Dreis-Tiefenbach. „Alles, was hier im Laden steht, wäre weggeworfen worden, wenn wir es nicht gerettet hätten“: Sven Stettner macht in Dreis-Tiefenbach weiter.
Auf den ersten Blick wirkt der Laden von „Laib & Seele“ wie die Kombination aus einer Bäckerei und einem Getränkemarkt. Vorne liegen Backwaren auf einer Theke aus, hinten stapeln sich Getränkekisten und Flaschen von bekannten und unbekannten Marken. Man kann erahnen, dass hier bald ein kleiner Markt entstehen soll. Ein Markt, der Backwaren und Getränke verteilt, die abgelaufen sind oder aus anderen Gründen nicht mehr verkauft werden dürfen. Sven Stettner, der Betreiber des Ladens, läuft auf und ab, räumt Waren in die Regale oder erklärt Besuchern das Konzept: abgelaufene Getränke werden zur Hälfte des Ladenpreises verkauft, Backwaren sogar kostenlos abgegeben, mit der Bitte um eine freiwillige Spende. Dafür steht ein kleines pinkes Sparschwein auf einem Regal neben dem Ausgang.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
„Alles, was hier im Laden steht, wäre weggeworfen worden, wenn wir es nicht gerettet hätten“, erklärt Sven Stettner. Seit 18 Jahren setzt er sich dafür ein, Lebensmittel zu retten, die noch genießbar sind – nicht immer war das einfach. „Ich hatte in der Vergangenheit oft zu kämpfen, weil ich Menschen nicht gut einschätzen kann.“ Sven Stettner hat das Asperger-Syndrom, das es ihm schwer macht, die Verhaltensweisen seiner Mitmenschen zu verstehen. Ein Streit mit anderen Mitgliedern des von ihm gegründeten Vereins Laib & Seele war im vergangenen Jahr eskaliert, Stettner verlor daraufhin den Vorstandsposten. Einen danach im Westerwald gegründeten Laden musste er schließen, weil er rechtliche Vorgaben nicht einhalten konnte. „Das waren harte Zeiten und mir ging es da oft auch nicht so gut. Das war für mich und meine Familie nicht einfach“, erzählt er.
Gemeinnütziges Unternehmen „Laib&Seele“ in Netphen: Neuer Laden öffnet Ende Januar
Der Laden, den er jetzt an der Feldwasserstraße 33 in Dreis-Tiefenbach aufbaut, ist für ihn ein Neustart. Nur steckt jetzt nicht mehr „Laib&Seele e.V.“ dahinter, sondern „Laib&Seele – Upcycling&More gUG“, ein gemeinnütziges Unternehmen, das Sven Stettner alleine gehört. Ende Januar soll der Laden offiziell seine Tore für die Öffentlichkeit öffnen. „Aber bevor wir öffnen, müssen wir erstmal Ordnung in den Laden bringen. Wir bekommen immer mehr Waren geliefert und die müssen irgendwo hin. Unsere Lagermöglichkeiten sind hier sehr begrenzt“, sagt er. Die abgelaufenen Getränke bekommt Laib&Seele von einem lokalen Getränkemarkt, die Backwaren von einem kleinen Bäcker aus Wenden.
Obwohl der Laden offiziell noch nicht geöffnet hat, können Interessierte auch jetzt schon Lebensmittel bekommen. Jeden, der an den Türen vorbeigeht, spricht Sven Stettner an. „Wollt ihr kostenlos Brot? Wir beißen auch nur manchmal“, sagt er dann lachend. Einige nehmen das Angebot an und schauen sich um, während Sven Stettner ihnen das Konzept erklärt. Viele Jahre hat er im Vertrieb gearbeitet. „Menschen begeistern kann ich gut“, sagt er. Wenn jemand etwas kauft, trägt Sven Stettner die Summe in eine Liste ein. Eine Registerkasse gibt es nicht.
Für den neuen Laden von „Laib&Seele“ in Netphen werden noch Ehrenamtliche Helfer gesucht
Am Ende muss der neue Laden Geld einnehmen. „Wir müssen hier jeden Monat Miete bezahlen und deswegen müssen wir unsere Waren unter die Leute bringen“, erklärt Stettner. Eine Hilfe wären ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die ihn entlasten könnten. „Ein kleines Team gibt es zwar, momentan mache ich aber ungefähr 80 Prozent der Arbeit allein. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Helfern, die anpacken können“, erklärt er. Den Januar hat Sven Stettner noch Urlaub. Ab Februar arbeitet er wieder voll. Ab dann kann er nur noch neben seinem Job im Laden helfen. „Und meine Familie will ja auch noch was von mir haben.“
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++
Einen Plan B gibt es nicht. „Ich schaue mal, wie es diesmal läuft. Lebensmittel zu retten ist mir wichtig und ich war immer ein unerschütterlicher Optimist. Aber ich habe meiner Frau versprochen, damit aufzuhören, wenn das hier nicht klappt“, erzählt er. Ein Sprichwort beschreibt sein Leben besonders gut, sagt er: „Mitleid bekommst du geschenkt, Neid musst du dir verdienen.“