Junkernhees. Im Mai wird das Bundesverwaltungsgericht entscheiden. Die Bürgerinitiative sieht immer mehr Gründe, das Umspannwerk Junkernhees nicht zu bauen.
Seit nunmehr sechs Jahren kämpfen Ansgar Klein und Sascha Reller an der Spitze der Bürgerinitiative Junkernhees gegen den Bau eines Umspannwerks und für eine ortsfernere Trasse der Höchstspannungsleitung, durch die der Netzbetreiber Amprion Strom vom Dortmund-Kruckel nach Betzdorf-Dauersberg leiten will – einer von mehreren Lückenschlüssen der deutschen Nord-Süd-Stromleitungen. Längst ist die Auseinandersetzung eskaliert. Mitglieder der Bürgerinitiative und Stadt Kreuztal klagen gegen das Land und seinen Planfeststellungsbeschluss, über den das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 8. Mai verhandeln wird. Sascha Reller hat nach dem Bund der Steuerzahler nun auch das Recherchenetzwerk Correctiv angefragt, das jüngst das Potsdam-Treffen der rechten Szene („Remigration“) aufgedeckt hat: „Als Bürger allein hast du ja keine Chance.“
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Was Grundstücke in Junkernhees durch Amprion-Stromleitungen wert sind
Was nicht heißt, dass sie es nicht immer wieder versuchen. In diesen Tagen machen sie einen von ihnen sogenannten „Deal“ öffentlich, der Amprion gelungen sei: Bei dem Bemühen, Überspannungsrechte zu bekommen – also das Recht, Stromleitungen über Grundstücke zu spannen –, soll das Unternehmen in einem Fall sehr tief in die Tasche gegriffen haben. Den sechsstelligen Betrag, der für zwei Grundstücke in Junkernhees geflossen ist, habe er sich vom bisherigen Eigentümer bestätigen lassen, berichtet Ansgar Klein.
Der Bodenrichtwert für das etwa einen Hektar große Areal liege unter zwei Euro, hat Sascha Reller herausgefunden. Das wären dann höchstens 20.000 Euro, wenn der Grundstückskauf denn überhaupt erforderlich gewesen wäre. Die Wiese liegt zwischen Schloss und geplantem Umspannwerk, würde eigentlich nur überspannt und somit auch nur den geringen, gesetzlich festgelegten Entschädigungsbetrag wert. Im Gegenzug habe der Eigentümer dem Stromnetzbetreiber aber die Überspannung anderer Grundstücke im Heestal gestattet, weiß die Bürgerinitiative. Amprion hält sich auf Nachfrage bedeckt: „Die Amprion GmbH handelt bei der privatrechtlichen Sicherung von Grundstücken für die Errichtung und den Betrieb der Übertragungsnetzinfrastruktur ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Regelungen. Inhalte von privatrechtlichen Sicherungsvorgängen von Grundstücken kommentieren wir aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht öffentlich.“
Wo jetzt im Heestal für das neue Umspannwerk neu geplant wird
Mit einem anderen Grundstückskauf hat die Auseinandersetzung vor vielen Jahren angefangen: dem Kauf der Dänischen Wiese am Waldrand gegenüber von Schloss Junkernhees, die Standort für das Umspannwerk sein soll, eine Halle mit 60 mal 20 Metern Grundfläche und 15 Metern Höhe. Dass die Frage, wie die beiden 350 Tonnen schweren Trafos und die neuen fast 70 Meter hohen Masten überhaupt ins Heestal gebracht werden sollen, nicht beantwortet sei, hatte die Bürgerinitiative im Planfeststellungsverfahren ohne Erfolg beanstandet. Jetzt aber läuft das von Amprion veranlasste dritte Planänderungsverfahren, für das auch der eigentlich schon Ende 2023 anberaumte Termin beim Bundesverwaltungsgericht verschoben wurde.
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„Dazu hätten sie keine Veranlassung, wenn sie sicher wären, dass sie gewinnen“, glaubt Ansgar Klein. „Die Planänderung kommt nur zustande, weil wir geklagt haben.“ Einerseits. Andererseits, auch das ist die Befürchtung der Bürgerinitiative, könnten die Nachbesserungen dazu führen, dass die Planung insgesamt vor Gericht Bestand hat. Die Karten für die Bürgerinitiative könnten besser stehen: Einen von Klägern beantragten „Eilrechtsschutz“ hat das Bundesverwaltungsgericht im vorigen Jahr abgelehnt.
