Wingeshausen. Trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie: Die Wisent-Welt Wittgenstein zieht eine positive Bilanz des abgelaufenen Jahres 2020.

Auch für den Wisent-Verein stand das Jahr 2020 zum Teil im Zeichen der Coronavirus-Pandemie. Das hatte einige Einschränkungen zur Folge. Dennoch zieht Bernd Fuhrmann, der 1. Vorsitzende des Wisent-Vereins, eine positive Bilanz.

„Es war sehr bedauerlich, dass die Menschen für einen längeren Zeitraum wegen der Corona-Auflagen nicht in das Besucherareal kommen konnten“, sagt Fuhrmann. Und auch „im Naturerlebniszentrum konnten wir viele Angebote wegen der Kontaktbeschränkungen nicht aufrecht erhalten – und schließlich war die die Wisent-Erlebnisausstellung mehrere Wochen nicht zugänglich.“

Fortschritte im Projekt

Dennoch ist das Projekt natürlich weitergegangen. Der Vereinsvorsitzende erklärt: „Die frei lebende Herde hat sich hervorragend entwickelt, sie fühlt sich sehr wohl im Rothaargebirge. Das Besucherareal hatte – trotz der Zugangsbeschränkungen – insgesamt einen hohen Zuspruch. Und wir konnten wichtige Projekte – wie die Fanganlage – realisieren.“

Das alles kann der Wisent-Verein freilich alleine nicht leisten. Er ist auf Unterstützung angewiesen: auf das Land Nordrhein-Westfalen, das zum Beispiel Personalkosten der Wisent-Ranger und der wissenschaftlichen Koordination übernimmt, auf private Sponsoren wie den Naturefund aus Wiesbaden, den Hauptsponsor des Projektes, und viele Unternehmen aus der Region, die einen wertvollen Beitrag zum Artenschutz leisten. Außerdem gibt es viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sowie Partner wie den Dorfverein Aue-Wingeshausen und den Wisent-Förderverein mit seinen mehr als 100 Mitgliedern, die alle einen großen Anteil am Erfolg des in Westeuropa einzigartigen Artenschutzprojektes zur langfristigen Wiederansiedlung der Wisente im Rothaargebirge haben.

Besucheraral öffnet wieder am 18. März

Seit dem November 2020 musste die „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ in Folge der Coronavirus-Pandemie geschlossen bleiben. Nun hat die NRW-Landesregierung erste Lockerungen ermöglicht – und davon profitieren auch die Besucherinnen und Besucher der „Wisent-Wildnis“.

Ab kommenden Donnerstag, 18. März, ist der Besuch bei den faszinierenden Tieren wieder möglich. Allerdings gelten Begrenzungen für die Zahl der Besucherinnen und Besucher, die sich gleichzeitig im Areal aufhalten. Deshalb hat der Wisent-Verein ein Anmeldesystem etabliert, das die Besucherzahlen steuert und bestimmte Eintrittszeiten vorgibt.

Außerdem ist der Wisent-Verein verpflichtet, die Kontakt-Nachverfolgung zu ermöglichen, das heißt: die persönlichen Daten der Gäste zu erfassen.

Besucher könnten sich im Internet auf www.wisent-welt.de/click-meet oder telefonisch unter 02751/92055-35 anmelden.

Frei lebende Herde

Die frei lebende Herde im Rothaargebirge hat sich auch im vergangenen Jahr gut entwickelt. Sie bestand zum Jahresende aus etwa 26 Wisenten. 23 davon sind bereits in Freiheit geboren. Insgesamt konnten im Jahr neun Geburten verzeichnet werden, zwei Tiere wurden in Folge von Verletzungen oder Schwäche erlöst. Die Größe der Herde kann nicht immer exakt beziffert werden, da es sich schließlich um Tiere handelt, die sich frei und nicht immer sichtbar bewegen.

Im vergangenen Jahr sind aus der frei lebenden Herde vier Jungbullen entnommen worden. Diese von Beginn des Artenschutzprojektes an mit eingeplante Maßnahme ist zum Erhalt der Gesamtpopulation erforderlich. Die Entnahme von Tieren aus der Gruppe erfolgte aus genetischen Gründen zur Vermeidung von Inzucht und somit zum gesunden Erhalt der Herde insgesamt.

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Gleichwohl sieht der Wisent-Verein das Schießen der Tiere als Ultima Ratio an. Jahrelang hatte er zuvor versucht, auf internationaler Ebene Abnehmer – das heißt, andere Freilandprojekte in Europa – für die Bullen aus dem Rothaargebirge zu finden. Diese Bemühungen führten jedoch nicht zum Erfolg. Denn Bullen sind für andere Projekte grundsätzlich kaum interessant. Diese Haltung leitet sich aus der Sozialstruktur der Tiere ab. Denn in der Fortpflanzungsperiode wird ein Bulle für eine Kuhherde benötigt. Bei den Nachkommen halten sich weibliche und männliche Tiere mit jeweils einem Anteil von rund 50 Prozent allerdings die Waage Im vergangenen Jahr hat die Weltnaturschutzunion IUCN den Wisent neu eingestuft – und zwar von Kategorie 3 „gefährdet“ zu „potenziell gefährdet“. „Das werten wir auch als Erfolg unserer Arbeit“, sagt Johannes Röhl vom Wisent-Vorstand. Denn der Wisent-Verein hat – wie viele andere Organisationen weltweit auch – dazu beigetragen, die Population weltweit zu erhalten und zu stärken.

