Bad Berleburg. Experten sagen: Das System „Zoom“ ist nicht sicher vor Hackern. Die Stadtverwaltung hat derzeit keine Information über Sicherheitslücken.
Offener Ganztag an zwei weiteren Bad Berleburger Grundschulen, Modernisierung am Trakt II des Johannes-Althusius-Gymnasiums, Unterstützung der Integrationsarbeit, die Jahresbilanz 2019 des Rothaarbades und mehr – nur einige politische Themen der ausgefallenen Plenarwoche in Zeiten der Corona-Krise, die jetzt formell entschieden sind. Aber nur vorläufig. Unterdessen gerät „Zoom“ – ein online-basiertes System für Videokonferenzen, das die Stadt Bad Berleburg inzwischen auch für Gespräche mit den Politikern nutzt – in die Kritik: Es sei unter anderem nicht sicher vor Hackern, sagen Experten.
Die Demokratie
Bernd Weide: Tablets für alle im lokalen Politik-Betrieb
Sachkundige Einwohner und Bürger in den politischen Fachausschüssen sowie die Ortsvorsteher sind oft nicht mit Tablet-Computern ausgerüstet, die ihnen eine digitale Kommunikation ermöglichen wie schon seit Jahren den Ratsherren in der Bad Berleburger Stadtverordneten-Versammlung. Hier müsse sich dringend etwas ändern, findet die SPD-Fraktion. „In den letzten Wochen hat sich gezeigt, wie extrem wichtig eine Kommunikation über elektronische Medien ist, wenn plötzlich eine persönliche Zusammenkunft zum Beispiel in Sitzungen der kommunalen Gremien nicht mehr stattfinden kann“, so SPD-Fraktionschef Bernd Weide in einem Antrag.
Seit vielen Jahren seien die Mandatsträger der Stadtverordneten-Versammlung mit iPads ausgestattet, „so dass ein papierloses Arbeiten und Kommunizieren schon eingeübte Praxis ist“, schreibt Weide. Anders sehe es „leider nach wie vor bei den sachkundigen Einwohnern und Bürgern in den Fachausschüssen sowie den Ortsvorstehern aus, sofern sie nicht gleichzeitig Mitglied der Stadtverordneten-Versammlung sind“.
Schnelle Beschaffung
Auch im Hinblick auf die Teilnahme Bad Berleburgs am Programm „Smart Cities“ zur weiteren Digitalisierung der „Stadt der Dörfer“ halte es die SPD-Fraktion „daher dringend für geboten, alle Mitglieder der Fachausschüsse und auch alle Ortsvorsteher mit entsprechender Infrastruktur auszustatten“. Konkret beantragt die SPD-Fraktion Bad Berleburg „eine Prüfung bezüglich der Anzahl der noch fehlenden Endgeräte und deren schnellstmögliche Beschaffung“. Fraktionschef Bernd Weide nutzt den Antrag aber auch für Kritik an der Versorgung Wittgensteins mit schnellem Internet. Denn die politische Arbeit mit den Tablets zeige „nun auch, dass in Sachen Breitband-Versorgung und Ausbau der Mobilfunknetze der ländliche Raum und besonders auch Wittgenstein weiterhin deutlich unterversorgt“ sei – und „insbesondere die öffentlich propagierten Zeitpläne massiv überschritten wurden, ohne dass konkrete und belastbare neue Termine bekannt sind“. Leider sei hier „die Stadt Bad Berleburg praktisch ohne Einflussmöglichkeit“.
In Anmerkungen zur aktuellen Gremienarbeit anerkennen die Bad Berleburger Grünen „die Bemühungen der Stadt, angesichts der aktuellen Covid-19-Krise dazu beizutragen, das öffentliche Leben, die verwaltungsmäßigen Abläufe sowie das Funktionieren einer politischen Entscheidungsfindung im Sinne der neuen krisenbezogenen staatlichen Regelungen aufrechtzuerhalten“. Zugleich fordert Fraktionschef Oliver Junker-Matthes Bürgermeister und Verwaltung auf, „ein sicheres Funktionieren der demokratischen Institutionen zu gewährleisten“ – etwa durch „adäquate professionelle digitale Lösungen für weitere Telefon- und Videokonferenzen“.
