Netphen.

Was der geflochtene Löscheimer mit dem Brauersdorfer Freibad zu tun hat? Das gusseiserne Wasserrohr mit der Mühle am Deuzer Siegeck? Die Obernautalsperre mit dem Pumpenschwengel vor dem Amtshaus von der vorletzten Jahrhundertwende, in dem sich nun das Heimatmuseum befindet? Alles ist „WasserWerk“. Nicole Schmallenbach, Lothar Schulte und Harald Gündisch, das Museumsteam des Heimatvereins, widmen die neue Jahresausstellung dem Wasser – in allen Facetten. Anlass ist das Jubiläum der Obernautalsperre. Sie wurde am 7. November 1972 in Betrieb genommen und ist nun 50 Jahre alt.

Geschichte: Der Talsperrenbau

365 Menschen aus Obernau, Nauholz und Brauersdorf mussten in den 1960er Jahren ihre Dörfer verlassen. 71 Häuser, vier Gaststätten, zwei Schulen und zwei Kapellen wurden abgerissen oder abgebrannt. Der Gasthof Werthenbach wurde im Freilichtmuseum Detmold eingelagert, die vier Glocken aus den Dörfern läuten jetzt im Glockenturm oberhalb des Talsperrendamms. Wenn die Talsperre ganz gefüllt ist, sind das 99 Millionen Badewannenfüllungen, die - aufbereitet in der Anlage des Wasserverbandes in Dreis-Tiefenbach - zusammen mit der etwa älteren Breitenbachtalsperre bei Hilchenbach den ganzen Kreis Siegen-Wittgenstein mit Trinkwasser versorgen können. In der Ausstellung wird die Geschichte der Talsperre dokumentiert - und Fotos zeigen die Häuser der drei Dörfer, die heute tief unter dem Wasserspiegel begraben sind. Darunter ein Foto von der katholischen Volksschule Brauersdorf. „Die Geschichte müsste man auch mal erzählen“, fällt Lothar Schulte ein. Aber nicht jetzt. Dass die katholischen Sohlbacher Kinder an der evangelischen Afholderbacher Schule vorbeilaufen mussten zur katholischen Eschenbacher Schule - das wäre dann so eine der Kuriositäten, die bei dieser Gelegenheit zu dokumentieren wären.

Museum: Vortrag über drei Weiher

Zu sehen gibt‘s jede Menge Geschichte. Aber dabei wird es das Team, das im vorigen Jahr mit dem Thema Bier unterhalten hat, auch diesmal nicht bewenden lassen. Wilfried Lerchstein wird am Sonntag, 26. November, 15.30 Uhr,mit einem Vortrag über die Weiher bei Sohlbach, Afholderbach und Obernau einsteigen, die die Siegener Gas-, Wasser- und Kanalwerke anlegen ließen, damit die Netphener ihre Wiesen bewässern konnten – denn das Quellwasser hatte Siegen für die eigene Wasserversorgung abgezapft.

Lothar Schulte und Nicole Schmallenbach an der Hauspumpe: Die früheren Bewohner des heutigen Museumsgebäudes hatten ihren eigenen Brunnen.
Lothar Schulte und Nicole Schmallenbach an der Hauspumpe: Die früheren Bewohner des heutigen Museumsgebäudes hatten ihren eigenen Brunnen. © Wasserverband Siegen-Wittgenstein | Wasserverband Siegen-Wittgenstein

Geschichte: Vom Wasserwerk zum Wasserverband

1880 ließ die Stadt Siegen eine 25 Kilometer lange Fernwasserleitung zu den Quellgebieten von Afholderbach, Sohlbach und Obernau legen. Im Netpherland selbst gab es außer den Weihern als Wasserspeicher, die der Wiesenbewässerung dienten, die Hausbrunnen, die sich aus Grundwasser speisten. Wenn es mit Bakterien verseucht wurde, breiteten sich tödliche Krankheiten aus, Cholera, Typhus und Tuberkulose. 1913 wurde das erste Wasserwerk in Dreis-Tiefenbach gebaut, in dem das Wasser vor dem Verzehr gefiltert wurde. Die immer größeren benötigten Mengen kamen dabei nicht heraus. „Früher kam mit 18 Litern pro Kopf aus“, erinnert Nicole Schmallenbach. Heute sind es 130. 1953 wurde der Wasserverband gegründet, der 1956 die Bretenbachtalsperre in Allenbach in Betrieb nehmen konnte.

Museum: Azubis werben für Wasser-Beruf

Im Februar werden Azubis des Wasserverbandes Siegen-Wittgenstein, der Kooperationspartner der Ausstellung ist, Schülerinnen und Schüler aus Netphen unterrichten, durchaus auch mit dem Ziel, sie für eine Berufsausbildung beim Wasserverband zu interessieren. Und die Schülerinnen und Schüler der benachbarten Sekundarschule, die längst auch Partner des Museums ist, werden im Rahmen ihrer Projektwoche zum Thema Wasser eine Unterrichtsstunde für die Kinder der Grundschule gestalten. Dirk Müller, Geschäftsführer des Wasserverbandes, bietet eine Führung ins Innere der Talsperre an.