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Amprion-Umspannwerk: Was im Heestal wirklich passiert
Von etwa drei Metern Breite (Ansgar Klein: „3,17 Meter an der breitesten Stelle“) wird der als Wander- und Radweg gern genutzte Wirtschaftsweg zwischen Hof Wurmbach in Mittelhees und dem Standort des Umspannwerks in Junkernhees „temporär“ auf 5,50 Meter verbreitert. Noch breiter, weil auch für den Trafo-Transport benötigt, wird der weitere Weg bis zur Einmündung in die Kohlenbergstraße: Zehn Meter Breite hat Sascha Reller im Plan gemessen, in der Schleppkurve 25 Meter – im Text des Amprion-Erläuterungsberichts zum Planänderungsverfahren wird das Maß nicht angegeben. Hinzu kommt ein neuer Weg, der vom Geh- und Radweg an der Heesstraße bei Schloss Junkernhees abzweigt, an den beiden ersten neuen Masten vorbeiführt, den Heesbach überquert und in den alten Verbindungsweg einmündet: als Umleitung, wenn der Hauptweg Baustraße ist, und als Baustellenzufahrt.
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Die L 908 am Rand des Tals ist auch nicht viel breiter, sagt Ansgar Klein: „Jetzt ist klar, dass das ganze Tal umgekrempelt wird.“ Zumal die Wege nicht einfach verbreitert, sondern für schwerste Lasten wohl komplett neu aufgebaut und mit einer Böschung abgefangen werden müssen. Dass der Eingriff in die Landschaft keineswegs geringfügig und deshalb ohne Umweltverträglichkeitsprüfung zu genehmigen sei, haben Bürgerinitiative und Stadt Kreuztal in ihrer neuen Stellungnahme festgestellt. Kanal, Wasser- und Gasleitung neben dem Weg dürften nicht überbaut und schon gar nicht von Schwertransporten überfahren werden, sagt Ansgar Klein. Sascha Reller: „Die ganze Wasserleitung muss neu gebaut werden.“
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Das alles, vom Grundstückskauf begonnen, wird teuer. „Wenn das vorher bekannt gewesen wäre, hätte sich die Behörde nicht für diesen Plan entschieden“, glaubt Ansgar Klein. „Man wäre zu dem Schluss gekommen, dass das die allerschlechteste Wahl ist“, sagt Sascha Reller. Günstigere Alternative wäre dann nämlich der Vorschlag von Stadt und Bürgerinitiative: lieber das Umspannwerk in Altenkleusheim erweitern und die „Meiswinkel-Variante“ nutzen, eine Trasse, die weiter vom Heestal entfernt und mit größerem Abstand von Meiswinkel Richtung Eiserfeld und Landesgrenze geführt wird.
Wobei Sascha Reller Zweifel hegt, warum überhaupt von 220 kV (und künftig 380 kV) auf 110 kV umgespannt werden muss: Denn die Edelstahlwerke in Geisweid seien auf das bisherige Umspannwerk auf der Setzer Wiese in Geisweid, das durch den Neubau in Junkernhees ersetzt wird, gar nicht angewiesen. Denn eine andere 110-kV-Leitung verläuft durch die Stadt zum Umspannwerk in Eiserfeld. Abgesehen davon: Die jetzige 220-KV-Leitung durchs Heestal, die durch die 380 kV Höchstspannung ersetzt wird, endet ohne Anschluss an einem Kreuzungsmast in Kreuztal. „Da fließt kein Strom“, folgert Sascha Reller, „das ist eine Totleitung.“ Woran Ansgar Klein die Frage anschließt, „ob eine Leitung von Eiserfeld nach Junkernhees überhaupt Sinn macht“.
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Wie es im Kleinen weitergeht
Neben den großen Fragen stehen die kleinen. Womit nicht die 300 Euro gemeint sind, die ein Grundstückseigentümer dafür bekommt, dass auf seiner Wiese das Stromkabel angelegt wird, während die neuen Masten errichtet werden. Ansgar Kleins Ehefrau Silke fragt hartnäckig nach der „ökologischen Baubegleitung“ („ÖBB“) der bereits begonnenen Arbeiten in Niederholzklau und Meiswinkel, die im Planfeststellungsbeschluss festgesetzt wurden. „Die ÖBB kann ihren Verpflichtungen somit durch vielfältige Mechanismen Rechnung tragen und ist nicht auf die unmittelbare Überwachung vor Ort begrenzt“, antwortet die Bezirksregierung auf den Vorhalt, dass an den Baustellen keine Überwachung feststellbar sei. Dokumentiert werde die Baubegleitung in einem abschließenden Bericht, hieß es weiter. „Aber dann ist alles vorbei“, folgert Ansgar Klein und äußert ein weiteres Mal seinen Zorn über Behörde und Unternehmen: „Die sind sich sicher, dass nichts passiert.“
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