Netphen. Netphen erhöht Grundsteuer drastisch, auch Gewerbesteuer wird diskutiert: Das Defizit ist hoch, die Einnahmen brechen ein, die Ausgaben steigen.
Der nächste Schlag lässt nicht lange auf sich warten: Die Stadt Netphen kalkuliert im neuen Haushaltsplan mit einer Grundsteuer von 785 Prozent. Das sind 250 Prozentpunkte mehr als der bisherige Hebesatz von 535 Prozent. Netphen bleibt damit nur knapp hinter Kreuztal zurück, wo sogar eine Anhebung von 460 auf 790 Prozent auf der Tagesordnung steht. Der durchschnittliche Einfamilienhausbesitzer muss damit sich auf rund 160 Euro mehr im Jahr einstellen.
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Auch das nächste Ungemach ist mit der Grundsteuerreform in Sicht. Insgesamt soll die Stadt zwar nicht mehr einnehmen als bisher, die Belastung wird aber anders verteilt. „Dies wird (und soll) bei einigen Steuerpflichtigen zu einer höheren Steuerlast führen“, stellt Kämmerer Christian Walde fest. Gleichzeitig soll der Hebesatz für die Gewerbesteuer von 475 auf 495 Prozent angehoben werden. Übertroffen würde Netphen dann nur noch von Wilnsdorf mit 500 Prozent Gewerbesteuer.
8,3 Millionen Euro Defizit
Das Bild ist allerdings noch unvollständig. Eine ganze Reihe von Städten und Gemeinden haben noch keinen Haushalt verabschieden können, weil sie nach dem Cyber-Angriff auf die SIT keinen Zugriff auf ihre Zahlen hatten. „Wir kommen so langsam wieder an unsere Laufwerke heran“, berichtet Netphens Kämmerer Christian Walde im Gespräch mit dieser Zeitung, „das Zahlenwerk steht.“ Mit der Steuersatzung und einem Blick auf die Eckdaten befasst sich der Rat am Donnerstag, 15. Februar. Verabschiedet wird der Haushalt erst nach den Osterferien am 18. April.
8,3 Millionen Euro Defizit wird der Entwurf des Haushaltsplans aufweisen, das durch eine „globale Minderausgabe“ auf 7,7 Millionen Euro verringert wird. Nach einer geplanten Gesetzesänderung durch das Land sollen Gemeinden sogar zwei Prozent ihrer Ausgaben auf diese Weise aus dem Haushaltsplan verschwinden lassen können. „Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass Einsparungen in solcher Größenordnung auch tatsächlich nachgewiesen werden können“, schreibt der Kämmerer in seiner Vorlage. Zerschlagen hat sich die Hoffnung, dass mit dem neuen Gesetz auch eine andere Grenze fällt: Nach wie vor müssen Kommunen sich in eine auf zehn Jahre erstreckende Haushaltssicherung begeben, wenn sie in zwei aufeinander folgenden Jahren mehr als fünf Prozent ihres Eigenkapitals verbraucht.
Sechs Millionen Euro weniger: Einnahmen brechen ein
Um die mit der Haushaltssicherung verbundenen Einschränkungen zu vermeiden, bleibt nur die Steuererhöhung, stellt der Kämmerer fest: „Unliebsame Entscheidungen über etwaige Hebesatzerhöhungen können nicht vermieden, sondern nur hinausgeschoben werden.“ Denn auch die neue Möglichkeit eines „Verlustvortrags“ auf folgende Jahre helfe nicht wirklich weiter, sie sei ein „reines Verschieben zukünftiger Entscheidungen“. Auch in der Finanzplanung bis 2027 entstehen weitere Defizite von insgesamt 15 Millionen Euro, sodass bis 2027 etwa 41 Prozent des 2022 noch vorhandenen Eigenkapitals verbraucht wären.
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„Ich hätte mir meinen ersten Haushalt auch anders vorgestellt“, sagt der neue Kämmerer. Sogar im letzten Herbst war Christian Walde noch optimistisch, weil die Gewerbesteuern besser sprudelten als erwartet und sich somit auch der Jahresabschluss um bis zu zwei Millionen Euro verbessern wird; ursprünglich eingeplant war ein Defizit von 255.000 Euro. Für dieses Jahr erwartet Walde allerdings einen Einbruch. Nach dem alten Hebesatz hätten nur noch 11,5 statt 135 Millionen Euro eingeplant werden können. Rückläufig sind zudem auch die Einkommensteuern und die Schlüsselzuweisungen des Landes. Insgesamt gehen die Einnahmen der Stadt um sechs Millionen Euro zurück.
Südwestfalen-IT langt nach Cyberangriff jetzt schon zu
„Neuer Höchstwert“ ist bei den Ausgaben mit knapp 23 Millionen Euro die Kreisumlage – falls der Kreistag sich nächsten Freitag auf den Vorschlag des Landrats einlässt; sonst werden es noch einmal fast 700.000 Euro mehr. Von je 100 Euro Steuerertrag, rechnet der Kämmerer vor, gehen mittlerweile 62,33 Euro an den Kreis, nur 37,67 Euro bleiben in der Stadtkasse. Mehr Geld muss die Stadt auch für Zinsen ausgeben, außerdem steigen die Personalkosten vor allem wegen der Tariferhöhung um 1,5 Millionen Euro. Die Südwestfalen IT hat ihren Beitrag um 60.000 auf 250.000 Euro angehoben. Begründet wird dies mit „massiv gestiegenen Mehraufwendungen gerade im Bereich der IT-Sicherheit aufgrund des Cyberangriffs“.
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Die Perspektive für die folgenden Jahre sieht kritisch aus: Ab 2026 müssen mit jährlichen Raten von 200.000 Euro die während der Pandemie „isolierten“ Millionen über die nächsten Jahrzehnte abgestottert werden. Außerdem werden die noch anstehenden Investitionen in Schulen, Hallen, Feuerwehrgerätehäuser und Freizeitpark zu finanzieren sein.
Investitionen in Schulen und Klärwerk
Konkret stehen die Erweiterung des Gymnasiums mit 13,5 Millionen Euro und die laufende Erweiterung der Kläranlage Dreis-Tiefenbach mit 11,8 Millionen Euro an. Noch nicht beziffert ist die Investition in die Grundschule Netphen; über An- und Neubau ist gerade eine Machbarkeitsstudie erstellt worden. Den Planungsauftrag für die Grundschule Dreis-Tiefenbach soll der Schulausschuss in der nächsten Woche vergeben. Zuletzt wurden Kosten von 5,5 Millionen Euro genannt. Weil die Schule aber während er Bauzeit ausziehen muss, wird die Stadt auch Geld für Container ausgeben müssen. Diese werden vermutlich auf dem Parkplatz des Kunstturnleistungszentrums aufgestellt. Als Alternative kämen die Container des Gymnasiums in Frage, wenn diese zum Baubeginn in Dreis-Tiefenbach schon wieder frei sind.
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