Siegen. Alles mit dem Smartphone statt Urlaub nehmen und ins Rathaus gehen: Wenn die Computer wieder laufen, soll Siegen digital eine Schüppe drauflegen.
Die Bürgerbüros sollen digitaler werden und damit bürgerfreundlicher. Aktuell ist das Thema wegen des Cyberangriffs schwierig umzusetzen; generell sei es unabhängig davon aber im Sinne der Stadtverwaltung, hatten sechs Ratsfraktionen in einem gemeinsamen Antrag argumentiert: Denn die ist zunehmend gebeutelt von Personalmangel. Je mehr Dienstleistungen die Bürgerinnen und Bürger selbst online erledigen können, desto stärker entlaste das die Verwaltung: „Die Leute nehmen heute das Handy, um banale Dinge zu tun, für die sie früher Urlaub nehmen und ins Rathaus gehen mussten“, so CDU-Mann André Hähner im Rat. Hier wolle man noch eine „Schüppe drauflegen“.
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Grundsätzlich würden CDU, SPD, Linke, GfS, FDP und Volt mit der allgemeinen Stoßrichtung ihres Antrags offene Türen einrennen, sagte Stadtrat Arne Fries in der vergangenen Sitzung. „Wir sind genau auf diesem Weg“. Allerdings sei es auch bei gutem Willen nicht immer möglich, hier so zu agieren, wie die Stadt das idealerweise gern hätte. Im Einwohnermeldewesen beispielsweise habe man als Kommune keinen Einfluss darauf, wie man hier die Prozesse umsetze – „da, wo wir das können, tun wir es“, versicherte Fries. Wegen der teils komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen hatte es beispielsweise zuletzt auch länger gedauert, bis die Kreisverwaltung eine Übergangslösung für die Kfz-Zulassungsstelle anbieten konnte.
Im digitalen Bürgerbüro Siegen soll alles auch online funktionieren – alles
Beantragt und beschlossen wurde in Siegen unter anderem, bis Mitte 2024 ein „digitales Bürgerbüro“ zu planen – alle Dienstleistungen und Angebote, für die die Menschen in normalen Zeiten in eines der vier Bürgerbüros gehen müssen, sollen demnach online zur Verfügung stehen und digital abgewickelt werden können, mit Hilfe von beschreibbaren pdf-Dokumenten etwa. Formulare online herunterladen, ausdrucken, ausfüllen und per Post ins Rathaus schicken sei mit Digitalisierung nicht gemeint, hieß es aus der Politik – es gehe um den gesamten Prozesses, vom Erstkontakt bis zum Abschluss.
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Dazu braucht es auch eine „Dokumenten-Ausgabebox“, in der alle Unterlagen unabhängig von Öffnungszeiten abgeholt werden können, so wie es den Menschen in ihre ganz individuelle Terminplanung passt. Die muss gewisse Standards erfüllen, vor allem hinsichtlich der Sicherheit: Es handelt sich schließlich um wichtige Unterlagen, die nur für die berechtigte Person erreichbar sein dürfen. Diese Box „ist unser fester Wille“, bekräftigte Fries, „sie muss aber auch gut bewacht sein“. Und sie koste Geld – allein das Gerät wohl rund 15.000 Euro, dazu der Betrieb und auch für einen geeigneten Standort, idealerweise an einer gut erreichbaren Stelle mit viel Publikumsverkehr, werde die Stadt wohl Geld zahlen müssen. Fries bat um mehr Zeit als bis Mitte 2024 – die Personaldecke in den Bürgerbüros und auch der städtischen IT-Abteilung sei „nicht so einfach“.
Künstliche Intelligenz in Siegener Rathäusern: „Lassen andere die Fehler machen“
SPD-Fraktionschef Detlef Rujanski mahnte angesichts der eher zögerlichen Reaktion, dass die Stadt bitte anfangen möge. Es gehe um das Ziel, die Nahtstelle zwischen Bürgerschaft und Verwaltung da wo möglich zu verbessern. Ja, das müsse auch geplant werden, aber „man muss es auch irgendwann mal umsetzen“. Diese Punkte in die Tat umzusetzen „kann doch nicht so schwer sein!“
Künstliche Intelligenz (KI), ebenfalls als mögliches Hilfsmittel genannt, etwa als ein „Chatbot“ für Anfragen an die Verwaltung, sei indes wenig geeignet, den Bürgerservice zu verbessern, sagte Bürgermeister Steffen Mues: Erste Erfahrungen von Kommunen, die die Software einsetzen, hätten mit einer Fehlerquote von mindestens 50 Prozent zu kämpfen. Was nicht bedeute, dass KI künftig nicht doch auch in Siegen eingesetzt werde – „wir lassen andere erstmal die Fehler machen“.
Stadtverwaltung Siegen von Personalknappheit und Arbeitsüberlastung gebeutelt
Mehrfach verwies der Verwaltungsvorstand in Stellungnahmen zu Projektanträgen aus der Politik auf Personalknappheit und Arbeitsüberlastung – zusätzliche Arbeitsaufträge könnten demnach nicht immer wie gewünscht umgesetzt werden.
So hatte Volt beantragt, eine Klima-Risiko-Analyse für Siegen durch ein externes Fachbüro erstellen zu lassen, auf dessen Basis dann ein „Anpassungskonzept für einen klimaresilienten Stadtumbau“ erarbeitet werden solle – etwa mit Flächenentsiegelung, mehr Grün-, Schatten- und Wasserflächen, um „Hitzeinseln“ in der Stadt zu vermeiden. Kosten und Nutzen stünden hier aber in keinem Verhältnis, warnte Stadtbaurat Henrik Schumann – das Konzept bedeute „enormen Aufwand“, die Erstellung bedeute mehr Personal für die Stabsstelle Klimaschutz, die bereits „am Anschlag“ arbeite. Ähnlich wie beim Digitalen Bürgerbüro: Die Verwaltung mache vieles von den Vorhaben sowieso schon, entsprechend bedeute dieses Vorhaben lediglich zusätzliche Mehrarbeit ohne wirklichen Nutzen. „Klimaschutz ist immer unser Handlungsleitfaden.“ Der Antrag wurde in den Umweltausschuss verwiesen, zur Erleichterung des Stadtbaurats: „Wir wissen nicht, wie wir das hätten erledigen sollen.“ Selbst wenn ein externes Büro die Arbeit übernehme, bedeute das erheblichen Aufwand.
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Ähnlich die Reaktion auf einen Vorschlag der Grünen, ein Duales Studium für Bauingenieure bei der Stadt zu etablieren, um Nachwuchskräfte in diesem besonders drängenden Bereich zu gewinnen und zu halten. „Wir kommen in die Situation, dass die Verwaltung Arbeitsaufträge nicht erfüllen kann“, sagte Fraktionsvorsitzender Michael Groß. „Und das wird schlimmer. Die geburtenstarken Jahrgänge sind noch gar nicht in Rente.“ Er sehe in diesem Ansatz derzeit keine Vorteile, entgegnete Dirk Helmes als Leiter der Personalabteilung: Die Stadt setze bei den Bauingenieuren auf Werkstudierende, damit gebe es sehr gute Erfahrungen. Künftig könne sich das wieder ändern, der Aufwand dieses Ausbildungsgangs sei derzeit aber zu groß.