Littfeld. Fred Meier war das jüngste Littfelder Opfer der Nazi-Mörder. Am Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz erinnert die Stadt Kreuztal an ihn.
Auf dem Fred-Meier-Platz treffen sich am Samstag, 27. Januar, 14.30 Uhr, Kreuztalerinnen und Kreuztaler, um an ihre von den Nazis ermordeten jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn zu erinnern. Bürgermeister Walter Kiß und Werner Stettner, Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, werden Ansprachen halten, außerdem José Sobrino Ramirez, Vorsitzender des Integrationsbeirates. Der Kinderchor der Adolf-Wurmbach-Grundschule wird singen, danach werden Kränze niedergelegt.
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Blatt Nummer 99 im Krombacher Geburtenregister des Jahrgangs 1939 – das Jahr, in dem der Zweite Weltkrieg begann: Der Krombacher Bürgermeister nimmt Silvester 1939 die letzte Eintragung des Jahres vor. Sie betrifft Fred Meier, der eine Woche zuvor geboren worden ist. Fred Meier war mit einiger Wahrscheinlichkeit der erste Neugeborene mit jüdischen Eltern in dessen Amtszeit. Wunschgemäß trug er für das Baby den Namen Fred ein. Er vergaß auch nicht den seit 1938 obligatorischen „Zweitnamen“, den die Nazis allen männlichen Juden aufzwangen: Israel. So hieß auch Vater Siegfried mit Zusatznamen. Fred Meiers Mutter Minna hatte den Namen „Sarah“ eintragen müssen.
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Was der Bürgermeister und Standesbeamte an diesem Silvestertag nicht kannte, war die verbindliche Liste „jüdischer Vornamen“: Fred gehörte nicht dazu. Amtsbürgermeister Moning, der die Geburt des Jungen pflichtschuldig am 15. Januar 1940 an die „Judenkartei“ der Gestapo gemeldet hatte, bekam von dort Bescheid: Bis zum 3. April sei der Name zu ändern. Darauf reagierte die Gestapo sofort. Mit Eintrag vom 25. Mai 1940 wurde „auf Anordnung der Aufsichtsbehörde“ aus Fred ein „Berl“. Dokumentiert sind übrigens eine Reihe von Vornamensänderungen, die jüdische Bürger von sich aus veranlassten: Für je 5 Mark Verwaltungsgebühr wurde aus Daniel ein Albert und aus Esther eine Gunthilde.
Netphen und Hilchenbach
Ebenfalls am 27. Januar erinnern die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten und die Anita-Ruth-Faber-Sekundarschule in Netphen an die Familien Faber und Lennhoff. Auf dem Petersplatz steht ein Gedenkstein, an der Lahnstraße wurden Stolpersteine vor dem Haus der ehemaligen Metzgerei gesetzt. Seit 2022 trägt die Sekundarschule den Namen des jüdischen Mädchens, das mit 15 Jahren in Auschwitz ermordet wurde.
In Hilchenbach wird am 28. Februar der ermordeten Juden gedacht. An sie erinnert ein Gedenkstein unterhalb der evangelischen Kirche. Am 28. Februar 1943 wurden Gerti Holländer und ihr zehnjähriger Sohn Lothar deportiert; sie waren die letzten Juden in Hilchenbach. Im vorigen Jahr hat der Rat beschlossen, die Erschließungsstraße im neuen Viertel am Unteren Marktfeld nach Gerti Holländer zu benennen.
Von Littfelder Schulkindern verspottet
Zwei jüdische Metzgereien gab es in den 1930er Jahren in Littfeld: die von Raphael Meier, der mit Frau und Schwester 1942 deportiert wurde, und die von Adolf Meier, Freds Großvater. In ihrem Haus befand sich auch ein Gebetsraum. Beide Familien sind Ende des 18. Jahrhunderts nach Littfeld gekommen. Überliefert ist die Hetze im Naziblatt „Der Stürmer“ nach der Feuerwehrübung 1934. Die dort hinterher gereichte Wurst habe „scheußlich“ geschmeckt: „Kein Wunder auch: Sie war von den Judenmetzgern.“
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Fred Meier war das jüngste Mitglied der jüdischen Gemeinde in Littfeld. „Die Littfelder Schulkinder sollen dem kleinen Fred Meyer oft ‚Jüdche! Jüdche!‘ hinterher gerufen haben, wenn seine Mutter mit ihm an der Schule vorbeigegangen ist“, haben Jugendliche des Littfelder Jugendtreffs Glonk herausgefunden, die in einer Broschüre an die Juden in Littfeld erinnern und jährlich die an sie erinnernden Stolpersteine polieren.
Am 28. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert
Am 28. Februar 1943 gehen Minna und Siegfried Meier den schweren Weg zum Littfelder Bahnhof, ihren dreijährigen Sohn Fred schieben sie in einer Schubkarre vor sich. Noch am Bahnsteig entreißt ein SS-Mann den Jungen seiner Mutter. Es ist nicht genau überliefert, ob die Familie getrennt oder zusammen ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde.
Elf Jahre nach der Eintragung der Geburt war es wiederum der Standesbeamte in Krombach, der die Aufgabe hatte, den Tod von Fred Meier zu registrieren. Am 27. Dezember 1950 beurkundete er den Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 14. Juli desselben Jahres. Als Todestag gilt seither der 8. Mai 1945, der Tag des Kriegsendes. Für tot erklärt wurde „Berl“ Meier.
Seit 1983 Gedenken auf dem Fred-Meier-Platz
Am 30. Januar 1983, dem 50. Jahrestag der Machtergreifung durch die NSDAP, wurde der Platz vor dem Feuerwehrgerätehaus nach Fred Meier benannt. Seitdem finden dort jährliche Gedenkstunden statt – seit 1996 am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz.
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Im Littfelder Kinder- und Jugendtreff Glonk, der sich an den jährlichen Gedenkstunden beteiligt, sind eine Instagram-Story und eine Broschüre über Fred Meier und die anderen Littfelder entstanden, die von den Nazi-Gewaltherrschern ermordet wurden und an die seit 2013 mit Stolpersteinen erinnert wird. Umgebracht wurden von den Nazis Fred und seine Eltern Minna und Siegfried Meier. Hugo Meier, der jüngste Bruder von Siegfried, konnte nach Palästina emigrieren. Auch an Siegfrieds Vater Adolf, dessen Schwester Sarah, Grete Meier, ihre Mutter Toni, ihre Geschwister Berthold und Rosa, Bertholds Onkel Raphael, dessen Ehefrau Johanna und seine Schwägerin Eva Marx erinnern Stolpersteine. Nur Berthold überlebte auch noch, er starb 1999 in New York. Fred Meier hätte Heiligabend 2023 seinen 84. Geburtstag gefeiert,
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