Dreis-Tiefenbach. Bei den Lebensmittelrettern von „Laib & Seele“ brodelt es: Vereinsmitglieder sagen sich vom Vorstand los und nehmen Teile der Lebensmittel mit.
Beim Verein „Laib & Seele“ tobt ein offener Streit. Am Donnerstagabend musste die Polizei vermittelnd eingreifen, als der Konflikt öffentlich zu eskalieren drohte: Einige Vereinsmitglieder wollten gespendete Lebensmittel aus dem Ladenlokal in der Feldwasserstraße holen, um sie dem Einflussbereich des Vorsitzenden zu entziehen. Der allerdings hatte kurz zuvor die Schlösser auswechseln lassen.
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Gespendete Lebensmittel dürfen nicht verkauft werden
Der Verein „Laib & Seele“, vor etwas mehr als anderthalb Jahren mit christlichem Hintergrund gegründet, möchte noch genießbare Lebensmittel vor der Entsorgung bewahren, die in Geschäften nicht mehr verkauft werden – etwa, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum kurz vor Ablauf steht oder Artikel aus anderen Gründen aussortiert werden. Außer Dreis-Tiefenbach gibt es noch Ausgabestellen unter anderem in Neunkirchen und Brachbach. Drei Mal pro Woche ist für jeweils zwei Stunden geöffnet, einige Hundert Menschen nehmen das Angebot in Anspruch. Viele sind knapp bei Kasse, Rentnerinnen und Rentner, Geflüchtete, auch Studierende kommen vorbei. Weil die Grundidee aber ist, Lebensmittel vor einer verfrühten Vernichtung zu bewahren, können Leute unabhängig von ihrer finanziellen Lage etwas abholen. Da die gespendeten Artikel nicht verkauft werden dürfen, geht das umsonst; das Team bittet jedoch um eine Spende, weil Kosten wie Miete oder auch Zuschüsse für die im Privatauto unterwegs seienden Fahrerinnen und Fahrer anfallen.
Kritik an Vorstand: Bereicherung
Konflikte, das wird im Gespräch mit Beteiligten deutlich, gab es hinter den Kulissen schon länger. Anteil hat daran offensichtlich die Konstruktion, dass der Vorstand mit Sven Stettner nur aus einer einzigen Person besteht. Vereinsmitglieder werfen ihm vor allem vor, sich illegal bereichert zu haben: Er habe sich ein Gehalt ausgezahlt. Laut Paragraf 181 Strafgesetzbuch wäre das aber ein sogenanntes Insichgeschäft und damit verboten: Denn es ist nicht zulässig, beispielsweise als Vertreter eines Vereins ein Geschäft mit sich selbst abzuschließen. Laut Vorwurf geht es um insgesamt etwa 13.000 Euro.
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Der zur Debatte stehende Sachverhalt sei „teilweise korrekt“, räumt Sven Stettner im Gespräch mit dieser Zeitung ein. Er habe die Satzung bei Gründung von „Laib & Seele“ von einem anderen Verein übernommen inklusive eines „fatalen Fehlers“: Der Zusatz „§ 181 kommt nicht zur Anwendung“ hätte aufgenommen werden müssen. Eigentlich sei er Immobilienmakler, berichtet Sven Stettner, doch um „Laib & Seele“ aufbauen zu können, „habe ich diese Tätigkeit an den Nagel gehängt“, außerdem habe er privates Geld in den Verein gesteckt. Schließlich sei es für die Familie – er hat eine Frau und vier Kinder – finanziell eng geworden. Er hätte also entweder weniger Zeit in die Vereinsarbeit investieren oder auf andere Art Einkommen generieren müssen. Eine Anwältin habe ihm dann bestätigt, dass er sich zwar als Vorsitzender kein Gehalt für Vorstands- oder Geschäftsführertätigkeiten zahlen dürfe, wohl aber für seine umfangreiche Arbeit im Social-Media-Bereich zugunsten von „Laib & Seele“. Das habe sich als Irrtum herausgestellt. Er habe dem Verein daraufhin angeboten, die Summe in Raten zurückzuzahlen.
