Siegen-Wittgenstein. Die „Krankheitswelle“ geht um - immer wieder fällt Kita-Personal in Siegen aus. Gerade die jüngsten Kita-Kinder haben mit den Folgen zu kämpfen.
Von heute auf morgen fallen zwei Erzieherinnen aus. Spontan muss umgeplant werden, damit die Betreuung sichergestellt ist. So oder so ähnlich sieht derzeit oft der Alltag in Siegerländer Kitas aus. „Das ist sehr, sehr schwierig für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Oliver Struwe, verantwortlich für Personal der Abteilung Elementarpädagogik im Bereich Familien-, Kinder- & Jugendförderung bei der AWO Siegen-Wittgenstein/Olpe. Und auch die Kinder haben mit den kurzfristigen Umstellungen zu kämpfen – die jüngeren deutlich mehr als die älteren.
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„Je häufiger es zu einer Notbetreuung kommt, umso kleiner wird das Verständnis bei den Eltern“, schildert Oliver Struwe. Ihren Frust könne er häufig verstehen. „Aber oft sind uns die Hände gebunden.“ Gerade in der kalten Jahreszeit werden gewöhnlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kitas krank, Notbetreuung bleibt da nicht aus. Generell sei die Personalnot in Kitas in Siegen im Vergleich zu Wittgenstein aber noch nicht so groß. „In Bad Berleburg haben wir Probleme, Fachkräfte zu werben“, nennt er ein Beispiel.
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Doch auch im Siegerland wird sich die Personallage absehbar verschärfen: „Einige Einrichtungsleiterinnen gehen in den nächsten fünf Jahren in Rente. Die Nachbesetzung wird schwierig.“ Die AWO ist nun dabei, neue Einrichtungsleiter und -leiterinnen einzuarbeiten und Kitaleitungsstellvertreter auf ihre mögliche zukünftige Aufgabe vorzubereiten.
Langer und steiniger Weg
Der Standardweg zum Erzieherinnen-Beruf ist lang und steinig: Vor Beginn der dreijährigen Ausbildung (zwei Jahre Schule, ein Anerkennungsjahr) muss das Fachabitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung, meist zur Kinderpflegerin, vorgelegt werden. Macht zusammen bis zu fünf Jahre. „PiA“, die „praxisintegrierte Ausbildung“, ist eine Alternative. Die angehenden Fachkräfte sind in den drei Jahren wie Azubis bei den Kita-Trägern angestellt und werden somit für ihre Arbeit auch schon bezahlt.
Generell würde es schwierig, in Zukunft geeignete Fachkräfte zu finden. Immer häufiger würden sich Quereinsteiger auf Fachkräftestellen bewerben, „die bisher anteilig die entsprechende Qualifikation vorweisen und nachgeschult werden müssen“. Das sei eine Chance, die aber gut betreut und begleitet werden müsse.
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Die AWO setzt als größter Kita-Träger im Kreisgebiet mit 60 Einrichtungen und rund 800 Mitarbeitenden bereits auf „Ergänzungskräfte“. Sie haben beispielsweise eine abgeschlossene Ausbildung als Kinderpfleger*in, Sozialassistent*in oder Heilerziehungshelfer*in. „Sie dürfen Kinder von drei bis sechs Jahren betreuen“, erläutert Oliver Struwe. „Wir sind froh, dass es sie gibt.“
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Die Arbeit in einer Kita sei weiterhin attraktiv und abwechslungsreich: „Es ist mehr als Betreuung“, betont Oliver Struwe. Immer wieder geht es auch darum, wie man die Kinder in ihrer Entwicklung fördern kann. Doch auch in dieser Branche gehe viel Zeit für Nebentätigkeiten drauf, die eigentlich woanders besser verwendet werden könnte. „Der Wegfall der 100 Prozentfinanzierung der Alltagshelfer erschwert die Situation diesbezüglich zusätzlich.“
Siegen-Wittgenstein: Corona-Folgen sind in Kitas weiterhin zu spüren
Plötzliche Umstellungen, die sich durch Personalnot ergeben, könnten gerade für Kinder unter drei Jahren schwierig sein, erläutert Oliver Struwe. Sie bräuchten eine besondere Aufmerksamkeit, werden oft in „Nestgruppen“ in den AWO-Kitas betreut. Kommt es zur Notbetreuung, fallen gewohnte Rituale weg und die feste Ansprechperson ist vielleicht nicht da. Gerade die Kleinsten können nicht immer damit umgehen.
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Hierbei komme es aber auch auf das Konzept einer Kita an: Je offener es gestaltet sei, umso leichter kommen in der Regel auch die älteren Kinder mit Veränderungen klar. „Sie freuen sich über andere Spielpartner“, sagt Oliver Struwe.
Die meisten Kinder, die im August in die Kita gekommen sind, haben die Kontaktbeschränkungen der Corona-Pandemie mitbekommen. Bei vielen sei die Beziehung zu den Eltern dadurch intensiver, soziale Kontakte über die Familie hinaus waren nicht immer möglich. Das habe zum Teil dazu geführt, dass die Eingewöhnungszeit in den Kitas bei den Kindern länger dauerte als vor der Pandemie. Viele Eltern seien auch „dünnhäutiger“ geworden, denn durch Corona gab es häufiger Notbetreuungen – ihr Verständnis dafür wurde immer mehr aufgebraucht. „Je häufiger es eine Notbetreuung gibt, desto höher wird der Druck.“
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