Warstein. Bevor es losgeht, bekomme ich schon eine Auszeichnung. Klaus-Dieter Hötte holt aus den Tiefen seines Autos Holzmedaillen hervor: „Die bekommen die Kinder, wenn sie auf der Exkursion mit mir gut mitgearbeitet haben. Ich gebe sie Ihnen schon vorher, das wird bestimmt gut heute.“

Mein Einwand, dass ich dafür ja bestimmt erstmal ganz viele Fragen rund um den Wald beantworten müsse, wischt der Ranger lachend beiseite. „Ich frage Sie ja nicht aus, sie wollen mich ja fragen, da kann Ihnen nichts passieren.“

Stimmt: Wenn man mit einem echten Sauerland-Waldrouten-Ranger spazieren geht, kann einem doch wirklich nichts passieren. Zumal Bruno, der ungarische Vorstehhund von Klaus-Dieter Hötte dabei ist. Bruno begleitet den Ranger bei jeder Führung. Allein schon wegen der Kinder. Die fragen nämlich sofort, wo denn der Hund sei, der zum Förster gehört. „Der Hund muss sein, sonst halten die mich nicht für einen echten Ranger“, erzählt Klaus-Dieter Hötte, der seit 20 Jahren als Naturpädagoge unterwegs ist.

Hund und Waffe – das erwarten die Kinder von einem Förster. Obwohl der 47-Jährige ja offiziell „Ranger“ heißt – wie erklärt man Kinder, was ein „Ranger“ macht? „Ich erkläre das den Kinder immer so, dass ich ein Hüter der Felder, Wälder und Wiesen bin. Und weil das nicht so cool klingt, heiße ich eben ‘Ranger’.“ Erstaunlich viele Kinder wüssten zumindest noch, was ein Förster mache, erklärt mir der Waldhüter, während wir strammen Schrittes Richtung Turm gehen. „Ein bisschen liegt das auch am ‘Forsthaus Falkenau’.“

Wie bitte? Klaus-Dieter Hötte lacht. „Ja, das war so die Durchhaltesendung für uns, als ich 1987 angefangen habe, zu studieren. Sicherlich ist da der Förster ein bisschen glorifiziert worden, aber auch die Probleme waren definitiv gut dargestellt.“ Viele der Kinder, die er im Laufe der Jahre durch den Wald begleitet hat, wuchsen mit der Serie auf. Überhaupt, die Kinder.

Wie erklärt man Kindern heute den Wald? Grundschülern, Bio-Leistungskursen oder auch Förderschulen bringt Klaus-Dieter Hötte die Natur näher – und weiß, dass jede Wanderung anders ist: „Wenn Kinder mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen dabei sind, dann ist das natürlich eine besondere Herausforderung.“ Klaus-Dieter Hötte bleibt unvermittelt stehen, denkt nach: „Wissen Sie, was daran richtig schön ist? Diese Kinder können sich ganz anders freuen.“ Die Kinder, das spüre ich in diesem Moment ganz deutlich, liegen ihm am Herzen. Während wir langsamer weitergehen, erzählt der sympathische Ranger von einem Schulkind mit Down-Syndrom, dass er auf dem Walderlebnispfad im Biebertal begleitete: „Dort haben wir diese Baumtreppe gebaut, wo man ganz bewusst erst rechts , dann links auftreten muss., das erfordert ein gewisses motorisches Geschick.“ Anders als seine nicht-behinderten Klassenkameraden lief das neunjährige Mädchen nicht vorbei, sondern ging ganz bewusst über die Baumtreppe.„Als sie hinten wieder runter kam, sagte sie ganz stolz: ‘Siehst du, Ranger Klaus, jetzt habe ich endlich mal was geschafft, was die andern nicht geschafft haben.’ Da hatte ich Tränen in den Augen.“

Jäh wird die sehr emotionale Stimmung von einem Knirschen auf dem Waldweg unterbrochen, wir drehen uns um: Ein Auto kommt von hinten, Klaus-Dieter Hötte pfeift Bruno zurück. „Das könnte auch einer von den Holzrückern sein, das geht in Ordnung“, kennt der Ranger die meisten der Arbeiter im Wald. Bis zu 4000 Leute führt Klaus-Dieter Hötte zu Spitzenzeiten im Jahr durch den Arnsberger Wald.

