Oderdielfen. Ein Zufall führte Ruthild Wilson und Helmut Jost vor Jahren zusammen. Aus der Begegnung wurde privat und beruflich ein Volltreffer.
Sie wohnen in einem geräumigen Haus in Oberdielfen. Zu ihrem Arbeitsplatz brauchen sie nur eine Treppe hinunterzugehen: Dort befinden sich drei Studioräume, Lager für CD‘s und Bücher und Equipment, das sie für ihre Konzerte benötigen. Denn Ruthild Wilson und Helmut Jost sind Profimusiker.
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Helmut Jost ist in Niederdielfen aufgewachsen. Als echter „Sejerlänner Jong“ beherrscht er noch heute den heimischen Dialekt aus dem FF. „In der Schule habe ich Wurst noch mit „sch“ geschrieben“, erzählt er schmunzelnd und auch, dass er schon mit fünf Jahren im örtlichen Posaunenchor als Trompeter mitspielte. Dass er später als Bassist und Sänger mit der Band „Damaris Joy“ unterwegs war, passte zunächst überhaupt nicht in die Planungen seiner Eltern. „Musik ist brotlose Kunst“, meinten die. Zwar löste sich die Band, zu der noch Helmuts Bruder Frieder sowie Hans-Martin und „Fitti“ Wahler gehörten, Ende der 80er Jahre mit einem Abschiedskonzert in der ausverkauften Siegerlandhalle auf. („Die persönlichen Wege gingen auseinander.“) Doch Helmut Jost hat die Erfolge von Damaris Joy mit ihrer christlichen Pop-Musik nicht vergessen: Unzählige Auftritte in ganz Deutschland und im europäischen Ausland bis hin nach Finnland mit im Schnitt bis zu 1000 Besuchern und sechs CD‘s sprechen eine deutliche Sprache über die Qualität der Band.
Wilnsdorf: Musiker Helmut Jost arbeitete mit Patrick Lindner, Edo Zanki und Iwan Rebroff
Musik ist auch danach und bis heute Beruf und Berufung für Helmut Jost geblieben: Als Musiker und Sänger bei Konzerten, Komponist, Arrangeur, Produzent und Studio-Musiker. Insgesamt kommen da 45 Berufsjahre zusammen. Vor allem als Studiomusiker führte er ein im wahrsten Sinne des Wortes bewegtes Leben: Montag Patrick Lindner in München, Dienstag Edo Zanki in Mannheim, Freitag Royal Philharmonic Orchestra in London – so konnte seine bewegte Wochenplanung aussehen. „50 CD‘s pro Jahr waren die untere Grenze. Bei 1000 habe ich aufgehört zu zählen“, sagt Helmut Jost, der so ganz nebenbei auch die Sonderwünsche einiger Stars kennengelernt hat: „Bei Iwan Rebroff musste das Studio einschließlich Toilette immer frisch geputzt und die Raumtemperatur genau 21 Grad sein.“ Dass die große Zeit der Studios vorbei ist, sieht Helmut Jost mit einem weinenden und einem lachenden Auge: Immer häufiger wird Musik am Computer erzeugt oder im eigenen Studio produziert. So wie auch bei ihm in Oberdielfen.
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Ruthild Wilson stammt aus Mühlheim/Ruhr und wuchs dort in einer musikalischen Familie auf. Erste Gesangserfahrungen, immer auch als Solistin, sammelte sie in einem Gospelchor und durch das Musical „Hoffnung“, das deutschlandweit aufgeführt wurde. Hinzu kamen Konzerte mit ihrer eigenen Band und auch mit Chören, die sie als Solistin einluden. Dass sie ihren späteren Mann Helmut kennenlernte, ist jedoch reiner Zufall: Ruthild suchte für sich und ihre Essener Band einen Ort für Demo-Aufnahmen und geriet an das Studio von Damaris Joy, wo sie dann auch Helmut traf. Der war von ihrer Stimme und ihrer Persönlichkeit so beeindruckt, dass sie fortan auch in seiner Band sang. Nicht nur das: Zusammen mit Helmuts Bruder Frieder und dessen Frau wurden sie zu einer der gefragtesten Backing-Gruppen Deutschlands.
Wilsndorf: Helmut Jost und Ruthild Wilson verhalfen dem Gospel in Deutschland zum Erfolg
Um die Jahrtausendwende feierten die Gospelsongs in Europa eine Wiederauferstehung. Die Initialzündung war sicherlich der Film „Sister Act“ mit seinem rasanten Soundtrack. „Da haben uns musikbegeisterte Leute angerufen mit der Frage: Könnt ihr uns Gospels beibringen?“, denn sie wussten, dass Ruthild und Helmut genau dafür die richtigen Ansprechpartner waren. Sie veranstalteten Workshops, komponierten moderne Stücke und produzierten mit „Gospel Celebration“ fern ab von „Oh Happy Day“, „Amen“ und „He‘s got the whole world“ eine neue CD, einschließlich Notensätzen für Chöre. Ein Trend, der bis heute anhält, weil die Arrangements „für europäische Mäuler“ passen, das heißt singbar sind, rhythmisch, mitreißend.
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Mit dabei: Die Familie Thomas aus England, von denen David der bekannteste ist, weil er jahrelang zum „Starlight-Express“- Ensemble gehörte, sich aber nicht wohl fühlte, weil er dort in ein künstlerisch sehr enges Korsett gepresst wurde, bei dem Improvisation verboten war. Umso mehr taute David Thomas auf, wenn er gemeinsam mit Ruthild Wilson und Helmut Jost auf der Bühne stehen und sich alle musikalisch so richtig ausleben konnten. Darüber hinaus organisiert Helmut als musikalischer Leiter Gospel-Festivals und Gospel-Kirchentage. Daneben gründete den „Siegen Gospel Choir“, aus einem Workshop entstanden, mit dem sie vor allem in der Region regelmäßige Konzerte geben.
„Siegen Gospel Choir“ ist Ende Dezember live in der Kirche auf dem Rödgen zu erleben
Ruthild Wilson – ihr Nachname stammt von ihren Vorfahren aus Schottland – schreibt Musicals für Kinder. Etwa zehn sind es bisher, die deutschlandweit aufgeführt werden. Sie entwickelt die Texte, führt Regie, komponiert die Songs, oft in kreativer Arbeitsteilung mit Helmut. „Was wir veröffentlichen, ist zu 90 Prozent gemeinsam entstanden. Wenn ich mit einer Strophe nicht mehr weiterkomme, hat Ruthild schon die zweite gemacht“, verrät er. Zur Zeit arbeitet sie an einem Musical mit dem so aktuellen Thema „Integration“.
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Doch am liebsten musizieren Ruthild Wilson und Helmut Jost live, direkt vor und mit ihrem Publikum. Sie sind als Duo buchbar, als Trio und auch gemeinsam mit ihrem Chor, dem „Siegen Gospel Choir“. Besonders freuen sich beide auf ihr musikalisches „Heimspiel“: „Helmut Jost & Friends“ am 20. Und 21. Dezember in der Kirche auf dem Rödgen.
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