Siegen. Von wegen Bildungsmisere: Wenn Kinder und Jugendliche aktiv, kreativ werden können, sieht der Siegener Lehrer Kevin Hörnberger Höchstleistungen.

Die Ergebnisse der PISA-Studie bringen Kevin Hörnberger nicht aus der Ruhe. Der 35-Jährige ist Mathematiklehrer und nach eigenen Angaben größter Ausrichter der First Lego League (FLL) in Deutschland. Bei diesem Wettbewerb, Teil eines weltweiten Bildungsprogramms, sieht er regelmäßig, dass deutsche Schülerinnen und Schüler viel mehr drauf haben, als ihr PISA-geprägter Ruf befürchten lässt. „Man muss ihnen nur die Möglichkeit geben, selbst aktiv und kreativ zu werden“, sagt der Siegener, der zuletzt an der Gesamtschule Eiserfeld unterrichtete und derzeit an der Uni Siegen das Regionale-Projekt „DigiMath4Edu“ leitet.

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Die jüngste PISA-Runde zeichnet kein so gutes Bild. 6100 15-Jährige nahmen daran 2022 in Deutschland teil, im Vergleich der 38 OECD-Staaten (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) lagen die Resultate bei der Lesekompetenz und im diesjährigen Schwerpunktthema Mathematik im Durchschnitt, lediglich in den Naturwissenschaften leicht darüber. Auffallend war allerdings eine klare Verschlechterung gegenüber den Ergebnissen von 2018, auch wenn eine solche in der Mehrheit der OECD-Staaten zu beobachten war und unter anderem auf die Einschränkungen während der Corona-Jahre zurückgeführt wird.

Bei der First Lego League programmieren Schülerinnen und Schüler Lego-Roboter auf die Lösung von Problemen. Auch in Siegen gibt es eine Regionalrunde für den weltweiten Wettbewerb.
Bei der First Lego League programmieren Schülerinnen und Schüler Lego-Roboter auf die Lösung von Problemen. Auch in Siegen gibt es eine Regionalrunde für den weltweiten Wettbewerb. © Siegen | Kevin Hörnberger

Siegen: Kritik an PISA-Studie – Bildungssysteme funktionieren unterschiedlich

Kevin Hörnberger sieht das Ranking kritisch. Die Bildungssysteme der einzelnen Staaten würden sich teils sehr deutlich unterscheiden, was eine Vergleichbarkeit erschwere. Außerdem gebe es Länder, die – anders als Deutschland – bestimmte Schülergruppen gar nicht erst an den Tests teilnehmen lassen würden, wenn deren Sprachkenntnisse als zu gering eingeschätzt werden, um die Aufgaben überhaupt zu verstehen. In wieder anderen Ländern würde die Schulpflicht früher enden, so dass es sich dort bei der Gruppe der 15-Jährigen gewissermaßen schon um eine leistungsfähigere Auswahl handeln würde. Und nicht zuletzt seien die Multiple-Choice-Fragen, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Lösungen ankreuzen müssten, „nicht so, wie es in der Schule läuft“, sagt der Pädagoge. Das Testdesign „verhindert Kreativität“, doch die sei nun einmal ein ganz zentrales Moment, wenn es um Problemlösungs-Kompetenzen geht.

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Bei der First Lego League gewinne er fortwährend einen viel besseren Eindruck von den Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen. Er kann sich auf langjährige Erfahrungen stützen. 2008, als das erste Mal ein FLL-Regionalwettbewerb in Siegen stattfand, betreute er als Oberstufenschüler ein Team. Er engagierte sich weiter in der FLL, übernahm das Projekt vor sechs Jahren vom Berufsbildungszentrum (bbz) der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen. Erst nahm er noch den Wettbewerb der Region Köln hinzu, nun auch noch die Region Wiesbaden. Er kann auf ein Netzwerk von Sponsoren zurückgreifen, ebenso auf einen Pool an Helferinnen und Helfern, auf lokaler Ebene auch sehr auf die Unterstützung des Kreises Siegen-Wittgenstein, der unter anderem Räume an seinen Berufskollegs für die Veranstaltungen zur Verfügung stellt.

Kevin Hörnberger aus Siegen ist größter Ausrichter der First Lego League in Deutschland. Dabei lernt er die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schüler auf eine viel positivere Art kennen, als die PISA-Studie es vermuten ließe.
Kevin Hörnberger aus Siegen ist größter Ausrichter der First Lego League in Deutschland. Dabei lernt er die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schüler auf eine viel positivere Art kennen, als die PISA-Studie es vermuten ließe. © WP | Florian Adam

Genau die Kompetenzen, die Unternehmen bei ihren Auszubildenden sehen wollen.
Kevin Hörnberger - über die Fähigkeiten, die Jugendliche bei der First Lego League unter Beweis stellen

Siegen: First Lego League zeigt Kompetenzen von Schülern in der Praxis

Zwei Herausforderungen haben die Schülerteams der Jahrgangsstufen 5 bis 10 im Segment „Challenge“ (es gibt auch noch „Explore“ für Grundschulkinder und „Discover“ für Vier- bis Sechsjährige) zu bewältigen. Einerseits müssen sie aus Legosteinen und zugehörigen programmierbaren Teilen Roboter bauen, die selbstständig Aufgaben lösen können – etwa Hindernisse in einem Parcours umfahren oder Objekte einsammeln und an vorgegebene Ziele transportieren. Andererseits wird die Erarbeitung eines Forschungsthemas mit anschließender Präsentation verlangt. Die Teams müssen sich dafür beispielsweise mit Weltraumlogistik, Smart Energy oder Verkehrsfragen auseinandersetzen. Dabei können sie sehr konkrete Probleme aus der Lebenswirklichkeit in den Blick nehmen, wie Kevin Hörnberger betont. Ein Team habe etwa mal untersucht, wie sich Verkehrsprobleme in Siegens Innenstadt mindern ließen, wenn die HTS zu einem Ring ausgebaut würde.

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Die Schülerinnen und Schüler müssen also recherchieren, Daten interpretieren und bewerten, kommunizieren und zu „faktenbasierten Entscheidungen“ gelangen, sagt der FLL-Ausrichter: „Das sind genau die Kompetenzen, die Unternehmen bei ihren Auszubildenden sehen wollen – und das, was Schule ihren Erwartungen nach vermitteln soll.“ Die jungen Menschen müssten ein Problem erfassen und zu einer Lösung kommen, mit Rückschlägen umgehen und trotzdem dranbleiben. Dabei zeige sich auch, dass viele Inhalte des Schulunterrichts in der realen Welt unverzichtbar seien. Die Berechnung von Kreisumfängen oder der Satz des Pythagoras zum Beispiel würden sich als höchst nützlich erweisen, wenn fahrbare Roboter sich über eine vorgegebene Fläche bewegen können müssten.

Siegen: First Lego League gewinnt Jugendliche für technische Berufe

Die Rückmeldungen, die er von ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der FLL erhalte, sprächen für den Erfolg des Programms. „Viele sind in technische Berufe gegangen“, berichtet der 35-Jährige, und viele würden die FLL-Erfahrung als Schlüsselerlebnis auf diesem Weg einordnen. Nicht zu vergessen: Die Teilnahme macht auch Spaß, bietet Erfolgserlebnisse und lockt mit besonderen Erlebnissen. Das Deutschland-Österreich-Schweiz-Finale findet 2024 in Davos statt. 2025 ist sogar das Siegerland Austragungsort: Kevin Hörnberger wird es ausrichten.

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