Hilchenbach. Der Hilchenbacher Kampf gegen die Rechtsextremen im Haus Dammstraße 5 eskaliert weiter. Es gibt Gerichtsurteile. Der Staatsschutz legt Hand auf den Vorgang.

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis aufgenommen. Anlass ist die Strafanzeige, die der Gebietsvorsitzende der rechtsextremistischen Partei „Der 3. Weg“ gestellt hat. Julian Bender hatte den Text am 1. April auf dem Hilchenbacher Marktplatz vorgetragen: Demnach seien dem Bürgermeister „Untreue“ und „Nötigung“ bei seinem Bemühen vorzuwerfen, das von der Partei genutzte Haus Dammstraße 5 in das Eigentum der Stadt zu überführen.

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Im Rathaus wurden Akten und Mailverkehr beschlagnahmt – anscheinend auch in digitaler Form, da auch die Südwestfalen IT (SIT) an der Durchsuchung beteiligt wurde. Mittlerweile hat sich die Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums Hagen eingeschaltet. Sie will, dass die „oberste Dienstbehörde“ bei der Staatsanwaltschaft die Hand auf das beschlagnahmte Material legt – entgegen der Auffassung der Polizei ist das nach Ansicht der Stadt nicht der Rat, allenfalls die Kreisverwaltung, wahrscheinlich aber das Innenministerium. Durch eine solche „Sperrerklärung“ würde die Verwendung verhindert. Nach Strafprozessordnung ist das möglich, wenn „das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde.“ Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis informiert den Rat darüber in der nicht öffentlichen Sitzung am Mittwoch, 22. November. Gegenüber dieser Zeitung wollte Kaioglidis sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.

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So fing alles an

Am 14. Dezember 2021 haben der Gebietsvorsitzende des 3. Weges und der in Bayern lebende Eigentümer des Hauses Dammstraße 5 beim Notar einen Kaufvertrag beurkunden lassen. Die Stadt Hilchenbach erfuhr davon am 1. März 2022, als der Notar die Bescheinigung einforderte, dass die Stadt kein Vorkaufsrecht ausübe. Genau das machte die Stadt aber geltend, leitete zudem eine Änderung des Bebauungsplans ein, das das Grundstück zum Standort für eine Flüchtlingsunterkunft macht. Eine ganze Reihe von Prozessen begann – bis es der Stadt am 12. Oktober 2022 gelang, ihrerseits das Haus Dammstraße 5 zu kaufen.

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Dagegen klagte der Funktionär des 3. Weges. Dieser sei durch die Stadt Hillchenbach „vorsätzlich sittenwidrig“ geschädigt worden, befand das Oberlandesgericht Hamm und veranlasste in einer Eilentscheidung, dass im Grundbuch eine „Auflassungsvormerkung“ zu seinen Gunsten eingetragen werde – allerdings mit der Einschränkung, dass sich im Hauptsache-Verfahren „etwas anderes ergeben“ könne. Der Prozess um den doppelten Verkauf des Hauses, der möglich wurde, weil der Gebietsvorsitzende des 3. Weges bis dahin nicht als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen war, wird vor dem Landgericht Siegen geführt.

Über 300 Menschen demonstrieren in Hilchenbach am 2. September 2023 gegen den Auftritt des rechtsextremistischen „3. Wegs“. 
Über 300 Menschen demonstrieren in Hilchenbach am 2. September 2023 gegen den Auftritt des rechtsextremistischen „3. Wegs“.  © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Das neue Urteil des Verwaltungsgerichts

Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht Arnsberg nun am 30. Oktober im Prozess um das Vorkaufsrecht entschieden. Die 8. Kammer stellt fest, dass der Vertreter des 3. Weges keinen Anspruch mehr auf die Bescheinigung habe, die er seit März 2022 einfordere, und auch nicht mehr gegen das von der Stadt ausgeübte Vorkaufsrecht vorgehen könne. Schließlich sei nicht er, sondern die Stadt Eigentümer sei. Ausdrücklich stelllt das Gericht aber fest, dass die Stadt mit dem Ausüben des Vorkaufsrechts „rechtswidrig“ gehandelt habe. An dieser Feststellung habe der Kläger, also der Gebietsvorsitzende des 3. Weges „das erforderliche besondere Interesse“.

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Dieses Interesse sieht das Verwaltungsgericht in dem Rechtsstreit, den der Parteifunktionär wegen des doppelten Verkaufs des Hauses führt. Es genüge „die ernstliche Absicht, einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung geltend zu machen“. Die werde dadurch belegt, dass er seinen Anspruch auf Eigentumsübertragung bereits ins Grundbuch habe eintragen lassen („Auflassungsvormerkung“). „Der Kläger habe glaubhaft dargelegt, dass ihm durch die (...) Ausübung des Vorkaufsrechts ein Schaden jedenfalls in Höhe zu erbringender Bereitstellungszinsen für ein Darlehen im Hinblick auf die Kaufpreiszahlung – entstanden sei und er einen Amtshaftungsprozess gegen die Beklagte anstrengen werde“, heißt es in der Mitteilung des Verwaltungsgerichts. Der Rat wird nun darüber entscheiden, ob die Stadt gegen dieses Urteil in Berufung geht.

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In derselben Sitzung wird der Rat übrigens entscheiden, das Haus Markt 12 – eines der beiden Sparkassengebäude, das in den Besitz der Bürgerstiftung übergeht – dauerhaft zu mieten. Über der Touristikinformation sollen Verwaltungsbüros eingerichtet werden. Im Moment wohnen dort Geflüchtete aus der Ukraine – für die Stadt eigentlich das Haus in der Dammstraße 5 gekauft hat.

Das ist der Stand der Dinge

Der 3. Weg wird an dem weiterhin von ihm genutzten Haus weiterhin wenig Freude haben. Das Verwaltungsgericht hat in einem weiteren Verfahren die vom Kreis ausgesprochene Nutzungsuntersagung als Parteibüro, Kleiderkammer und „Tiertafel“ bestätigt; ausdrücklich zugestanden hatte das Verwaltungsgericht lediglich „Versammlungen“ der Partei. Nach geltendem Bebauungsplan sei die Nutzung unzulässig, hatte die Bauaufsicht des Kreises befunden.

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Der Nutzer des Gebäudes stellte daraufhin einen Bauantrag, den die Kreisverwaltung auf Antrag der Stadt Hilchenbach zurückstelle; auch dagegen klagte der Nutzer. Das Vorgehen der Behörde sei zulässig, befand das Gericht. Der Zeitraum, über den die Entscheidung über einen Bauantrag zurückgestellt wurde, laufe nun zwar ab, sagte Arno Wied, Baudezernent des Kreises, dieser Zeitung. Dennoch sei eine Entscheidung nicht möglich, „weil unklar ist, welche tatsächlich Bauleitplanung gilt“. Denn der geänderte Bebauungsplans macht aus dem Grundstück eine „„Fläche für Gemeinbedarf – Anlagen oder Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen und in denen eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird, mit der Zweckbestimmung als Anlage für soziale Zwecke mit Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende“. Dagegen wurde Normenkontrollklage erhoben, die beim Oberverwaltungsgericht zu verhandeln ist.

Das Zwangsgeld von 1000 Euro wegen Verstoßes gegen die Nutzungsuntersagung werde der Kreis erneut verhängen, kündigt Arno Wied an. Die von der Stadt erhobene Räumungsklage gegen den 3. Weg liegt auf Eis. Man weiß ja nicht, wem das Haus endgültig gehört.

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