Siegen. Dritter Verhandlungstag am Siegener Schwurgericht im Prozess um den Mord am Bahnhof. Der 22-jährige Angeklagte schweigt weiter. Er soll am 20. August 2011 seine Freundin erstochen haben. Das gemeinsame Kind - noch ein Säugling - brachte er blutbefleckt in eine Moschee. Das bestätigten sechs Zeugen.

Am dritten Verhandlungstag um den tragischen Tod einer jungen Frau in der Unterführung des Siegener Bahnhofes konzentrierte sich das Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Wolfgang Münker auf die Geschehnisse im Türkisch-Islamischen Kulturverein an der Frankfurter Straße. Dort hatte der Angeklagte den Säugling abgegeben und seine Flucht danach fortgesetzt, die neben der Leiche seiner früheren Freundin begonnen hatte. Der Mordprozess rollt das Geschehen vom Tattag auf.

Der 22-Jährige sei blutbefleckt mit dem Kind auf dem Arm gekommen, bestätigten sechs Zeugen. Sie waren am 20. August in der dem Verein angeschlossenen Moschee gewesen, um ein gemeinsames Essen für die Gläubigen vorzubereiten. „Ich war geschockt“, hörte das Gericht ein halbes Dutzend Mal. Der Angeklagte habe den Männern das Kind entgegengehalten und mehrfach aufgefordert, es zu nehmen und sich zu kümmern. Er habe gerade seine Frau getötet, weil sie fremdgegangen sei.

Der Vorsitzende war sehr bemüht, den genauen Wortlaut des überwiegend türkisch geführten Dialoges herauszubekommen. Allerdings waren die Erinnerungen nicht mehr so exakt, wie er es hoffte. Die Aussagen variierten zwischen „gestochen“ und „erstochen“, selbst die Begriffe „geschlagen“ oder „erschossen“ kamen nach Auskunft des zugezogenen Dolmetschers in Betracht. Jedenfalls sei der Angeklagte hektisch gewesen, in Panik und „total durchgedreht“.

Opfer war seine Frau „nach islamischem Recht“

Noch während die Zeugen mit ihm sprachen, rief einer von ihnen mit dem Mobiltelefon die Polizei an. Sie hätten dem Fremden zunächst klargemacht, das Kind nicht nehmen zu wollen, das sei Sache der Polizei. „Dann hatte ich aber Angst, er lässt das Kleine fallen“, sagte einer der Männer. Der Angeklagte habe mehrfach bestätigt, das Opfer sei seine Frau „nach islamischem Recht“ gewesen. Auf die Frage an den Unbekannten, wo er denn herkomme und wer er sei, habe er nur „ich komme aus Koblenz“ gerufen und auf ein Armband des Kindes verwiesen. Dann sei er weggelaufen.

Wenig später wurde der mutmaßliche Täter von der herbeigerufenen Polizei verhaftet. Nur der jüngste Zeuge gab an, den Angeklagten zu kennen und schon vorher einmal gesehen zu haben. Bei seiner ersten Vernehmung hatte der Schüler nichts davon erwähnt. Möglicherweise war er verängstigt, weil die Beamten zunächst ihn für den Gesuchten hielten, als er versucht hatte, diesem nachzulaufen.

Mutter der Getöten steht noch auf der Zeugenliste

Jedenfalls hatte er eine halbe Stunde nach dem Geschehen jenen Mann angerufen, bei dem sich das Opfer mit dem Kind vor der Tat aufgehalten und der sie zum Bahnhof gefahren hatte. Diesen kannte er als Freund oder Bekannten des Angeklagten. Dieser Mann wird am nächsten Verhandlungstag am 9. März vernommen, dazu weitere Personen, die mit dem Angeklagten oder dem Opfer am Tattag zu tun hatten.

Der mutmaßliche Täter selbst habe noch nicht entschieden, ob er sich äußert, gab Verteidiger Dr. Frank Nobis bekannt. Das Gericht erwägt daher, die Großmutter des Opfers und eine Sachbearbeiterin des Jugendamtes zum damaligen Umgangsrecht des 22-Jährigen mit seinem Kind zu hören. Auch die Mutter der Getöteten steht noch auf der Zeugenliste.