Hilchenbach. Vor zwei Jahren kam sie in Rot. Heute trägt sie schwarz. Sophie Hunger biedert sich bei ihrem Kultur-Pur-Auftritt nicht an. Aber sie weiß die ihr entgegengebrachte Sympathie zu schätzen. Später, bei den Zugaben, wenn die Scheinwerfer auch die Menschen im Saal entdecken.

„Eigentlich sieht es für mich überall so aus“, sagt sie aus dem Lichtkegel ­heraus in die Dunkelheit des kleinen Zelttheaters. Das klingt reserviert im Vergleich zu all denen, die von der gleichen Stelle aus betonen, eigentlich immer von einem Auftritt auf dem Giller geträumt zu haben und sich nirgends so wohl zu fühlen wir hier.

Rockkonzert beginnt kammermusikalisch

Ein Rockkonzert, das nahezu kammermusikalisch beginnt. Die 30-jährige Schweizerin mit dem eindrucksvollen Hintergrund einer Maler, Diplomaten- und Schriftstellerfamilie lässt sich von vier Musikern mit vielfältiger Instrumentalisierung begleiten, vom Flügelhorn bis zum Glockenspiel, von der Klarinette bis zum Minimoog. Alberto Malo ist dabei, Sara Oswald, Alexis Anérilles und Simon Gerber.

Gelegentlich Schywzerdütsch „Rererevolution“ aus ihrem aktuellen Album „The Danger of Light“ ist das erste Stück, das Sophie Hunger an diesem späten Sonntagabend singt. Wo sehen wir uns, wie heißt die Straße, wer geht zuerst – wieder so ein Lied mit ganz vielen Fragen, wenigen Antworten und am Ende einem Erstaunen über die eigene Stimme: „God, is it mine?“

Topacts auf dem Giller

1/70

Das ist die Stimmung, aus der heraus sie auch „Shape“ singt aus dem vier Jahre älteren Album „Monday’s Ghost“ über Ungewissheiten und Unsicherheiten, ein Schattenboxen mit wem oder gegen wen auch immer, Redereien, Träumereien. Eine Stimme für Soul, Blues, Funk und sogar Pop, ein Gesang meist in englischer Sprache, gelegentlich in Schwyzerdütsch, in Französisch natürlich bei Le Vent Nous Portera, auf den sie ihr Publikum nicht erst lange warten lässt.

Anspielung auf Facebook-Daumen

Auf Deutsch kommt „Guten Morgen 1983“ (ihr Geburtsjahr) aus dem letzten Album: „Alles muss weg, alles muss sterben. Es ist nie zu spät, neu geboren zu werden“. Und aktuell „Das Neue “: „Ich kann nicht bleiben, wie ich bin, trotz dir.“ Schließlich, mit ein paar Tönen aus der Mundharmonika verstärkt, zum Aufmuntern ein richtiges Liebeslied für den Jungen, dessen Atem sie nötiger braucht als seinen Schlüssel, wobei der Titel „Like Like Like“ ein wenig an den Facebook-Daumen anzuspielen scheint und somit nicht ganz ironiefrei wäre.

Zelttheaterstadt der Künstler

1/65

Sophie Hunger hat viel zu sagen, vor allem viel zu fragen – sie tut das nicht nur singend, sondern auch als Autorin. Sogar als Schauspielerin stand sie, mit ihrem bürgerlichen Namen Emilie Welti, vor der Kamera, „Der Freund“ wurde mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet. Sophie Hunger ist geerdet. „Ich bin besonders aufgeregt“, gesteht sie irgendwann. Denn während des Konzerts steht ihre Schweiz im Eishockey-WM-Finale. Schweden gewinnt.