Abstand halten

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Im Zusammenhang mit der frei lebenden Herde gab es 2020 einen Zwischenfall, bei dem ein Hund zu Tode kam. Bei einer Begegnung mit Wisenten hatte ein Hundehalter sein betagtes Tier samt Leine losgelassen. Die Leine des Hund verhedderte sich daraufhin im Gestrüpp, worauf sich der Hund nicht mehr von den Wisenten entfernen konnte. Diese nahmen den Hund als Bedrohung ihrer neu geborenen Kälber war und verteidigten ihren Nachwuchs entsprechend.

Der Wisent-Verein informiert seit vielen Jahren – gemeinsam mit anderen Organisationen – über angepasstes und respektvolles Verhalten gegenüber Wildtieren im Wald. Die Verhaltensregeln sind unter anderem auf der Homepage des Vereins, beim Berleburg Tourismus und anderen Organisationen und den hiesigen Wanderparkplätzen nachzulesen. „Wir weisen seit Jahren immer wieder darauf hin“, betont Johannes Röhl, „dass gerade in der Zeit, in der Kälber geboren werden, Hunde von Wisenten als Bedrohung gesehen werden können.“ Der Wisent-Verein empfiehlt daher auch nachdrücklich, einen Abstand von mindestens 50 Metern zu Wisenten einzuhalten. Wisente sind zwar friedliche, aber dennoch Wildtiere, die insbesondere ihren Nachwuchs verteidigen. Das ist bei anderen Tierarten genauso. Hunde sollten in solch einer Situation grundsätzlich nur ohne oder mit flexiblem reißfähigem Halsband losgelassen werden.

Schälschäden

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Auch für das Jahr 2020 sind dem Wisent-Verein durch die frei lebende Herde verursachte Schälschäden an Bäumen gemeldet worden. Unabhängige Schätzer haben die Meldungen geprüft. In Folge dessen hat der Wisent-Verein geschädigten privaten Waldeigentümern zeitnah Schäden in Höhe von insgesamt rund 60.000 Euro erstattet.

Dafür steht ein Schadensfonds zur Verfügung. Dieser wird aktuell vom Land Nordrhein- Westfalen, dem Wisent-Verein, dem Kreis Siegen-Wittgenstein und der Umweltstiftung WWF Deutschland mit bis zu 50.000 Euro jährlich aufgefüllt. Alles was über diese Summe hinausgeht, wird von einer entsprechenden Versicherung übernommen.

Die Entwicklung der Schälschäden der vergangenen Jahre sieht wie folgt aus:

• 2013: ca. 11.000 Euro

• 2014: ca. 17.000 Euro

• 2015: ca. 20.000 Euro

• 2016: ca. 50.000 Euro

• 2017: ca. 49.000 Euro

• 2018: ca. 50.000 Euro

• 2019: ca. 86.500 Euro

• 2020: ca. 65.000 Euro

Erfreuliche Besucherzahlen

Wie viele andere Einrichtungen musste auch die „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ wegen der Coronavirus-Pandemie und der damit verbundenen Hygieneregeln und Kontaktbeschränkungen im Jahr 2020 gleich zweimal schließen: Vom 15. März bis einschließlich 4. Mai und ab dem 1. November 2020.

„Dennoch haben sich die Besucherzahlen angesichts dieser massiven Einschränkungen sehr erfreulich entwickelt“, bilanziert Klaus Brenner vom Wisent-Vereinsvorstand. So kamen 2020 – trotz der insgesamt mehr als 15-wöchigen Schließung – rund 31.000 Besucherinnen und Besucher zur zweiten Herde des Wisent-Projektes. „Das größte Interesse haben wir im Monat Juli festgestellt“, berichtet Klaus Brenner. Da waren es alleine 5466 Gäste. Der Oktober war der zweitstärkste Monat mit 4705 Besuchern. 5195 Gäste der „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ legten die der SauerlandCARD und 584 die WinterbergCARD beim Ticketkauf vor.

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Seit der Eröffnung im Herbst 2012 kommen im Jahresdurchschnitt regelmäßig mehr als 30.000 Besucherinnen und Besucher in die „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“. Im Rekordjahr 2019 zählte der Wisent-Verein knapp 35.000 Gäste. In der Wisent-Wildnis am Rothaarsteig lebten Ende 2020 insgesamt elf Wisente. Im Juli war mit Zac ein neuer fünf Jahre alter dominanter Bulle hinzugekommen. Seine Aufgabe ist es, die die genetische Vielfalt der Wisent-Population in der „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ zu sichern. Im Besucherareal waren 2020 insgesamt drei Kälbchen – zwei Bullen und eine Kuh – geboren worden.

