Bad Berleburg. Der Kardiologe und Chefarzt an der Vamed-Akutklinik Bad Berleburg spricht über die Auswirkungen der Pandemie und das Impfen.

Dr. Karim Bou-Nassif weiß, wie wichtig es ist, dass Patienten mit ihren Anliegen rechtzeitig zum Arzt kommen. Doch gerade während der Corona-Pandemie scheuen viele Menschen den Gang in eine Praxis oder Klinik. Im Interview spricht der Kardiologe und Chefarzt für Inneren Medizin der Vamed-Akutklinik in Bad Berleburg über die aktuelle Situation, die Angst der Menschen vor einer Ansteckung und das Thema Impfen.


Die erste Frage ist recht persönlich: Haben Sie sich nach ihrem Wechsel nach Bad Berleburg bereits gut eingelebt?

Dr. Karim Bou-Nassif:! Ich bin froh darüber, nach etwas mehr als zwei Jahren nun auch privat in Bad Berleburg angekommen zu sein.


Wie verändert sich die Arbeit als leitender Arzt im Bad Berleburger Akut-Klinikum durch die Corona-Pandemie?

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Die Corona Pandemie stellt die gesamte Gesellschaft vor eine große Herausforderung. Wir befinden uns mitten in einem dynamischen Pandemiegeschehen und haben es mit einem zuvor vollkommen unbekannten Virus zu tun. Natürlich hat SARS-CoV-2 auch unseren Klinikalltag im Frühjahr vor vielfältige neue Herausforderungen gestellt: Diese reichten vom Aufbau der Abstrichstelle, über die Einrichtung einer Isolationsstation bis hin zur Umsetzung von strikten Hygiene-, Abstands- und Besuchsregelungen und natürlich bei der Behandlung unserer Patienten. Da wir frühzeitig einen Krisenstab eingerichtet haben, der die Vorgaben des RKI und des Gesundheitsamtes in unserer Klinik umsetzt und alle Prozesse steuert und begleitet, haben wir die Situation bis heute verhältnismäßig gut gemeistert. Dies liegt auch an der Besonnenheit und Solidarität der Kolleginnen und Kollegen, die fachbereichs- und tätigkeitsübergreifend wirklich sehr engagiert zusammengearbeitet haben.

Und Sie testen Patienten und ihre Mitarbeiter?

Von wissenschaftlichen Entwicklungen, wie etwa dem POC-Schnelltest, profitieren wir und können daher nicht nur unsere Mitarbeiter, sondern auch alle Patientinnen und Patienten vor ambulanten oder stationären Eingriffen auf das Virus testen. Hierdurch werden möglicherweise infizierte Mitarbeiter schnell identifiziert und eventuell positiv getestete Patienten können unmittelbar auf unserer Isolierstation aufgenommen werden.

Wie läuft das bei Patienten, die wegen einer Behandlung zu ihnen kommen?

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Bei geplanten Eingriffen erfolgt im Rahmen des Vorgesprächs ein PCR-Test, welcher in der Regel nicht älter als 48 Stunden sein sollte. Zusätzlich werden die Patienten an ihrem Aufnahmetag vor dem Betreten des Krankenhauses erneut mittels Schnelltest auf das Coronavirus getestet. Auch Notfallpatienten werden vor ihrer Behandlung durch uns abgestrichen. Die Aussicht auf den baldigen Beginn der Impfung der Bevölkerung lässt uns positiv in die Zukunft blicken. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Pandemie gemeinsam meistern werden.

Können oder müssen Sie viele planbare Eingriffe und Untersuchungen verschieben?

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Aufgrund unseres seit dem Frühjahr stetig weiterentwickelten Testkonzeptes können wir alle medizinischen Eingriffe und Untersuchungen uneingeschränkt durchführen. Anders als im Frühjahr, als alle elektiven operativen Eingriffe vorübergehend verschoben wurden, wissen wir heute mehr über die Übertragungswege und auch die Testmöglichkeiten bzw. -strategien wurden optimiert, so dass wichtige Eingriffe wie Katheterinterventionen oder Krebs- und Gelenkersatzoperationen durchgeführt werden können.

Viele Menschen haben Angst vor Ansteckung und meiden selbst als Notfälle Krankenhäuser. Wie entkräften Sie solche Ängste?

