Siegen.  . Als der Angeklagte am 20. August 2011 in der Unterführung des Siegener Bahnhofs die Mutter seines kleinen Sohnes mit 52 Messerstichen tötete, war er zurechnungsfähig. Davon geht zumindest der sachverständige Psychiater Dr. Horst Sanner aus.

Der Gutachter bedauerte am siebten Verhandlungstag ausdrücklich, neben dem Eindruck aus der Hauptverhandlung keine Möglichkeit gehabt zu haben, den Angeklagten zu beobachten. Der junge Mann hatte eine Untersuchung abgelehnt und sich erstmals am vorherigen Verhandlungstag mit dem Nervenarzt unterhalten.

Keine Beeinflussung durch Alkohol oder andere Drogen

Allerdings hatten die Angaben offensichtlich keinen tieferen Eindruck hinterlassen. Denn obwohl der inzwischen geständige Mann von langen Phasen der Schlaflosigkeit berichtete, seine eigene Normalität in Frage stellte und depressive Momente und Verfolgungswahn schilderte, sah der Gutachter keinerlei Anzeichen für psychische Probleme, bescheinigte dem Angeklagten vielmehr eine normale Intelligenz und geistige Gesundheit. Nach den im Prozess eingebrachten Blutuntersuchungen habe es auch keinerlei Beeinflussung durch Alkohol oder andere Drogen gegeben.

Eine schwere affektive Störung habe allerdings vorgelegen, gestand der Gutachter auf Nachfrage von Verteidiger Dr. Frank Nobis zu. Der Angeklagte habe sich ganz offensichtlich in einem starken Erregungszustand befunden. Das sei aber eine Frage der Strafzumessung für das Gericht. Aus psychiatrischer Hinsicht könne er nicht feststellen, dass die beim Angeklagten ohnehin vorhandene Aggressivität durch bestimmte Reize dermaßen gesteigert worden sei, dass er im Moment der Tat die Kontrolle völlig verloren habe.

Urteil für den 30. März erwartet

Er habe geschildert, zumindest noch Bilder im Kopf zu haben, sehe das Gesicht des Opfers noch vor sich. Dies spreche gegen einen kompletten Bruch in der Sinneswahrnehmung, der für eine verminderte oder gar ausgeschlossene Schuldfähigkeit angenommen werden müsse. Ebenso sei das Verhalten gegenüber dem Kind, zu dem er offenbar eine „Affenliebe“ entwickelt habe, eher ein Beweis für ein kontrolliertes Verhalten. Die auch gestern noch einmal von einer Zeugin beschriebene Reifeverzögerung des Mannes, der sich in einer Hilchenbacher Hilfseinrichtung mit 15 noch wie ein Dreijähriger verhalten haben soll, reiche nicht aus, eine maßgebliche krankhafte Störung oder Abartigkeit zu attestieren.

Die Plädoyers folgen am Dienstag. Das Urteil ist für Freitag kommender Woche vorgesehen.