Die Videokonferenz
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Der städtische Beigeordnete Volker Sonneborn verweist in einer Stellungnahme der Verwaltung unter anderem darauf, dass die Stadt derzeit mit „Zoom“ ein flexibles digitales Konferenz-System nutze, bei dem „Teilnehmer einem Meeting per Telefon, Desktop, Mobiltelefon und Tablet beitreten“. Angewendet wurde es zum Beispiel schon für eine Videokonferenz mit Bad Berleburgs Ortsvorstehern. Dabei sei die Übertragung personenbezogener Daten geschützt, betont Sonneborn.
Die Sicherheit
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Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigt Stadt-Pressesprecherin Steffi Treude, dass „Zoom“ hinsichtlich „der Sicherheit nicht immer perfekt aufgestellt“ war, Sicherheitslücken im Juni 2019 und im Januar 2020 bekannt“ geworden seien. Allerdings liege der Verwaltung „zurzeit keine Information über akute Sicherheitslücken vor“. Auch das britische National Cyber Security Centre komme nach Medien-Berichten „zu dem Schluss, dass es keinen Grund gibt, Zoom nicht für Kommunikation unterhalb einer gewissen Geheimhaltungsschwelle zu nutzen“. Und im Austausch zwischen Politik und Verwaltung würden ohnehin „keine Themen besprochen, die dem Datenschutz unterliegen“, so Treude. Im Übrigen fänden auch „keine notwendigen Sitzungen nach der Gemeindeordnung über Zoom statt“, und die Teilnahme an den Videokonferenzen sei freiwillig. Die Stadt bleibe aber grundsätzlich „offen für andere Möglichkeiten“.
Die Entscheidungen
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Die vorläufigen politischen Beschlüsse – es sind Dringlichkeitsentscheidungen, die im Wesentlichen den Beschlussvorschlägen der Stadtverwaltung für die einzelnen Tagesordnungspunkte zu den ausgefallenen Sitzungen der Fachausschüsse und der Stadtverordneten-Versammlung entsprechen. Sie müssen von den Politikern in der nächsten öffentlichen Plenarwoche noch genehmigt werden – und die soll laut Sitzungskalender Mitte Mai stattfinden.
Die Fragen der Parteien
Unterzeichnet wurden besagte Entscheidungen von je einem Vertreter der beiden großen Fraktionen in der Stadtverordneten-Versammlung, CDU und SPD, sowie vom Bürgermeister. Zuvor hatten alle im Bad Berleburger Rat vertretenen Parteien mindestens zwei Tage vorher Gelegenheit, Fragen zu den Vorlagen an die Verwaltung zu stellen, die dann samt dazugehöriger Stellungnahmen aus dem Rathaus transparent für alle beantwortet werden.
Der Dialog mit der Politik
Darüber hinaus läuft der Dialog zwischen Verwaltung und Politik in Bad Berleburg laut Sprecherin Steffi Treude „wöchentlich und wird technisch auf die gleiche Weise umgesetzt wie die Sitzungen des Stabs für außergewöhnliche Ereignisse (SAE), nämlich per Videokonferenz“. Jede in der Stadtverordneten-Versammlung vertretene Partei habe dabei die Möglichkeit, „einen Vertreter an der Videokonferenz teilnehmen zu lassen. Von den großen Fraktionen CDU und SPD können jeweils zwei Vertreter teilnehmen“.
Die Nachbarkommunen
Im Prinzip so ähnlich könnte es demnächst auch in Bad Laasphe und Erndtebrück funktionieren, wo jedoch Ausschuss- oder Ratssitzungen im Moment entweder noch nicht anstehen oder aber wegen der Krise bereits verschoben wurden. Beim Kreis Siegen-Wittgenstein läuft der politische Prozess derzeit ebenfalls über die ansonsten eher selten getroffenen Dringlichkeitsentscheidungen.