Warstein. . Warten – das gehört in der Warsteiner Legionellen-Krise mittlerweile zum Alltag: Warten auf neue Labor-Ergebnisse, auf Empfehlungen aus dem Krisenstab und vor allem auf die eine Nachricht, dass endlich bald alles vorbei ist. Wir geben Antworten auf Fragen, was schon alles geschah und was noch läuft.
Zumindest die Nachrichten, die am Freitag aus dem Krankenhaus zu erfahren waren, sind wiederum gute: Von Donnerstag auf Freitag, 13. September, gab es keine Neuaufnahme im Rahmen des Legionellenausbruchs. Während an den betroffenen Kläranlagen des Ruhrverbands und der Brauerei die Sicherungsmaßnahmen laufen, geben wir Antworten auf die drängendsten Fragen im Zusammenhang des Legionellenausbruchs.
Wie viele Erkrankte gibt es aktuell?
Dadurch, dass in dieser Woche keine Neuerkrankten gemeldet wurden, werden nach wie vor 165 Erkrankungsfälle gezählt (Stand Freitag, 13. September, 12 Uhr). Die Zahl der bestätigten Labor-Legionellenbefunde beträgt 94. Sieben Erkrankte werden nach Auskunft der Krankenhäuser zurzeit noch stationär behandelt. Sie befinden sich alle im Warsteiner Krankenhaus „Maria Hilf“. Die von dort am Montag, 9. September, als jüngster Fall gemeldete Patientin wird weiter intensivmedizinisch betreut. Nach Auskunft der behandelnden Ärzte geht es ihr deutlich besser.
Wie lange sind Legionellen an welcher Stelle gefährlich?
Professor Dr. Rainer Wiewrodt, Pneumologe der Uniklinik Münster, erklärt: „Die Legionellen brauchen das Wasser. Gefährlich werden die Legionellen, wenn sie in erhöhter Konzentration im Wasser auftreten und dieses dann verdampft. Dann können Menschen die Legionellen direkt in die Lunge einatmen.“
Sobald dieser Wassernebel aber verdampft sei, seien auch die Legionellen nicht mehr lebensfähig. „Sie sind sehr empfindlich, was Trockenheit angeht.“ Der Wassernebel oder -dampf, der aus einer entsprechenden Anlage getreten sei, sei jetzt nicht mehr gefährlich, da mittlerweile das Wasser verdunstet und damit die Legionellen abgestorben sein müssten, so die Einschätzung des Experten.
Was passiert jetzt an den entsprechenden Klärbecken?
Der Krisenstab will am Montag beraten, ob die Kläranlage der Brauerei aus dem Kreislauf herausgenommen und das nicht-belastete Brauereiabwasser direkt zur kommunalen Kläranlage geleitet wird. Zum Schutz vor Legionellen, die direkt aus der Luft in das Becken gelangen könnten, soll die Vorklärung der Warsteiner Brauerei bis kommenden Mittwoch ein Dach und eine UV-Bestrahlung zur Abtötung der Legionellen bekommen, so wie es an der Kläranlage des Ruhrverbandes bereits gemacht wurde. Zudem sind neutrale Institute mit einer täglichen Probenentnahme und anschließende Laboranalysen beauftragt worden.
Wie kann ein Unternehmen nach Legionellen-Fund reagieren?
Die Brauerei hat einen Stab zusammengerufen, um gemeinsam das Krisenmanagement zu bewältigen. Doch was wird eigentlich in solchen Fällen empfohlen? Dr. Silke Hahn, Professorin für PR und Unternehmenskommunikation an der Business and Information Technology School „BiTS“ in Iserlohn: „Von den Unternehmen wird immer erwartet, dass ein Kommunikationsfluss zu den Medien besteht. Krisen sind allerdings eine außerordentliche Situation. Da muss intern erst alles einheitlich laufen, bevor nach draußen kommuniziert werden kann.
Generell empfehlenswert ist aber eine proaktive Handlung, das heißt, zielgerichtet versuchen, eine Situation herbeizuführen. Zudem sollte ein guter Kontakt zu den Medien bestehen bleiben. Und wenn noch keine neuen Erkenntnisse vorliegen, sollte zumindest eine Wasserstandsmeldung gegeben werden. Eine Art Zwischenfeedback, indem gesagt wird, welche Aktionen gerade unternommen werden.“
Muss die Warsteiner Brauerei bei der Aufklärung offensiver auftreten?
