Warstein. . NRW-Umweltminister Johannes Remmel sagte es ganz deutlich: „Wir sind noch in der aktuellen Bewältigung von vorhandenen Legionellen. Ich will noch keinen Schlussstrich ziehen.“ Die WESTFALENPOST brachte die in dem „Fall Warstein“ involvierten Experten am Montagabend im Haus Kupferhammer an einen Tisch.
Zum „WP-Salon“ begrüßte Chefredakteur Stefan Kläsener 20 Behördenvertreter sowie Betroffene aus Warstein, um die Folgen zu beleuchten und zu analysieren, ob mit dem, was passiert ist, optimal umgegangen wurde.
Kritisch stieg Christoph Schmitt-Nüse, Vorsitzender des Verkehrs- und Gewerbevereins Warstein, ein. Warum die Landrätin die Empfehlung ausgab, nicht nach Warstein zu reisen, sei bei den Mitgliedsbetrieben überhaupt nicht angekommen. „Die Bürger haben gedacht, wir ständen unter Quarantäne“, berichtete er. Direkt sprach er Landrätin Eva Irrgang und Kreisdirektor Dirk Lönnecke an: „Eine gute vertrauensbildende Maßnahme wäre gewesen, wenn sie mal nach Warstein gekommen wären.“ Minister Remmel sei der Erste gewesen, der sich in der Krisenphase vor Ort informiert hätte. Vom Kreis hätte sich der Sprecher des Einzelhandels konkrete Verhaltensregeln und Handlungsanweisungen gewünscht. Das Thema Legionellen sei immer noch nicht vom Tisch, Hoteliers bekämen nach wie vor Stornierungen: „Bei unseren Kunden von außerhalb ist es noch jeden Tag präsent.“ Aus seiner Sicht reagieren die Leute sehr emotional, nicht rational.
Bürger forderten Erklärung der Reise-Empfehlung
Ähnlich erlebte es auch Nils Hopf, Heizung- und Sanitärfachhändler. In der akuten Phase verweigerten auswärtige Spediteure das Anliefern der Waren nach Warstein: „Zweimal haben wir auf dem Stimm-Stamm und am Gasthof Vollmer auf der Haar Sanitärmöbel umgeladen,“ berichtete er. Ohnehin konnte er die Empfehlung des Kreises nicht verstehen. Prof. Dr. Martin Exner vom Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit in Bonn, begründete dies mit zu einem großen Risiko für Reisende. Wäre ein Besucher nach seinem Aufenthalt in Warstein in seinem Heimatort an einer Pneumonie erkrankt, hätte der dortige Arzt nicht sofort auf Legionellen behandelt und falsche Medikamente verschrieben. „Dann hätte es mehr Tote gegeben“, so Dr. Exner. Für diese Erklärung war Hopf dankbar. Das sei in Warstein so nicht deutlich geworden. „Diese Information hätte sachlich und vernünftig verbreitet werden können.“
Bürgermeister Manfred Gödde schilderte im Rückblick verschiedene Fälle, wie den einer Seniorengruppe aus Warstein, die in einem Café in Bad Sassendorf nicht bedient wurden: „Als wenn sie die Pest hätten“, oder die Ausfälle für den Bilsteintal-Verein: 60 Reisebusse sagten ihren Besuch in Wildpark und Höhle ab. Für ihn persönlich die schwerste Entscheidung: „Meine Unterschrift unter der Absage der Montgolfiade – das war hammerhart“, so Gödde.
Krankenhaus fordert Stärkung in der Fläche: "Wenn wir Patienten dezentral in größere Kliniken untergebracht hätten, wäre die Sterblichkeitsrate höher gewesen"
Ein positives Resümee aus Sicht des Krankenhauses Maria Hilf zog Chefarzt Dr. Thomas Schumacher. Die Behandlung der Legionellen-Patienten erfolgte nach standardisiertem Programm. Es sei „eine glückliche Fügung“, dass sofort alles so gut funktioniert habe, wenngleich diese Aufgabe das Maria Hilf an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gebracht habe. Daraus leitete er den Appell an die Politik ab, kleine Krankenhäuser in der Fläche zu fördern, Stichwort: Risikostrukturausgleich. „Wenn wir Patienten dezentral in größere Kliniken untergebracht hätten, wäre die Sterblichkeitsrate höher gewesen,“ ist Dr. Schumacher überzeugt. Das unterstrich auch Klaus Wohlmeiner, Pflegedienstleiter: „Es war Teamwork und hat gezeigt, dass wir auch etwas können“, zudem habe er positives Feedback erfahren von Patienten und deren Angehörigen.
Nach der Krise bietet Regierungspräsident Dr. Gerd Bollermann seine Hilfe an: „Wir haben Warstein jetzt ganzheitlich im Blickfeld“, es gebe Handlungsbedarf in vielerlei Hinsicht. Ebenso will sich Landrätin Irrgang stark machen; sie plant in Warstein einen IHK-Workshop mit den örtlichen Gewerbetreiben zum Thema Imageverlust und Gegenmaßnahmen. Und Umweltminister Remmel geht davon aus, dass Mitte November der umfassende Bericht über die Ursache des Legionellen-Ausbruchs vorliegt.
Nach zweistündiger, teils hitziger Diskussion, resümierte Chefredakteur Kläsener: „Ich bin überrascht, wie nötig dieses Gespräch doch war. Wir als Redaktion werden die Quintessenz dieser Untersuchungen einfordern.“