Netphen. Anita oder/und Ruth? Der Streit in Netphen, mit welchem Vornamen an das ermordete jüdische Mädchen erinnert werden soll, wurde zunehmend bizarr.
Anita-Ruth-Faber-Sekundarschule der Stadt Netphen. Das wird der neue Name der Sekundarschule, den der Rat jetzt gegen die Stimme des Bürgermeisters und bei drei Enthaltungen der UWG-Fraktion beschlossen hat. Die Diskussion darüber war zuvor im Schulausschuss erfolgt.
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Die Schule selbst hatte zunächst „Ruth-Faber-Sekundarschule“ heißen wollen – dass dabei der Rufname „Anita“ untergegangen wäre, war auf Widerspruch gestoßen. Anita Faber ist in Netphen als Tochter einer jüdischen Metzgerfamilie aufgewachsen. Die Familie wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1943 im KZ Auschwitz ermordet. Anita Faber wurde 14 Jahre alt.
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„Wir hielten den Namen ‘Ruth’ für gut“
Mit dem Beschluss, den CDU, SPD, Grüne und FDP gemeinsam beantragt hatten, solle „in keiner Weise“ die Wahl der Sekundarschule kritisiert werde, betonte Schulausschussvorsitzende Silvia Glomski (Grüne) im Schulausschuss, vorgenommen werde nur um eine „nachträgliche Ergänzung“. In der Geburtsurkunde ist tatsächlich Anita Ruth Faber eingetragen. Erst auf dem 2012 gesetzten Stolperstein in der Lahnstraße wurde die Reihenfolge der Vornamen verändert.
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Ignatz Vitt (UWG) war gegen die Namensänderung. Der Schulausschuss habe der „Ruth-Faber-Sekundarschule“ im September 2022 zugestimmt – dass dieses Votum nicht verbindlich war, weil die Schulkonferenz zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht getagt hatte, sei nicht deutlich geworden. Bürgermeister Paul Wagener war dafür, die Wahl der Schule zu akzeptieren. „Sonst kann man sich die Beteiligung der Schule auch schenken.“ Im übrigen komme es „nicht auf die historischen Tatsachen an, sondern auf die Botschaft“. Schulleiterin Andrea Benito sah die Namensgebung als Teil der „Erinnerungskultur“, die die Jugendlichen seit langer Zeit an der Schule aufbauen: „Wir hielten den Namen ‘Ruth’ für gut.“ Andrea Benito gab auch einen möglichen unliebsamen Effekt des neuen Namens zu bedenken: Daraus könne eine „RAF“-Sekundarschule werden – die „Rote Armee Fraktion“ steht für den Terrorismus in Deutschland von den 1970er bis Ende der 1990er Jahre.
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„Anne Frank hat auch nicht Anne Frank geheißen“
„Es wäre schön gewesen, wir hätten alle Fakten auf dem Tisch gehabt“, sagte Anne Höfer (Grüne). Es handele sich um ein „hochsensibles Thema“. Schließlich seien jüdischen Menschen in der NS-Diktatur auch die Namen weggenommen worden – Männer mussten ab 1938 den zusätzlichen Vornamen „Israel“, Frauen den Vornamen „Sarah“ annehmen: „Es geht darum, an dieses Leid zu erinnern.“ Ignatz Vitt (UWG) sah dagegen in der neuen Entscheidung „eine Blamage für den Schulausschuss“. Tobias Schattenberg (CDU) erinnerte an die ehemalige Anne-Frank-Hauptschule in Dreis-Tiefenbach: „Anne Frank hat auch nicht Anne Frank geheißen“ – sondern Annelies Marie Frank. „Das ist unglücklich gelaufen“, sagte Manfred Heinz (SPD) und äußerte Unbehagen: „Wir kommen hier in eine eigenartige Diskussion.“
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