Stefan Leppin, Leiter der Unternehmenskommunikation, meint: „Wir werden uns umfassend erst dann äußern, wenn alle Werte valide, also belastbar sind. Wir hoffen, dass das vielleicht schon am Dienstag der Fall sein wird. Die bisher vorliegenden Werte sprechen klar für uns. In der Brauerei und auch im Abwasser, das die Brauerei verlässt, sind null Legionellen festgestellt worden. Das stärkt unsere Theorie, dass die Legionellenbelastung im Klärbecken durch die Luft erfolgt sein muss.
Können Vögel als Legionellen-Überträger infrage kommen?
Dr. Wilfried Hopp (Kreisveterinär Soest) schließt eine Erkrankung der Vögel selbst an Legionellen aus: „Vögel können nicht an Legionellen erkranken, das steht zumindest noch in keiner Literatur und ist mir auch bisher noch nicht bekannt. Als Überträger ist der Vogel allerdings nicht auszuschließen. Seine Durchschnittstemperatur reicht für Legionellen aus, um zu überleben.“
Wie gehen die Schulen mit der aktuellen Situation um?
Gymnasiumsleiter Werner Humbeck setzt auf die Entscheidungsfreiheit der Eltern: „Ich stelle den Eltern frei, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken oder nicht. Bisher haben wir nur drei Kinder, die zu Hause bleiben und das nur, weil sie ohnehin schon gesundheitlich angeschlagen waren. Das Kollegium ist aber geschlossen anwesend.“
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Ähnlich sieht es an der Realschule aus: „Wir haben intern die Regelung, dass Kinder die von den Eltern entschuldigt werden, zu Hause bleiben können. Das betrifft aber nur zwei Schüler, die schon vorher gesundheitlich angeschlagen waren. Im Lehrerkollegium dagegen sind alle an Bord“, so Schulleiter Jürgen Jaschke. An der Hauptschule läuft alles normal, wie Schulleiter Marcus Schiffer berichtet: „Wir sind alle vollzählig bisher und haben noch keine Ausfälle durch die Krankheitswelle hinnehmen müssen.
Welche Rolle spielt Warsteins Bürgermeister Manfred Gödde?
Er ist in diesen Tagen wahrlich nicht zu beneiden. Auf der einen Seite ist er Teil des Krisenstabs, muss also eng mit der Kreisverwaltung zusammenarbeiten und kooperieren. Das Heft des Handelns hat er dabei nicht in der Hand. Auf der anderen Seite muss er all die vielen großen und kleinen Brände in seiner Heimatstadt löschen, die durch die Legionellen-Krankheitswelle fast täglich auflodern. Am Rande: Eigentlich wollte Gödde heute am Strand von Portugal die Sonne genießen. Diese Reise wurde auf unbestimmte Zeit verschoben: „Ich kann Warstein im Moment unmöglich verlassen“, argumentiert er.
Sind alle Reaktionen auf die Situation in Warstein nachzuvollziehen?
Nein, es gibt Auswüchse, die man nur schwer erklären kann und die von der Unkenntnis vieler über die wirkliche Gefahr zeugen. In Soest etwa soll ein Lehrer Schüler aus Warstein wegen der Ansteckungsgefahr nach Hause geschickt haben. Fahrschulprüfungen sind zurzeit in Warstein nicht möglich, sondern werden nach Meschede und Rüthen verlagert.
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Was tun die Politiker?
Landesumweltminister Johannes Remmel (Grüne) wird Warstein im Kontext des Legionellen-Ausbruchs am kommenden Montag besuchen. Voraussichtlich wird der Minister dann die Kläranlage des Ruhrverbandes und das Klärbecken auf dem Brauerei-Gelände inspizieren. Mit vor Ort ist dann auch die heimische Landtagsabgeordnete Dagmar Hanses (Grüne) aus Sichtigvor. Remmel besucht zuvor den Krisenstab in Soest.