Geschichte: Mühlen haben (Wasser-)Kraft

„Wir haben auch die Wasserkraft in den Blick genommen“, berichtet Lothar Schulte. So sind die Mühlen ein eigenes Kapitel der Ausstellung geworden. Mahlmühlen, die Getreide mahlen, gespeist aus Mühlteichen, die von Mühldämmen gehalten werden. Im 13. Jahrhundert wurden die ersten Mühlen in Deuz, Dreisbach, Herzhausen, Netphen und Obernau betrieben. Mit der Industrialisierung wurden Mühlen als Krafterzeuger wichtig. Sie trieben das Bergwerk in Beienbach und die Schmelzhütte in Deuz an, Lohmühlen und Sägewerke, Reck- und Eisenhämmer. Bis sie von der Dampfmaschine und vom Elektromotor ersetzt wurden.

Aus der Dauerausstellung des Museums stammt das Modell der Mühle, die 1762 die alte Schmiede am Deuzer Siegeck betrieben hat.
Aus der Dauerausstellung des Museums stammt das Modell der Mühle, die 1762 die alte Schmiede am Deuzer Siegeck betrieben hat. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Museum: Wasser-Tasting am 3. März

Am 3. März schließlich steht ein Wasser-Tasting auf dem Programm. „Wir wollen zeigen, dass Wasser nicht gleich Wasser ist“, kündigt Nicole Schmallenbach an, „man schmeckt die Unterschiede heraus.“ Zwischen dem Quellwasser der Sieg, dem eisenhaltigen Grubenwasser und dem Heilwasser, zum Beispiel. „Der Mineraliengehalt macht den Geschmack aus“, erklärt Lothar Schulte, der sich auch in dieses Thema eingearbeitet hat, wie vorher für die Bier-Ausstellung, die in eigenen Brau-Versuchen gipfelte.

Talsperrendorf: Das war die katholische Schule in Brauersdorf.
Talsperrendorf: Das war die katholische Schule in Brauersdorf. © Wasserverband Siegen-Wittgenstein | Wasserverband Siegen-Wittgenstein

Geschichte: Vergessene Freibäder

Badefreuden - auch dafür ist Wasser gut: Seit 1977 gibt es das Freizeitbad im Obernautal. Etwas älter ist das Freibad in Deuz. 1958 öffnete es noch ohne Umkleidekabine. Kinder von 6 bis 14 Jahren zahlten 25 Pfennige, Jugendliche und Erwachsene 50. Erst seit 1970 wird das Wasser beheizt. Heute ist das Freibad Naturerlebnisbad, das von einem Trägerverein betrieben wird und sich durch Badewasser auszeichnet, das ohne Chemikalienzusatz aufbereitet wird. Im heutigen Naturschutzgebiet Auenwald an der Sieg kurz vor Obernetphen befand sich die Badestelle „In der Irle“. „Von der Irle haben uns ganz viele Leute erzählt“, berichtet Lothar Schulte. Das Wasser der Sieg wurde aufgestaut, es gab getrennte Badebereiche für Jungen und Mädchen. Pläne, daraus eine richtige „Badeanstalt“ zu machen, wurden nie verwirklicht. Das Brauersdorfer Freibad lag am Zusammenfluss von Nauholz- und Obernaubach. Der Wirt des Gasthofs Werthenbach hatte es für seine Sommerfrische-Gäste angelegt. Direkt daneben lag der Brauersdorfer Weiher, mit dem die Mühle betrieben wurde. In den 1950er Jahren wurde das Freibad durch die Gemeinde Brauersdorf saniert. Beim Bau der Talsperre wurde es unter dem Staudamm begraben

Das alte Freibad in Brauersdorf lag direkt neben dem Mühlenweiher.
Das alte Freibad in Brauersdorf lag direkt neben dem Mühlenweiher. © Heimatmuseum Netpherland | Heimatmuseum Netpherland

Museum: Sprechende Mühle, rauschendes Wasser

Es soll halt Spaß machen, das Museum, und lebendig sein. „Unser Anliegen ist, dass die Sachen mehr erzählen“, sagt Nicole Schmallenbach. Dazu wird die Dauerausstellung nach und nach neu aufgebaut. Und modern präsentiert. Filme können an der neuen Mediensäule gezeigt werden. Und das mit dem Erzählen ist auch wörtlich gemeint. Mit Mitteln des Heimatbundes konnten Anybook-Reader für Kinder angeschafft werden, Audiostifte, die Texte oder QR-Codes aus- und vorlesen können. „Ich bin die alte Mühle“, könnte dann zum Beispiel des Modell der Mühle erzählen, die 1762 die Schmiede am Deuzer Siegeck angetrieben hat – und das bisher nur ziemlich stumm und wenig beachtet herumgestanden hat. Mit Förderung des Landschaftsverbandes wird gerade eine Museums-Homepage entwickelt. Möglich wird das, weil das Heimatmuseum Netpherland vor kurzem vom Landschaftsverband in die Liste der Museen aufgenommen worden ist.

Auf der Karte des Amtes Netphen von 1963 ist die Talsperre schon eingezeichnet.
Auf der Karte des Amtes Netphen von 1963 ist die Talsperre schon eingezeichnet. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Die Pumpe vom Hausbrunnen übrigens ist eigens zur Ausstellung auf Hochglanz gebracht worden. „Da soll dann auch Wasser laufen“, kündigt Lothar Schulte an. Das gusseiserne Rohr? Wurde beim Umbau des Marktplatzes ausgegraben und hat wohl einst das Wasser aus den Weihern befördert. Während des Keramikrohr der Gerberei zuzuordnen ist. Es gibt viel zu entdecken.

Jeden 1. 3. und 4. Sonntag von 15 bis 17 Uhr, jeden 2. Sonntag von 10 bis 12 Uhr und nach Vereinbarung: heimatmuseum@heimatverein-netpherland.de

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++