Erndtebrück. Die Erndtebrücker Pfarrerin Kerstin Grünert spricht über das Osterfest in der Corona-Krise. Sie vermisst die Gemeinde, sieht aber auch Positives.

Pfarrerin Kerstin Grünert wird die Osterandacht diesmal auf YouTube halten. Denn in der Corona-Krise sind Gottesdienste nicht erlaubt. Im Gespräch mit Ina Carolin Lisiewicz erzählt sie, dass sie gerade jetzt der „Fels in der Brandung“ für die Gemeindemitglieder sein möchte, die aktuellen Umstände ihren Job aber erschweren. Trotz allem sieht sie auch positive Entwicklungen.

Wie gehen Sie als Pfarrerin mit der Corona-Krise um?

Kerstin Grünert: Wir mussten uns als Kirchengemeinde erst einmal völlig neu sortieren, als beschlossen wurde, dass Gottesdienste fürs Erste verboten sind. Das war für mich ein ganz komisches Gefühl. In Krisenzeiten rücken die Menschen normalerweise zusammen. Die Kirchen sind dann voll, der Glaube erhält noch einmal eine größere Bedeutung. Durch die Corona-Krise kann das alles nicht so stattfinden wie gewohnt. Auf einmal muss die Gemeindearbeit auf anderen Kanälen, wie Facebook, YouTube oder per Telefon laufen. Es ist schon komisch, gerade eine Pfarrerin ohne Gemeinde zu sein.

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An Ostern ist das bestimmt besonders herausfordernd…

Dass die Corona-Krise gerade um Ostern ist, macht das Ganze natürlich doppelt schwer. Eigentlich feiert man an Ostern den Sieg des Lebens über den Tod. Dass das Fest jetzt der Pandemie zum Opfer fällt, ist nochmal bedeutsamer. Wenn die Corona-Krise an Pfingsten oder Himmelfahrt gewesen wäre, wäre das nicht ganz so schlimm gewesen. Aber Ostern ist genau das Fest, was man gerade gut gebrauchen könnte. Dass die Ostergottesdienste ausfallen, finde ich schon schwierig. Das schlägt mir aufs Gemüt. Normalerweise haben wir zum Beispiel einen Frühgottesdienst veranstaltet, der immer besonders stimmungsvoll war. Den vermisse ich schon sehr.

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Wie feiern Sie jetzt Ostern?

Das weiß ich auch noch nicht. Ich werde wahrscheinlich trotz allem um halb sechs wach sein und mir eine Kerze anzünden. Wir haben das in den vergangenen Jahren immer so gemacht, dass im Verlauf des Frühgottesdienstes jeder eine Kerze bekommen hat. Die haben wir dann angezündet. Dafür habe ich immer das Friedenslicht aus Bethlehem aus dem Advent verwahrt und es bis Ostern brennen lassen. Damit werde ich wohl für mich etwas machen. Vermutlich werde ich am Ostermorgen Zuhause sein und denken: Ich bin gerade im falschen Film. Natürlich werde ich aber auch mit meiner Familie feiern und nach draußen gehen. Aber die Oma treffen wir dann zum Beispiel nicht. Es wird ein ganz anderes, neues Ostern werden.

Was ist im Kirchenkreis Wittgenstein geplant?

Wir werden uns mit den anderen Kirchengemeinden zusammentun und um 9.30 Uhr die Glocken läuten lassen, damit der Tag nochmal eine besondere Bedeutung erhält. Natürlich überlege ich auch, wie ich trotzdem die frohe Kunde in die Welt hinausbringen kann. An die Mitglieder der Kirchengemeinde haben wir einen Brief geschickt. Derzeit zeigen wir unsere Andachten ja auch auf YouTube. Die streamen wir nicht live, sondern zeichnen ein festes Andachtsformat von fünf bis sieben Minuten auf, bei dem ich mich mit meinen zwei Kollegen abwechsele. Das bieten wir sonntags an. Mittwochs haben wir vor Ostern Passionsandachten gezeigt, in denen die Geschichte von Jesus in sieben Stationen abgegangen wird. Wir haben in der Kirche auch einen Bildschirm stehen, wo man sich die Videoandachten im Halbstundentakt ansehen kann.

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Wird es die Videoandachten auch an Ostern geben?

Ja, auch dann werden unsere Andachten in der Kirche und im Internet zu sehen sein. Wir haben auch speziell für ein Altenheim etwas aufgenommen. Die Bewohner besuche ich gewöhnlich an Ostern und veranstalte einen Gottesdienst. Da haben sich die Pflegekräfte vorgenommen, mit dem Laptop durch die Zimmer zu gehen und das Video den Senioren zu zeigen. Die Bewohner leiden derzeit besonders unter der Einsamkeit, weil sie niemand besuchen darf.