Vorwurf: Verein sollte „gemeinnützige Unternehmergesellschaft“ werden
Vereinsmitglieder hätten Anzeige gegen den Vorsitzenden erstattet, sagt Joachim Baltes gegenüber der Redaktion. Er ist ehrenamtlich als Fahrer tätig und führte am Donnerstag in der Feldwasserstraße für die Gruppe die Gespräche mit den Polizeibeamten, um die Lage zu klären. Es habe bereits vor einiger Zeit Vorschläge gegeben, einen neuen Vorstand aus fünf Personen zu bilden. Sven Stettner habe dies aber abgelehnt. Was dieser bestätigt: Seiner Darstellung nach hätte er nämlich seinen Posten räumen, dem Verein aber alle seine Kontakte überlassen sollen – und diese seien, so sagt er, ausschlaggebend für den Erfolg von „Laib & Seele“, weil dadurch Händler und Märkte aufgesprungen seien, die Waren zur Verteilung spenden.
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Ein weiterer Punkt, der laut Joachim Baltes zum Zerwürfnis führte, sei eine von Sven Stettner vorgelegte Satzungsänderung gewesen, die zu einem Übergang des Vereinseigentums in das Eigentum einer „gemeinnützigen Unternehmergesellschaft“ (gUG) von Sven Stettner geführt hätte. 45 von 51 bei der entsprechenden Versammlung anwesenden Vereinsmitgliedern (insgesamt sind es fast 190) hätten dagegen gestimmt, nur drei mit „ja“. Im Falle einer solchen Änderung der Geschäftsführer sich ein Gehalt auszahlen dürfen. Sven Stettner hingegen betont, es sei nicht um eine Verschmelzung gegangen, sondern um „enge Zusammenarbeit. Immerhin tragen beide (Verein und bereits zuvor bestehende gUG, Anmerkung der Redaktion) denselben Namen.“
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Sven Stettner räumt ein, dass es Schwierigkeiten in der Kommunikation gegeben habe. Er sei „Asperger-Autist“, und damit gehe er auch offen um. „Ich kann keine Emotionen lesen.“ Seine Stärken lägen in anderen Bereichen, aber nonverbale Kommunikation zu verstehen, falle ihm schwer, und darauf sei im Verein oft keine Rücksicht genommen worden, obwohl sich Missverständnisse sonst hätten vermeiden lassen. Allerdings sei er nicht überall angeeckt. Es handele sich nicht um einen Konflikt „Vereinsmitglieder gegen Vorstand“, sondern von zwei Lagern. „Hinter mir stehen etwa 50 Mitglieder“, weitere 50 seien unparteiisch, die anderen seien mit ihm nicht einverstanden.
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Mitglieder wollen neuen Verein gründen
„Es war nicht die feine Art von mir, die Schlösser auszutauschen“, sagt Sven Stettner über die Eskalation am Donnerstag. Rechtlich sei das zwar okay gewesen, weil der Vermieter den Vertrag mit dem Verein auf die gUG geändert habe, er somit alleiniges Hausrecht hatte. Die Vereinsmitglieder – ob deren Zahl auf um die 40 oder über 70 geschätzt wird, hängt davon ab, wen man fragt – hätten lediglich sicher stellen wollen, dass die gespendeten Lebensmittel nicht von der gUG verkauft werden; tatsächlich, das bestätigt Sven Stettner, sei ein Verkauf unter dem Ladenpreis deren Erlösmodell. Etwa 40 Prozent der Artikel, erzählt Joachim Baltes, hätten die Mitglieder nach Vermittlung der Polizei zunächst mitnehmen können. Diese seien nun zwischengelagert und sollen einem noch zu gründenden neuen Verein übergeben werden. „Aber mit anderem Namen“, sagt Joachim Baltes, „,Laib & Seele’ ist verbrannt.“ Andere Fragen „werden zivilrechtlich zu klären sein.“
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