Fanganlage im Besucherareal

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Im Besucherareal „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ ist im Herbst 2020 eine Fanganlage fertiggestellt gestellt worden. Dies geschah mit großer Unterstützung vieler freiwilliger Helferinnen und Helfer. So konnte das Projekt binnen weniger Wochen vollendet werden. Maßgeblich zur Finanzierung der Anlage hat der Naturefund mit Sitz in Wiesbaden beigetragen – und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisation halfen auch vor Ort tatkräftig mit.

Die Fanganlage dient dazu, Wisente insbesondere bei tiermedizinischen Eingriffen sowie bei Vorbereitungen und Durchführungen sowie bei der Logistik von Tiertransporten bestmöglich behandeln und betreuen zu können, im besten Fall ohne sie in Narkose versetzen zu müssen.

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Die feststehende, kreisrunde Anlage ist für die Umgebung im Gehege, der Wisent-Wildnis unik angepasst: Sie ist massiv aus Holz gebaut, blickdicht und mit drei Metern hoch genug, damit keine Wisente darüber springen können. Die Vorrichtung soll die Tiere schonend und stressfrei einfangen und birgt im Gegensatz zu der verbreiteten Methode mit Narkose geringere gesundheitliche Risiken für die Tiere.

Naturefund ist der strategische Partner des Wisent-Vereins und wesentlicher Unterstützer des Wisent-Vereins. „Die freilebenden Wisente im Rothaargebirge sind eine Erfolgsgeschichte im Artenschutz“, stellt Katja Wiese, die Gesch.ftsführerin von Naturfund, fest.

Naturefund ist eine gemeinnützige Naturschutzorganisation, die vorrangig weltweit Land kauft, um Lebensräume für die Vielfalt von Tieren und Pflanzen zu bewahren. In nur wenigen Jahren hat Naturefund Wiesen, Wälder und Feuchtgebiete gekauft. Im Zuge des Klimawandels kauft Naturefund verstärkt Wälder und forstet wieder auf.

Wissenschaft

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Auch 2020 nahm die wissenschaftliche Begleitforschung des in Westeuropa einzigartigen Artenschutzprojektes zur Wiederansiedlung der Wisente erneut großen Raum ein. Dazu zählten unter anderem die Besenderung einer weiteren Kuh in der frei lebenden Herde und die Planung der Fanganlage im Besucherareal.

Zur Begleitforschung gehört auch die Betreuung von universitären Abschluss- und Forschungsarbeiten durch die Wissenschaftliche Koordinatorin Kaja Heising. Ebenso die Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen wie der Humboldt Universität in Berlin, den Universitäten Freiburg, Marburg, Siegen, Groningen, Bayreuth, Weihenstephan, Frankfurt am Main und Leeuwarden sowie dem Ministerium für Umwelt in NRW (MULNV) und dem Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt am Main.

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Außerdem unterstützte Kaja Heising diverse Fach-, Projekt- und Abschlussarbeiten von externen Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden – unter anderem der Unis Dortmund, Salzburg und Bozen sowie zweier Gymnasien in Hamburg und Bergisch Gladbach. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört zudem die Vertretung des Wisent-Vereins und das Halten von Vorträgen bei Tagungen und Kongressen – zum Beispiel: Big Five, Rewilding Europe, Global Landscape Forum, NUA, Ministerium Litauen sowie die Netzwerkarbeit mit anderen Organisationen wie True Nature Foundation, Wisent-Projekt Schweiz, Naturpark Kellerwald-Edersee, Biosphärenreservat Pfalz, Tierpark Berlin, Kölner Zoo, Wisent-Gehege Hardehausen, Naturpark Unteres Odertal, Wahner Heide, Schmidtenhöhe Koblenz und viele mehr.

Kaja Heising zieht trotz der Corona-bedingten Einschränkungen ein positives Fazit: „Das Interesse an unserem Projekt unter Fachleuten wächst überregional und international immer weiter. Und von den laufenden Studien verspreche ich mir wichtige und interessante Erkenntnisse.“

Ranger-Tagebuch

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Als die Wisent-Wildnis im Zuge der Coronavirus-Pandemie geschlossen bleiben mussten, hat der Wisent-Verein das Ranger-Tagebuch gestartet. So bringen die beiden Wisent-Ranger Henrik Brinkschulte und Henrik Trapp die Tiere virtuell zu den Menschen nach Hause – mit kurzen Texten, Bildern und Videos.

Seitdem gibt es regelmäßig neue Einträge in das Tagebuch. Die beiden Ranger berichten dabei von ihrer Arbeit, Begegnungen mit den frei lebenden Wisenten im Rothaargebirge und den Tieren im Besucherareal, und sie schildern, was rund um die Wisente sonst gerade noch so alles passiert. Auch nach der Wiedereröffnung wird das Tagebuch mit ausgewählten Beiträgen, allerdings in größeren Abständen, fortgesetzt.