Kann man da jede Führung noch neu gestalten? Der Förster nickt selbstbewusst: „Ja, das geht. Das Wichtigste ist, dass du authentisch bist. Gerade bei den Kindern, denn die sind das kritischeste Publikum, dass du haben kannst.“ Während Erwachsene auch mal ein Auge zudrücken, beschweren sich die Kinder sofort, wenn der „Ranger Klaus“ zum Beispiel zu viel redet. „Ich rede ja eh zu viel“, schmunzelt Hötte ein wenig ertappt, redet aber sofort weiter, „aber wenn die Kinder etwas kritisieren, dann nehme ich mir das zu Herzen.“

Wir erreichen die Holzrücker. „Oh, hier passiert aber was“, hat Klaus-Dieter Hötte sofort den suchenden Försterblick im Gesicht, „das sieht nach Nordmanntanne aus, die kennen Sie ja sicher.“ Waren das die, die nicht nadeln oder die, die nicht pieksen? Ich entscheide mich für Letzteres und liege richtig, meine Waldmedaille habe ich mir jetzt verdient. Ohne längere Pause geht es weiter Richtung Turm.

Die Stufen stoppen den Redefluss von Klaus-Dieter Hötte nicht, mit Begeisterung erzählt er von dem Waldaktionstag im vergangenen Jahr. 700 Schüler kame damals ins Biebertal. „Die Kollegen waren skeptisch, ob wir das schaffen, aber ich bin Optimist.“ Anpacken, organisieren, einfach machen: Der Sauerland-Ranger ist ein Mann der Tat. Eine Eigenschaft, die ihm als Planer des Hansetages, den Rüthen 2013 ausrichtet, auch zu Gute kommt. „Da sind wir seit über zweieinhalb Jahren in der Planung. Wir werden etwas schaffen, was es bei den Hansetagen in der Form noch nicht gegeben hat“, schwärmt Hötte und seine Augen leuchten.

Ein Leuchten, das sich noch verstärkt, als er fast ehrfürchtig auf die einzelnen Lichtstrahlen zeigt, die sich ihren Weg durch die Bäume brechen: „Ist das nicht wunderschön?“ Für den Ranger gibt es keine Lieblingsjahreszeit, um in den Wald zu gehen. „Es ist zu jeder Jahreszeit etwas Besonderes, was wir hier haben. Und wir müssen wieder dahin kommen, dass wir das, was wir vor der Haustür haben, auch zu schätzen wissen.“

Passen Windräder zu diesen Schatz vor der Haustür? Klaus-Dieter Hötte zögert, zum ersten Mal sprudeln die Worte nicht aus ihm heraus. „Das ist ein heikles Thema. Es ist eigentlich wie mit einer Baumart: Man muss abwägen, ob es an den Standort passt. Wenn ein Baum nicht an einen Ort passt, zeigt er uns dies an. Das wird bei den Windrädern die Zukunft zeigen, ob wir das richtig machen.“ Kurz bevor wir den Parkplatz erreichen, offenbart Klaus-Dieter Hötte dann noch ein geheimes Talent. Wer nahezu täglich im Wald unterwegs ist, den inspiriert die Natur – auch in literarischer Hinsicht: Sein Gedicht über den Schutzpatron der Jäger, Sankt Hubertus, begleitet mich in den Redaktionsalltag. Die selbst gereimten Zeilen seien an dieser Stelle nicht verraten, denn Klaus-Dieter Hötte hat natürlich schon wieder Pläne: Ein Gedichtband zur Sauerländer Waldroute. Die Vorschusslorbeeren, die ich in Form der Waldmedaille am Beginn unserer Wanderung bekommen habe, gebe ich an dieser Stelle für den „reimenden Ranger“ gerne zurück. Ich bin gespannt!