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Die Angst ist zunächst nachvollziehbar und wir nehmen sie ernst. Ich kann Ihnen versichern, dass der Schutz der Patienten in unserer Klinik die höchste Priorität hat. Wir setzen in der Vamed-Klinik alle Hygiene- und Schutzmaßnahmen des RKI und des Gesundheitsamtes um, achten auf die Einhaltung von Abständen und auf das Tragen von Masken. Wir testen mittlerweile großflächig und haben die Besucher in der Klinik auf ein Mindestmaß begrenzt. Darüber hinaus gehört es – ganz unabhängig von einer Pandemie – zum Alltag eines Krankenhausmitarbeiters steril zu arbeiten und die Verbreitung von Erregern zwischen zwei oder mehreren Menschen zu verhindern. Wir sind darin geübt. Dies wurde uns erst in diesem Jahr erneut bescheinigt: Die Hygiene in der Vamed-Klinik Bad Berleburg wurde mit dem Bronzezertifikat der Aktion „Saubere Hände“ für die „erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen und Qualitätsstandards zur Verbesserung der Händedesinfektion“ ausgezeichnet.


Vielfach wird wegen der Pandemie die Kapazität der Intensivstationen diskutiert. Haben sie ausreichend Plätze und Personal?

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In unserem Kreis besteht die Regelung, dass intensivpflichtige Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion in das Kreisklinikum nach Siegen verlegt und dort behandelt werden. Zum aktuellen Zeitpunkt befindet sich kein Corona-positiver Patient in unserer intensivmedizinischen Behandlung. Wir sind ärztlich, pflegerisch und apparativ sehr gut vorbereitet, um im hypothetischen Falle eines Kapazitätsmangels an Intensivbetten im Kreisgebiet Covid-19-Patienten in unserem Haus zu versorgen.

Wie können Sie sich vorbereiten?

Wir haben uns klinikintern bestmöglich vorbereitet: Wir haben einen großen Teil unserer Ärzte und Pflegekräfte in Notfall- und Beatmungstechniken geschult und bieten ihnen auf freiwilliger Basis eine Hospitation zur Einarbeitung auf unserer Intensivstation an.


Das Thema Impfen ist im Winter - nicht nur wegen Corona - besonders aktuell. Worauf sollten speziell Herz-Patienten achten?

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Speziell Patienten mit chronischen Herz- oder Lungenerkrankungen sollten sich im Herbst gegen Grippe (Influenza) sowie gegen Pneumokokken impfen lassen. Diese Erreger können erwiesenermaßen eine verstärkende Wirkung bei einer bekannten Herzinsuffizienz haben oder ein akutes Coronar-Syndrom auslösen. Dies liegt u. a. daran, dass die entzündlichen Prozesse im Körper auf den Herzmuskel übergreifen können. Auch das Alter spielt eine Rolle, so dass speziell diese beiden Impfungen ab einem Lebensalter von 60 Jahren empfehlenswert sind.

Wie sieht es aus Kardiologensicht mit dem Corona-Virus aus?

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Es gibt Hinweise darauf, dass sich das Coronavirus auch in Herzzellen vermehren und diese verändern kann. Um daraus endgültig die Auswirkungen des Virus auf chronische Herzerkrankungen sowie geeignete Behandlungsansätze abzuleiten, reicht die Studienlage zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht aus. Es ist daher ratsam, dass sich die Betroffenen zu gegebener Zeit persönlich mit ihrem Haus- oder Facharzt abstimmen, da neben einer Herzerkrankung auch Faktoren wie Alter oder Vorerkrankungen für eine Entscheidung relevant sein können.


Sie sind Kardiologe. Worauf müssen speziell Patienten mit Herz- Kreislauferkrankungen jetzt achten?

Ganz wichtig: Sie dürfen bei Beschwerden nicht den Gang ins Krankenhaus oder zu Ihrem Haus- oder Facharzt scheuen! Erste Untersuchungen legen die Vermutung nahe, dass die Anzahl der Patienten mit so genannten Nicht-ST-Hebungsinfarkten (NSTEMI)seit dem Beginn der Corona-Pandemie gesunken ist – vermutlich, weil die Betroffenen den Gang ins Krankenhaus gescheut haben. Bei NSTEMI sind die Brustschmerzen häufiger etwas milder, da in den seltensten Fällen nicht ein kompletter Gefäßverschluss vorliegt, sondern eine hochgradige Engstelle, welche zu einem Untergang des Herzmuskels führt. Dieser wird durch erhöhte kardiale Biomarker im Labor diagnostiziert.

Haben Sie solche Erfahrungen auch im Berleburger Krankenhaus gemacht?

Ja. Die Patienten kommen später und der Behandlungsbeginn verzögert sich – dies hat nicht selten ernste Folgen wie etwa eine Herzschwäche sowie insgesamt schwerere Krankheitsverläufe und Folgeerkrankungen. Neben einem gesunden Lebensstil mit ausreichend Bewegung und gesunder Kost ist es daher auch zu Pandemiezeiten unerlässlich, die Symptome des eigenen Körpers ernst zu nehmen und einen Arzt aufzusuchen.