Wie sind Sie weiter für die Gemeindemitglieder da?

Wir Pfarrer haben unsere Telefonnummern überall aufgehängt. Meine Arbeit beschränkt sich derzeit sehr stark auf den Schriftverkehr und Anrufe. Dadurch, dass ich im Pfarrhaus wohne, kriege ich aber auch mit, wenn Menschen die Kirche besuchen. Das sind mehr wie sonst. Die Kirche ist den ganzen Tag offen – für Stille und das persönliche Gebet. Es ist schön zu sehen, dass dort jeden Tag Kerzen angezündet werden. In dem Rahmen, wie ich es sein kann, bin ich weiter für die Menschen da. Ich hoffe, dass sie trotz allem wissen, dass ich natürlich auch nach Hause zu ihnen oder sie zu mir kommen können. Es muss nicht alles über das Telefon laufen.

Wie geht es Ihnen in der aktuellen Situation?

Ich bin ein bisschen hin- und hergerissen. Eigentlich geht es mir gut und es ist noch nichts Schlimmes passiert. Andererseits stelle ich verwundert fest, dass mir die momentane Situation zu schaffen macht. Mir fehlen die Menschen um mich herum, ich kann ihnen nicht so nah wie gewohnt sein. Hinzu kommen die persönlichen Sorgen. Ich merke, dass mich manchmal der Schwermut überfällt. Dann reiße ich mich aber wieder zusammen und sage mir: Das ist Jammern auf ganz hohem Niveau, anderen geht es viel schlechter. Ich würde gerade jetzt gerne für die Menschen ein Fels in der Brandung sein; schließlich ist das mein Job. Auf der anderen Seite habe ich aber auch das Gefühl, ich kann es nicht so sein, wie ich möchte, weil durch Corona derzeit alles anders ist.

Können Sie der Corona-Krise denn irgendetwas Positives abgewinnen?

Ich merke, dass die Menschen im Moment bewusster drauf sind. Gerade bei zufälligen Begegnungen nimmt man sich jetzt mehr Zeit. Die Musik auf den Balkonen, die abends gespielt wird, ist natürlich schön. Und wenn man in den Himmel schaut, sieht man keine Kondensstreifen mehr. Die Natur zeigt uns, dass die Welt gerade anhält und sie entwickelt sich einfach fröhlich weiter. Ich bekomme auch ganz viele Rückmeldungen. Die Menschen schreiben uns über die Facebookseite der Kirchengemeinde oder schauen sich unsere Andachten auf YouTube an. Sie schlagen mir Gedichte, Lieder oder Links vor und sagen: Das wäre doch was, daraus könntest du doch was machen. Die Videoandachten können auch eine Chance sein.

Steckbrief:

- Kerstin Grünert ist seit 2016 die gewählte Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde Erndtebrück. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie stammt aus Hilchenbach und hat evangelische Theologie in Heidelberg und Marburg studiert.

- Die 42-Jährige übernimmt die Amtshandlungen im ersten Pfarrbezirk (Zinse, Schameder, Balde). Außerdem ist sie für die Frauenarbeit und die Seelsorge in der Gemeinde sowie den Konfirmandenunterricht zuständig. Kerstin Grünert hat den Vorsitz im Presbyterium inne und vertritt die Kirchengemeinde in der Öffentlichkeit.

- Als Fachberaterin in der Seelsorge hilft sie auch den Erndtebrücker Feuerwehrleuten bei psychischen Problemen während und nach Einsätzen.

Die Favoriten von Pfarrerin Kerstin Grünert:

Lieblingsroman: Harry Potter 1-7

Lieblingsfilm: Grüne Tomaten

Lieblingsessen: Siegerländer/Wittgensteiner Krüstchen

Lieblingsort: Auf einem Pferderücken in der Lüneburger Heide

Lieblingspsalm: Ps 139

Info:

- Die Konfirmation in der evangelischen Kirchengemeinde Erndtebrück muss aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden. „Das ist schon etwas, was wirklich schmerzt und mir für die Jugendlichen leidtut, die sich auf das Fest gefreut haben“, betont Kerstin Grünert.

- Nun werden die Konfirmationen erst nach den Sommerferien stattfinden. Ein genaues Datum wurde bisher noch nicht festgelegt. Die Kirchengemeinde möchte die Entwicklung der Corona-Pandemie erst einmal abwarten.