Siegen. Vor dem Siegener Landgericht weist der ehemalige Stiefvater den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs des damals knapp 9-jährigen Mädchens zurück.
Ein kleines Mädchen mit warmer Zipfelmütze steht vor Saal 183 im Siegener Gerichtsgebäude. Links und rechts die Eltern. „Hallo“ sagt sie zur Begrüßung zu Richterin Sabine Metz-Horst, mit – angesichts der Umstände – überraschend lauter Stimme. Ende Mai 2018 soll die damals knapp 9-Jährige von ihrem Stiefvater (46) sexuell belästigt worden sein. Der wartet nun, am Dienstag, 4. Februar, wenig entfernt auf seinen Prozess.
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Die Aussage der Schülerin wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehört. Der Stiefvater, der keiner mehr ist – die Mutter des Kindes hat sich unmittelbar nach dem mutmaßlichen Vorfall getrennt – lässt durch seinen Anwalt kurz entgegnen: „Stimmt nicht!“ Mehr werde es zunächst nicht geben, so Verteidiger Martin Kretschmer.
Eltern berichten vor dem Siegener Landgericht, wie ihre Tochter von der Tat erzählt
Die 2. Große Strafkammer beschäftigt sich zunächst mit den leiblichen Eltern des Mädchens. Sie hielt sich beim Vater auf, sollte am Abend zur Mutter zurück, die aber nicht zu Hause war. Plötzlich habe sich seine Tochter geweigert, mit dem Angeklagten nach Hause zu gehen, erzählt der Vater, der das Mädchen erst einmal wieder mitnahm. Er habe am PC gesessen, sie „mit dem Handy gespielt. Plötzlich sagte sie ‚Papa, weißt Du, was der getan hat?’“ Dann habe sie stockend berichtet, so der Vater (41).
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Der Stiefvater habe sie ins Schlafzimmer getragen, ihr ein pornografisches Video gezeigt, in dem es um Oralsex zwischen Erwachsenen ging. „Siehst Du, was die Tante da macht. Kannst Du das bei mir auch“, soll er gesagt haben, ergänzt die Mutter. „Ich wollte das nicht“, habe die Tochter entgegnet und nach ihrer Mutter gerufen. Der Stiefvater habe ihr den Mund zugehalten, sie aufs Bett geworfen und versucht, sie zu zwingen; dem Mädchen dann das Höschen heruntergezogen haben und mit dem Finger in sie eingedrungen sein. Sie blutete, hatte Schmerzen. Er ließ von ihr ab.
Ein Jahr danach erzählt der Bruder vom Tattag – Mutter geht erneut zur Siegener Polizei
Ihr Bruder war nach dem Bericht der Mutter im Haus, spielte aber mit Kopfhörern an einer Konsole, hörte seine Schwester nicht rufen. Fast ein Jahr danach berichtete er allerdings der Oma, das Mädchen sei weinend in ihr Zimmer gelaufen. Die Mutter rief erneut die Polizei.
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Beide Eltern betonen, dass die Erzählung der Tochter ein Schock gewesen sei. Beide wussten zunächst nicht, ob sie ihr glauben sollten. Sie habe sich gefühlt, als sei sie in die Tiefe gestürzt, „völlig platt“, sagt die Mutter, die zur Zeit des angeblichen Vorfalls nicht zu Hause war. Das führt zu Problemen, auf „Anfang der Woche“ habe das Mädchen damals die Tat eingegrenzt, die Zeugin ging bei ihrer ersten Vernehmung vom 28. Mai aus, nun korrigiert sie es auf eine Woche davor. Da sei sie zur Aushilfe bei einem Gastronomen gewesen. Der Angeklagte arbeitete damals im Schichtdienst. Laut Verteidiger könne sein Mandant zur potenziellen Tatzeit gar nicht daheim gewesen sein.
Mädchen hat immer noch Angst und Alpträume vom Angeklagten
Die geschiedene Frau benutzt wieder ihren Mädchennamen. Die gemeinsame Tochter sehe ihren Vater kaum noch. „Wenn überhaupt, nicht ohne mich“, sagt sie. Übereinstimmend sagen die Eltern, dass die Tochter seit der Trennung offener, unbeschwerter wirke, auch der Schule sei das aufgefallen. Der leibliche Vater gibt zu, den Angeklagten nicht zu mögen, der habe von den Kindern verlangt, Papa genannt zu werden, was vor allem den älteren Bruder belastet habe. Die Mutter berichtet von einer konfliktarmen Ehe, allerdings sei das Sexleben nach einer Herz-OP des Mannes nicht mehr in Ordnung gewesen. Beide haben wohl nebeneinander her gelebt. Sie habe gewusst, dass der Angeklagte Pornovideos auf dem Handy hatte. Sie selbst nicht, betont sie.
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Allerdings habe das Mädchen immer noch Angst und Alpträume vom Angeklagten, erzählt die Mutter: „Sie sieht ihn mit Ketten, die er dann zerreißt und sie verfolgt.“ Im Bett schaffe sich ihre Tochter mit Kissen eine Art Grenze, die sie schützen solle. Die kleine Schwester habe sie gefragt, ob diese ihren Papa möge. „Ich nicht. Dein Papa ist nicht gut. Meiner ist besser“, habe sie der Oma gesagt. Und dass sie die Schwester beschützen wolle.
Das Verfahren wird am Dienstag, 11. Februar, fortgesetzt.
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