kommentierte er sein Tun.

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Ein Problem bei dem 20-jährigen machte die Anklägerin aber deutlich: Er ist bereits zweimal einschlägig in Erscheinung getreten als eine Gruppe von Personen „SS-Runen“ gesprüht habe. Das Verfahren wurde damals zwar eingestellt, aber es ist aktenkundig.

Der 17-jährige erklärte, ähnlich wie sein älterer Mitangeklagter: „Erst findet man es witzig, jetzt nicht mehr.“ Auch er ist strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten durch zwei Körperverletzungsdelikte bei Volksfesten.

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Standpauke

„Hatten Sie Geschichtsunterricht in der Schule?“, wollte die Anklägerin Judith Hippenstiel von beiden wissen. „Ich frage mich allen Ernstes, was Sie vor dem geschichtlichen Hintergrund für eine politische Einstellung haben.“ Der angeklagte Berleburger wiederholte, dass er bei der Tat nicht nachgedacht habe. „Das haben Millionen von Deutschen 1933 auch nicht und auch nach 1945 nicht. Haben Sie Erfahrungen mit Flüchtlingen?“, wollte die Anklägerin wissen. Und beide Angeklagte betonte, selbst Freunde mit ausländischen Wurzeln zu haben. „Möchten Sie, dass man Bilder von ihnen ins Netz stellt nur weil sie helle Haut und blonde Haare haben?“ fragte Hippenstiel weiter und erntete Kopfschütteln. „Wissen Ihre Freunde, dass Sie sich heute hier verantworten müssen?“ Auch da kam ein Nein. Aber der jüngere Angeklagte schob erklärend hinterher, „weil ich mich schäme?“ „Das ist das erste gescheite Wort hier“, kommentierte die Oberamtsanwältin diese Reue. „Sie sollten ganz genau nachdenken und ich will, dass Sie an sich arbeiten!“

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Division Wittgenstein

Der geschlossene Chatgruppe sollen „20 bis 30“ Personen angehört haben, so die Angeklagten. Sie seien nicht aktiv beigetreten, sondern hinzugefügt worden, erläuterten beide. Zunächst hatten sich beide offenbar nichts bei den nun angeklagten Inhalten gedacht. Später dann seien beide ausgetreten. Amtsanwältin Judith Hippenstiel machte beiden noch einmal deutlich, dass Volksverhetzung kein Kavaliersdelikt sei. „Da verstehen wir hier und auch der Gesetzgeber keinen Spaß.“ Und auch Richter Torsten Hoffmann erläuterte, dass die dort geposteten Dinge „nicht nur grenzwertig, sondern mittlerweile auch strafbar“ seien. Und mit Blick auf die Zukunft der beiden Angeklagten betonte die Anklägerin: „Sie sind jetzt beim Staatsschutz gelistet.“

Jugendgerichtshilfe

Tanja Vollmer-Derichs, attestierte beiden Angeklagten, dass sie Diskriminierungen bagatellisieren, aber ansonsten gefestigt seien. Während für 17-jährigen schon wegen seines Alters Jugendstrafrecht zur Anwendung komme, gelte dies auch für den 20-Jährigen, den sie nach wie vor als Heranwachsenden einstufte. Für die Angeklagten regte sie eine Schulung bei der Integrationsberatung und Geldbußen an.

Urteil

Amtsrichter Torsten Hoffmann folgte beim Urteil dem Strafantrag der Staatsanwältin und den Hinweisen der Jugendgerichtshilfe. Der 20-Jährige muss 900 Euro an das Aktive Museum in Siegen zahlen. Der 17-Jährige soll 400 Euro an das Aktive Museum zahlen. Beiden wird auferlegt, eine 90-minütige Schulung zum Thema Diskriminierung zu absolvieren. Hoffmann beließ es bei dieser „Verwarnung“ und verzichtet auf einen ebenfalls möglichen Jugendarrest oder gar einer Jugendfreiheitsstrafe, weil sich beide geständig eingelassen und Reue gezeigt haben. Nachdem die Angeklagten und im Fall des 17-jährigen auch dessen Mutter auf Rechtsmittel verzichtet haben, ist das Urteil rechtskräftig.