Bad Berleburg. Mit der kleinen Verspätung von nur 30 Jahren löst der Heimatbund Siegerland-Wittgenstein ein Versprechen ein.
Nicht nur Elefanten haben ein gutes Gedächtnis, „wir auch“, schmunzelt der Vorsitzende des Heimatbundes Siegerland-Wittgenstein, Andreas Müller, am Freitagmittag vor dem Backhaus an der Espequelle in Bad Berleburg. Hier löst Müller ein Versprechen ein, das seine Vorgänger vor 30 Jahren gegeben hatten.
Auch interessant
Damals hatten Landrat Walter Nienhagen und Oberkreisdirektor Karlheinz Forster zusammen mit dem Landschaftsverband Westfalen Lippe ein Buch über die Backhäuser im Siegerland vorgestellt. Dem sollte ein zweiter Band über die Wittgensteiner Backhäuser folgen. Und mit Humor fügt der heutige Landrat Andreas Müller hinzu: „Kaum sind 30 Jahre rum, haben wir dieses Versprechen auch schon eingelöst.“
Dass es dazu kommen konnte ist maßgeblich mit einem Mann verknüpft, dem Müller ausdrücklich für dessen „detektivische Fleißarbeit“ dankte: Hans Armin Kohlberger hat drei Jahre lang recherchiert, Wittgenstein bereist, mit Menschen gesprochen und die Geschichte von und die Geschichten um 162 Backhäusern dokumentiert.
Schon als Kind beim Brotbacken dabei gewesen
Keine hundert Meter neben dem Backhaus in Niederlaasphe ist Armin Kohlberger in seinem Elternhaus geboren und sogar getauft worden. Kein Wunder, dass der Junge vor über 60 Jahren in der Nachbarschaft herumgestromert ist, er hat am Puderbach gespielt und natürlich auch das Geschehen am Backhaus mitbekommen. „Wenn's Feuer an war und der Schornstein rauchte, dann war ich dabei“, erinnert sich der fast 70-Jährige und verrät, wie auch er in die Arbeit rund ums Brotbacken eingebunden worden war: „Mein Vater ließ mich nicht auf den Sportplatz zum Fußballspielen; ich musste mit in den Wald, um das Holz fürs Backhaus zu holen. Und manches Mal fuhr ich mit dem Fahrrad zu Achenbachs Mühle, weil ich dort das Mehl besorgen musste.“
Kohlberger erinnert sich, dass samstags um 12 Uhr vom Backhaus-Vorsteher ausgelost wurde, welche Familie aus der Backhausgenossenschaft Niederlaasphe in der darauf folgenden Woche als erstes backen kann.
Der Niederlaaspher ist seit langem in Bad Laasphe wohnhaft; der Inhalt etlicher Schränke belegt das Hobby des Wittgensteiners.
Mit Herzblut sammelt und verfasst er Schriften für die Chroniken seines Heimatdorfes; hat die Geschichte des Wittgensteiner Spielmannszugwesens geschrieben und so seinen Beruf auf das Hobby übertragen – oder vielleicht auch umgekehrt? Kohlberger hat 43 Jahre bei der Kreisverwaltung Wittgenstein und später in Siegen als Medientechniker gearbeitet und dort bis zur Pensionierung die Bildstelle des Kreises aufgebaut. „Die Vielfältigkeit war für mich immer das Faszinierende“, blickt Kohlberger zurück.
Für Hans Armin Kohlberger ist es eine Herzensangelegenheit gewesen. Der 1948 in Niederlaasphe geborene und aufgewachsene Autor des Buches über „Die Vielfalt der Backhäuser in Wittgenstein“, hat unzählige Stunden mit Reisen durch seine Heimat verbracht. „Ich habe immer gedacht, dass ich Wittgenstein kenne, jetzt kenne ich es noch besser“, sagt Kohlberger am Rande der Buchvorstellung und dankt dabei vor allem seiner Frau Ruth, die ihn unterstützt und oft auch begleitet hat.
Auch interessant
Mit den Backhäusern verbindet Kohlberger viele persönliche Erinnerungen. Das Haus, in dem er geboren wurde, „stand nur rund 150 Meter neben dem Backhaus am Brückenplatz. Meine Mutter hat dort bis etwa 1968 regelmäßig gebacken. Ich habe also Bezug zum ganzen Ablauf eines Backtages“, berichtet Kohlberger.
Auch interessant
Fast drei Jahre hat es nun gedauert, um alle diese Geschichten und Anekdoten zusammenzutragen. Herausgekommen ist ein Buch, das 162 klassische und moderne Backhäuser und Hausöfen vorstellt. Von diesen 162 sind 75 noch in Gebrauch. Die größte Backhausdichte herrscht in Bad Berleburg. Hier hat Kohlberger 100 dokumentiert. 40 sind es in Bad Laasphe und 22 in Erndtebrück. Das höchstgelegene steht auf der Kühhude, das tiefstgelegene in Niederlaasphe. Das Dorf mit der größten Zahl an Backhäusern und Öfen ist übrigens Schwarzenau mit elf Backstellen.
Auch interessant
Ein würdiger und besonderer Ort für die Vorstellung dieses Buches war das Backhaus an der Espequelle, das der Verkehrs- und Heimatverein unter dem Vorsitz von Heiner Trapp in Rinthe abgebaut und in mühevoller Kleinarbeit in Bad Berleburg wieder aufgerichtet hat. Erstmals erwähnt wurde es bei einer preußischen Inventur 1825. Nach Trapps Aussage ist der Bau aber älter und datiert wohl aus dem 17. Jahrhundert und wäre damit das wohl älteste erhaltene und betriebene Backhaus.
Auch interessant
Ausgangspunkt für diese Zeitreise zum Brot war die Aktion „Rettet die Backhäuser und ihr rettet ein Stück vom Dorf“ die 1981 auf die Initiative des damaligen und inzwischen verstorbenen Heimatpflegers Wolfgang Kreutter (Dödesberg) zurückgeht.
Das vom Heimatbund Siegerland-Wittgenstein e.V herausgegebene Buch „Die Vielfalt der Backhäuser in Wittgenstein“ ist 230 Seiten stark und enthält neben Texten auch zahlreiche Aufnahmen. Es ist zum Preis von 19,90 Euro ab Montag im Buchhandel erhältlich. ISBN: 978-3-944157-43-6