Siegen/Erndtebrück. Im März 2020 soll eine 53-jährige Frau in Erndtebrück Opfer eines Sexualdeliktes geworden sein. Angeklagter betont seine Unschuld.

Am 18. März 2020 ist eine 53-jährige Frau am Erndtebrücker Hachenberg unterwegs, möchte gegen 20.30 Uhr ihrer Tochter von einer befreundeten Familie abholen. Um 20.56 Uhr bekommt ihr Mann einen Anruf von einer Bekannten, seine Frau sei gerade unter seltsamen Umständen mit einem fremden Mann an ihr vorbeigekommen. Dann meldet sich auch die Tochter, wo denn die Mutter bleibe. Der Mann springt in seinen Wagen, versucht vergeblich, das Mobiltelefon seiner Frau zu erreichen, fährt die Straßen rund um die Hauptschule ab. „Plötzlich taucht sie an seinem Auto auf und berichtet: „Ich bin vergewaltigt worden.“

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Seit Donnerstag muss sich der mutmaßliche Täter vor der 1. Großen Strafkammer verantworten. Die Hoffnung, noch an diesem Tag bis zu den Plädoyers zu kommen und am 19. Februar das Urteil zu sprechen, erlischt, weil der Angeklagte die Tat bestreitet und nun alle Zeugen gehört werden müssen. Es kann sogar sein, dass die angesetzten Verhandlungstage nicht ausreichen, oder ganz von vorn begonnen werden muss. Und alles liegt an einer grauen Socke. Gewissermaßen.

Anklagevorwurf

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Nach der Anklageschrift ist der 22-jährige Erndtebrücker der Frau erst auf der anderen Straßenseite gefolgt, hat sie irgendwann eingeholt und heftige Drohungen ausgestoßen. Er werde ihr das Genick brechen, sie töten, wenn die Polizei auftauche. Er hat soll sie dann in den Eingangsbereich der Hauptschule getrieben und dort vergewaltigt haben. Das Opfer haben ihn die ganze Zeit nicht ansehen dürfen. Auf dem Schulhof erkennt die Frau dann plötzlich das Auto ihres Mannes auf der Straße, drückte den Täter weg und lief zu ihrem Mann.

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„Ich bin nicht der Täter gewesen“, wehrt sich der Angeklagte und versichert, die Frau und ihre Familie nicht zu kennen. Er glaubt, Opfer einer Verwechslung geworden zu sein. Er sei an jenem Abend mit seiner Freundin zusammengewesen, habe sich eine Zeit von ihr getrennt, am Bahnhof und später an der Schule nach Leergut gesucht. Die Trennungszeit von der Freundin fällt ungünstigerweise genau in die Zeit, in der die Tat geschehen sein soll. Es habe einen Streit mit der Freundin gegeben, sie hätten sich aber wieder versöhnt. Worum der Streit ging, will er nicht mehr wissen, auch die Lebensgefährtin nicht. Die betont dafür später ausgiebig, ihr Freund sei auch beim Wiedersehen „völlig normal“ gewesen, habe sich nicht anders verhalten, als sonst. Sie unterstreicht auch, niemals Zweifel an ihm gehabt zu haben: „Ich kenne meinen Freund. Der würde so etwas nie machen!“ Die beiden sind seit dreieinhalb Jahren zusammen. Die Polizei kontrollierte das Paar kurz nach der Tat und nahm den Angeklagten direkt fest. Er sei von der Geschädigten, die mit im Streifenwagen saß, direkt identifiziert worden, berichtet ein Polizist.

Zeugin ist sich sicher

Auch jene Frau, die den Ehemann des Opfers am Tatabend verständigte, will den jungen Mann wiedererkannt haben. Ihr seien bei der Polizei mehrere Fotos gezeigt worden, sie habe zwei davon in die engere Wahl genommen. Auf einem sei der Verdächtige abgebildet gewesen, habe eine Beamtin ihr gesagt.

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Richter Matthias Stehr fragt nach, ob sie den Mann aus der Nacht erkannt habe, oder vielleicht nur ein Gesicht von der Wahllichtbildvorlage. Die Zeugin zögert, legt sich dann aber auf die Begegnung jenes Abends fest. Da war ihr die Geschädigte im Arm eines fremden Mannes entgegengekommen, als sie mit einer Nachbarin die Hunde ausführte. Sie habe verwundert gefragt, ob alles in Ordnung sei und von der verängstigt wirkenden Bekannten ein seltsam klingendes Ja gehört: „Ich werde nie ihre weitaufgerissenen Augen vergessen.“ Den Begleiter hat sie nur von der Seite gesehen ist sich aber dennoch sicher, dass es der Mann auf dem Anklagestuhl ist.

Analysen seien eine „Katastrophe“

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Der Anwalt hat große Zweifel, die sich nach Vorstellung eines DNA-Gutachtens in einem heftigen Ausbruch entladen. Während beim Opfer nichts Verwertbares gefunden worden sei, stellte die Gutachterin zwei Nachweise vor, bei denen DNA-Spuren am Angeklagten gefunden worden sein sollen, die mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 30 Milliarden solchen entsprechen, wie sie das Opfer in sich trägt.

Solche Gutachten seien wertlos und unbrauchbar, greift Verteidiger Uwe H. Krechel die Sachverständige an, deren Arbeit er als „Katastrophe“ abtut. Danach verweist er darauf, dass fünf Senate des BGH davor gewarnt hätten, einen Menschen ausschließlich wegen DNA-Spuren für Jahre ins Gefängnis zu schicken. Krechel wünscht sich einen Gerichtsmediziner statt der für ihn untragbaren Laborexpertin und zudem die Untersuchung einer am Tatort gefundenen Socke, die angeblich seinem Mandanten gehört, bislang aber nicht analysiert worden sei.

Das Gericht fürchtet, bis zum nächsten Termin am 19. Februar mit der Socke kein Glück zu haben.