Siegen. Häusliche Gewalt, Körperverletzung mit Todesfolge: Die Staatsanwaltschaft Siegen fordert eine Haftstrafe. Opfer war langem Martyrium ausgesetzt.

Für Staatsanwalt Fabian Glöckner ist der Angeklagte der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Der Siegerländer und seine Partnerin haben für den Juristen „eine toxische Beziehung“ geführt, die am 3. August 2018 nach einem Streit tragisch endete.

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Während der 32-Jährige im Gericht geschwiegen hat, gab er gegenüber der Polizei und des Sachverständigen zu, ihr aus Wut über Beleidigungen mit einer PET-Flasche über den Kopf geschlagen zu haben. Das führte nach seiner Darstellung zu einer - nicht gewollten - Platzwunde an der rechten Schläfe, die so heftig blutete, dass er sehr viel Mühe aufwandte, das Blut zu stillen, sogar eine Nadel benutzt haben will, um die klaffenden Wundränder zu schließen. Diese Angaben reichen dem Staatsanwalt sowie Nebenklagevertreterin Tanja Hilpert, dem Angeklagten zu unterstellen, er habe ernstere Folgen erkannt und die Todesfolge zumindest voraussehen können. Dafür beantragen sie zwei Jahre und sechs Monate Haft.

Partnerin an Haaren aus Bett gezogen, mit Glasreiniger besprüht, Nase gebrochen

Die Vorschrift sieht unter normalen Umständen eine Mindeststrafe von drei Jahren vor. Allerdings kommt der Anklagevertreter zu einem minderschweren Fall. Der Täter war zum Tatzeitpunkt nicht vorbestraft, stand zumindest teilweise unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen. Ein sonstiger Tötungsvorsatz lasse sich nicht feststellen. Ein Schlag mit einer PET-Flasche habe auch selten ernste Folgen.

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Einbezogen hat er ein Urteil des Siegener Amtsgerichts von Ende August, in dem der Angeklagte in Abwesenheit per Strafbefehl wegen diverser Taten zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurde. Da ging es unter anderem auch um Taten gegen die Verstorbene, die er an den Haaren aus dem Bett gezogen, in den Rücken getreten und mit Glasreiniger eingesprüht, der er ein anderes Mal wenige Wochen vor ihrem Tod die Nase durch einen Schlag ins Gesicht gebrochen hatte. Diese Vorfälle zeigten, welches Martyrium das Opfer in den elf Monaten ihrer Beziehung durchlitten habe, sagt Tanja Hilpert.

Angeklagter: Aus seiner Sicht sei die Ex-Freundin nicht tot gewesen

Diese Beziehung habe romantisch und mit Verliebtheit begonnen, hat der Angeklagte in seinen vorherigen Aussagen berichtet. Nach drei Monaten hätten die Streitigkeiten begonnen. An jenem Tag oder Abend - die Tatzeit steht auch nach der Hauptverhandlung nicht fest - sei er heftig beschimpft und beleidigt worden, habe damit nicht umgehen können. Der Schlag auf den Kopf sollte danach als Dämpfer wirken, „ich habe mit der Luft geschlagen“. Die weitgehend leere Flasche sei dann aber abgerutscht, habe die junge Frau mit dem härteren Boden getroffen.

Er will reichlich Mühe darauf verwendet haben, die Blutung zu stillen. Sie hätten danach sogar nicht Sex gehabt, er sei duschen gewesen und habe sich dann neben sie gelegt. Aus seiner Sicht sei sie nicht tot, nur bewusstlos gewesen. Hilfe zu rufen sei ihm zu gefährlich gewesen, durfte er sich doch gar nicht in der Wohnung aufhalten.

Gutachter: Angeklagter hat Schizophrenie, zur Tatzeit aber nicht psychotisch

Betreuer und Bewährungshelferin berichten vorher noch über das Leben des Angeklagten, der seit Jahren unter einer Schizophrenie leidet und vor allem auch seit dem Vorfall sehr oft in psychiatrischer Behandlung war. Gutachter Dr. Bernd Roggenwallner hat die Schizophrenie ebenfalls bejaht, zur Tatzeit aber keine aktive psychotische Phase erkennen können.

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Inzwischen lebe der Angeklagte längere Zeit drogenfrei und sei auf einen guten Wege, betont vor allem die Bewährungshelferin, die derart emotional engagiert berichtet, dass Richterin Elfriede Dreisbach überrascht nachfragt. Die Frau verweist auf die große Ähnlichkeit der Krankheit ihres Probanden zu einem Fall aus der Familie.

Verteidiger hält Strafe im "bewährungsfähigen Bereich" für möglich

Auf diese Entwicklung des Mandanten stützt danach Verteidiger Jörn Menzel seinen Antrag auf eine Strafe „im bewährungsfähigen Bereich“. Im Gegensatz zu den anderen ist er nicht von der Eindeutigkeit des Schlages als Ursache des Todes überzeugt. Der Obduktionsbericht und die Aussagen des Gerichtsmediziners lassen für ihn zumindest gewisse Zweifel. Dazu komme das Verhalten des Angeklagten, der sich um die verletzte Frau bemüht habe, zwischendurch noch unter der Dusche gewesen sei. So verhalte sich niemand, der vom Versterben eines anderen ausgehe. Auch danach sei der Mandant über den Tod der Frau überrascht und verstört gewesen.

Das Urteil soll am Freitag um 14 Uhr verkündet werden.