Bad Berleburg. Internet-Portal ist Kern des Projekts in Bad Berleburg. Grüne kritisieren Finanzierung aus Geldern für die Flüchtlingsarbeit.

„Willkommenskultur 4.0 – mit Digitalisierung Newcomer integrieren und demografischen Wandel gestalten“ heißt ein Projekt, das die Stadt Bad Berleburg jetzt auf den Weg bringen möchte. Dabei sollen nicht zuletzt die Ortsvorsteher in den Dörfern eine wichtige Rolle spielen. Kritik an der Finanzierung kommt unterdessen von den Grünen.

Das Konzept

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Kern des Konzepts zum Projekt ist laut Stadt „ein mehrsprachiges Portal“ im Internet oder als App fürs Smartphone, das „zielgruppenspezifische Informationsangebote für (Neu-)Bürger, Geflüchtete, Touristen und potenzielle Fachkräfte von außerhalb bündelt und Service-Leistungen zur Verfügung stellt“. Die Nutzer sollen sich in etwa zehn wählbaren Sprachen zum Beispiel über regionale Unternehmen, Vereine oder Bildungseinrichtungen informieren, Meldungen aus dem Rathaus erhalten oder Service-Angebote der Verwaltung abrufen. Außerdem soll ein Veranstaltungskalender bereitgestellt und über touristische Highlights informiert werden. Das Projekt soll Vorbild-Charakter für andere Regionen haben. Und: Die Ortsvorsteher sollen in einem ehrenamtlichen Redaktionsteam eingebunden werden, das sich um die Pflege der dargestellten Inhalte kümmert.

Die Finanzierung

Die Kosten werden im Rathaus mit rund 250.000 Euro kalkuliert, ein Antrag auf Förderung mit 200.000 Euro ist bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gestellt, die das Projekt mittlerweile als „innovativ“ und „förderwürdig“ eingestuft hat.

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Der städtische Eigenanteil soll ab 2020 zu 60 Prozent aus dem Bereich „Leistung für Asylbewerber“ und zu 40 Prozent aus dem Budget „Wirtschaftsförderung“ finanziert werden. Dass Eigenmittel aus der Flüchtlingsarbeit hier einfließen, haben die Grünen im Ausschuss für Soziales, Bildung, Sport und Kultur kritisiert. Allerdings wies Regina Linde, Leiterin des städtischen Fachbereichs Bürgerdienste, darauf hin, dass das Projekt gerade bei den Flüchtlingen seinen Ursprung habe, sie aber nun eben nicht mehr die einzige Zielgruppe seien.

Der öffentliche Zugang

An zentralen Begegnungsorten in der Kernstadt, in den Grund- und Nahversorgungszentren und weiteren Ortschaften des Stadtgebietes sollen Terminals für den Zugang zu dem neuen Portal installiert werden: „Somit wird der gesamten Bevölkerung ein Zugang zu der digitalen Anwendung ermöglicht“, erläutert die Stadtverwaltung.

Die Rolle der Ortsvorsteher

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In einer Sondersitzung der Ortsvorsteher am 27. Januar 2020 mit den Schwerpunkt-Themen „Nachhaltigkeit“ und „Digitalisierung“ sollen unter anderem abgestimmt werden, wo für den öffentlichen Zugang zum Beispiel Terminals aufgestellt oder etwa W-LAN-Hotspots eingerichtet werden könnten. Unsere Redaktion hat dazu vorab in drei Dörfern nachgefragt.

Aue-Wingeshausen

Willkommenskultur 4.0? Darüber „habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, bekennt Helmut Keßler, Vorsitzender des Dorfvereins im Doppelort Aue-Wingeshausen mit seinen etwas mehr als 2400 Einwohnern. Er ist selbst einer der Bad Berleburger Standort-Paten, die sich darum kümmern, Fachkräfte auf die Region aufmerksam zu machen und neue Zugezogene und deren Familien tatkräftig bei ihrer Eingewöhnung in der Gesellschaft zu unterstützen.

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Und er kümmert sich vom heimischen Computer aus um das digitale Info-Board an der Sparkasse, auf dem der Verein das Dorf präsentiert, ähnlich wir auf der eigenen Homepage www.aue-wingeshausen.de im Internet. Eine Erweiterung um die geplanten Info-Angebote der Stadt wären technisch wohl grundsätzlich machbar, denkt Keßler. „Fragt sich, wie umfangreich das ist“, sagt er. Und die Pflege der Daten sei dann wohl auch „eher eine städtische Aufgabe“.

Mit Blick auf denkbare Lösungen setzt Helmut Keßler auf Gespräche mit den beiden Ortsvorstehern Christian Schneider (Aue) und Karl Heinrich Sonneborn (Wingeshausen). Schließlich gehörten beide laut Satzung ja auch zum Vorstand des Dorfvereins.

Raumland

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Heinrich Limper, Ortsvorsteher in Raumland mit etwas mehr als 1300 Einwohnern, wäre froh, wenn sich auf einem neuen digitalen Weg einige Mitbürger im Dorf besser ansprechen ließen.

„Wir haben ja unheimlich viele Neubürger aus Russland hier am Hinterstöppel“, sagt er unserer Zeitung. „Und wenn wir mit denen mal richtig ins Gespräch kommen würden, das wäre uns schon ein Anliegen.“ Innerhalb ihrer Gemeinschaft würden sie sich gegenseitig helfen – doch eine Integration etwa ins Raumländer Vereinsleben bleibe schwierig. Gleiches gelte für die Flüchtlinge unter den Bewohnern in Raumland. „Man hat da wenig Kontakt“, bedauert Limper.

Immerhin: „Wir sind ja auch schon unterwegs mit der Digitalen Dorf.Mitte“, berichtet Limper – einem laufenden Forschungsprojekt zur Digitalisierung mit insgesamt sechs Modelldörfern. Und als zentralen Punkt im Dorf etwa für ein Terminal kann sich Limper natürlich das Rumilingene-Haus vorstellen.

Arfeld

Für Kai-Uwe Jochims, Ortsvorsteher von Arfeld mit fast 800 Einwohnern, wäre so ein digitales „Herzlich willkommen“ in der Ortsmitte eigentlich gar kein Problem.

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„Wir können das gut umsetzen im Zentrum ,Via Adrina‘“, sagt er. Mit einem ohnehin geplanten Außen-Bildschirm im Eingangsbereich gebe es eine gute Möglichkeit für Präsentationen. Hier sollen vom Dorf aus Informationen über Arfeld, interessante Wander-Routen in der Umgebung, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, die Nahversorgung und mehr dargestellt werden.

Die Ortsvorsteher als Teil des Redaktionsteams für die neuen städtischen Inhalte? „Für eine gute Aufgaben-Verteilung ist es noch zu früh“, findet Jochims. Aber: Arfeld sei „schon gut aufgestellt“ für die neue digitale Herausforderung. „Wir müssen unsere Ortschaft ohnehin an den Markt bringen – da passt die ,Willkommenskultur 4.0“ supergut ‚rein.“