Siegen. Stadt braucht mehr Kindertageseinrichtungen, jederzeit könnten Eltern klagen. Neue Betreuungsplätze schaffen: „In Siegen schwierig und sauteuer“.

Im Jugendhilfeausschuss spricht Sozialdezernent Andree Schmidt von „Bedarfsabdeckung auf hohem Niveau“, als er die Versorgung mit Betreuungsplätzen für Kindergartenkinder beschreibt: „Aber wir brauchen mehr.“ Im Klartext heißt das allerdings: Die Stadt Siegen erfüllt den Rechtsanspruch auf Betreuung nicht. „Eltern haben sich nicht eingeklagt, obwohl sie es vielleicht könnten“, antwortet der Dezernent später auf die Nachfrage von Sebastian Tilch, dem Vorsitzenden des Jugendamtselternbeirats.

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Jahr für Jahr bleiben Kita-Wünsche in Siegen unerfüllt

Um die 140 bis 150 Eltern sind es in der Regel, die am 15. Januar nach Abschluss des Vergabeverfahrens keinen der insgesamt 3739 Betreuungsplätze für ihre Kinder gefunden haben – wie viele es in diesem Jahr sind, ist aktuell nicht herauszufinden, weil die Stadt nach der Cyber-Attacke auf die Südwestfalen-IT keinen Zugriff auf die Daten hat. Die Zahl der unversorgten Eltern und Kinder nimmt erfahrungsgemäß in den nächsten Wochen ab, wenn die Kitas die Betreuungsverträge abschließen. Manche Eltern, die ihr Kind an mehreren Kitas angemeldet haben, können Zusagen und damit Plätze zurückgeben. Andere nehmen das Angebot eines Platzes in einer anderen Kita an oder stellen ihren Betreuungswunsch zurück.

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Wenn es hart auf hart kommt, werden zusätzliche Plätze in bereits gefüllten Gruppen geschaffen oder Tagespflegeangebote gemacht – aktuell für 20 Kinder im Kindergartenalter zwischen drei und sechs Jahren. Klagen konnten so abgewendet werden. „Das ist uns bisher gelungen“, berichtet Andree Schmidt im Gespräch mit dieser Zeitung. Das Oberverwaltungsgericht hätte sonst auch wenig Nachsicht: Die Stadt Bergisch Gladbach wurde im vorigen Jahr verpflichtet, für einen Zweijährigen „unverzüglich“ einen Platz in einer Kita bereitzustellen, drei weitere Klagen waren zu diesem Zeitpunkt anhängig. Das Abweisen von auswärtigen Kindern ist, anders als bei den Schulen, übrigens keine Lösung: Das Gesetz empfiehlt, „nach Möglichkeit“ auch Kinder aufzunehmen, die woanders wohnen. Aktuell besuchen 74 Kinder aus Nachbarkommunen Siegener Kitas, 109 Kinder aus Siegen werden in Umlandgemeinden betreut.

Das ist in Siegen einfach eine schwierige Geschichte und dazu sauteuer.
Andree Schmidt - Sozialdezernent

Kita-Neubau in Siegen-Eiserfeld: Kosten haben sich verdoppelt

Nicht, dass die Stadt keine neuen Kitas bauen wollte – „das ist in Siegen einfach eine schwierige Geschichte“, stellt Sozialdezernent Andree Schmidt fest, und dazu „sauteuer“. Der seit Jahren geplante Neubau neben dem Eiserfelder Hallenbad ist so ein Beispiel: Die Lage direkt an der Sieg, der Baumbestand, schließlich die Erschließung für Rettungsfahrzeuge machten schon die Planung aufwändig, bis endlich im November 2023 die Baugenehmigung erteilt wurde. Die Kommunale Entwicklungsgesellschaft (KEG) der Stadt als Investor hätte dann losgelegt – wenn sich die einst kalkulierten Kosten nicht inzwischen verdoppelt hätten. Jetzt wird der Hauptausschuss beraten müssen, ob die Stadt Geld zuschießt. „Spätestens mit der Verabschiedung des Haushalts“, werde das entschieden sein, kündigt Andree Schmidt an.

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Das sei „einfach nicht zufriedenstellend“, sagt Lisa Bleckmann (Grüne). Er sei „ein bisschen ratlos“, gesteht Heiko Thimm (SPD). Denn am Willen, neue Kitas zu schaffen, fehlt es nicht. Mit einer Ausnahme seien alle Kita-Träger bereit, sich weiter zu engagieren, berichtet Andree Schmidt, zumal die Stadt mit 700.000 Euro zusätzlich rechnet, um die wegen der gestiegenen Personalkosten aufgelaufenen Defizite zu decken. „Die Träger sind natürlich weiter gern dabei“, bekräftigt Felix Dornhöfer (DPWV), „aber es wird zunehmend schwierig.“

Große Kitas

Von den 72 Kitas in Siegen ist die Einrichtung „Wunderkinder“ der freikirchlich-diakonischen „Hilfe zum Leben“ mit derzeit sieben und künftig acht Gruppen die größte.Fünf Gruppen haben die Kitas Waldesruh (AWO), Hengsbachstraße (Diakonie) und Am Lohgraben (Christofferwerk).

Daneben gibt es aber auch kleine Ein-Gruppen-Einrichtungen am Schelderberg in Seelbach (Waldorf), in der Melanchthonstraße (KInderstube), in der Heinbach (ALF), am Güterweg (Wiesenpieper) und in der Formerstraße (Rappelkiste) in Weidenau, in der Allensteiner Straße (Waldritter), in der Eduard-Schneider-Davids-Straße und im Birkenweg (beide AWO).

Größter Träger im Stadtgebiet Siegen ist Ekiks, die evangelischen Kitas des Kirchenkreises, mit 22 Einrichtungen, gefolgt von der AWO (15), DRK und Hilfe zum Leben (beide 4), Alternative Lebensräume (ALF) und Verein für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS, beide 3).

2025 wird es nun werden, bis die neue Eiserfelder Kita in Betrieb gehen kann. Und so lange wird es auch dauern, bis die ehemalige Hüttentalschule so grundsaniert ist, dass die DRK dort eine neue Kita eröffnen kann – derzeit betreibt das DRK dort eine Übergangseinrichtung, nachdem der VAKS mit seiner Kita Oase dort aus- und in den Neubau am Schießberg umgezogen ist. Drei bis vier Vorhaben für Neubauten in verschiedenen Stadtteilen werden derzeit vorbereitet, darunter auch am ehemaligen Kreiswehrersatzamt an der Tiergartenstraße, das inzwischen der KEG gehört. Einzelheiten will die Verwaltung wegen noch laufenden Verhandlungen mit Trägern und Investoren noch nicht öffentlich machen.

Siegen: Manche Kitas sind so groß wie eine kleine Grundschule

Die neuen Kitas werden jedenfalls groß, Einrichtungen von sechs bis acht Gruppen werden auch darunter sein. „Gerade im Ballungsraum machen die großen Einrichtungen Sinn“, sagt Andree Schmidt im Gespräch mit dieser Zeitung, nicht nur wegen des Bedarfs. Große Träger wie die AWO sehen neue Kitas erst mit mindestens vier Gruppen als wirtschaftlich betreibbar. Größte Einrichtung wird aktuell die Kita Wunderkinder des Vereins Hilfe zum Leben, für die nun bereits eine achte Gruppe vorbereitet wird. Sie ist damit mittlerweile so groß wie eine kleine Grundschule – was im konkreten Fall auch passt: Bis zu ihrem Umzug auf den Fischbacherberg im Jahr 2016 befand sich dort die Hammerhütter Schule.

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