Siegen. Nicht viele Ehepaare lagen schon tot auf der Bühne – wenn auch gespielt. Markus Steinwender und Elisabeth Nelhiebel lernten sich aber so kennen.
Wer wie Elisabeth Nelhiebel in Wien aufwächst, saugt Kunst wie Muttermilch auf, zumal, wenn kulturbegeisterte Eltern ihrer Tochter schon früh Besuche des berühmten Burgtheaters ermöglichen. Daher verwundert es nicht, dass sie direkt nach ihrer Schulzeit Schauspiel studierte, und das in ihrer Heimatstadt.
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Doch schon mit 22 Jahren verließ Elisabeth Nelhiebel ihr Wien: Für ein Engagement am Württembergischen Landestheater Esslingen. Dort bekam sie von Anfang an viele und große Rollen, etwa in Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ oder „Was ihr wollt“, aber auch im Monolog-Stück „Anne Frank“. Eine Esslinger Lokalzeitung überschrieb ihr Porträt über die junge Schauspielerin mit „Das Küken im Ensemble“. Elisabeth Nelhiebel lernte den abwechslungsreichen Teil des Berufs in einem Landestheater und seinen vielen Gastspielen kennen: „Man ist ständig unterwegs.“ Die Zeit am Theater in Esslingen endete nach drei Jahren: Der Intendant wechselte zum Salzburger Landestheater und sie bekam dort ihr nächstes Engagement.
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Eine Software gegen Warteschlangen
Salzburg ist auch die Heimatstadt von Markus Steinwender. Hier wuchs er auf, ging zu einem katholischen Privatgymnasium, eine der damals noch ganz seltenen Ganztagesschulen. „Ich hatte eine fantastische Schulzeit“, sagt er, „erhielt eine umfassende Bildung und lernte Theater kennen, zumal wir auch einen großen Theatersaal hatten.“ Sehr früh stand für ihn sein Berufswunsch fest: „Ich will ins Theater.“
Dennoch schrieb er sich erstmal an der Uni Salzburg ein und studierte Computerwissenschaften. Seine Matrikel-Nr. kennt er noch heute: 9020898. Parallel zum Studium gründete er in Salzburg die freie Theatergruppe „Theaterachse“ und besuchte in Linz die Schauspielschule des Bruckner-Konservatoriums. Die konnte er finanzieren, weil er durch IT-Aufträge gut verdiente. Seine exzellenten Kenntnisse helfen ihm auch heute als Apollo-Chef: Als es beim Vorverkaufsstart im August zu großem Andrang an den Theaterkassen kam, entwickelte er über Nacht eine Software, um die Warteschlangen zu minimieren.
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Kennenlernen auf der Bühne
Markus Steinwenders wirkliche Leidenschaft jedoch war das Theater. 2001 bekam er nach einem Vorsprech-Termin sein erstes festes Engagement in Konstanz, nachdem es davor in Esslingen nicht geklappt hatte. „Theoretisch hätte ich schon dort Elisabeth treffen können.“ Doch dazu kam es einige Jahre später bei der Uraufführung von „Rembrandt B12“, einer Satire über die Kunstwelt, bei der beide mitspielten. Am Ende lagen alle Schauspieler tot auf der Bühne. Elisabeth und Markus sogar in Sichtweite. „Da haben wir einander wahrgenommen“, sagen sie und als Tote so manchen Spaß betrieben: Mal mit einer Wasserpistole, mal mit einem aufziehbaren Auto oder kleinen Briefchen, natürlich immer so geschickt, dass es das Publikum nicht bemerken konnte. Auch in anderen Rollen traten sie gemeinsam auf der Salzburger Bühne auf, bei der es für die Schauspieler zum schnellen Umziehen eine Damen- und eine Herrenseite gab. „Ich wusste aber immer, wo Markus stand“, bekennt Elisabeth Nelhiebel und bewunderte schon damals dessen Blicke in die Theaterwelt, die weit über den Tellerrand des Bühnengeschehens hinausgingen: „Markus war auch als Schauspieler schon immer sehr reflektiert.“
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Gemeinsam in die freie Theaterszene
Einen herben beruflichen Einschnitt erlebte Elisabeth Nelhiebel 2009: Nach fünf Jahren endete ihr Engagement in Salzburg wie aus heiterem Himmel. Der Grund: Ein Wechsel des Intendanten. Der Neue brachte auch ein neues Ensemble mit, das alte musste gehen. In der Theaterwelt ein nicht unüblicher, für die Betroffenen jedoch schmerzlicher Vorgang: „Für mich brach eine Welt zusammen. Ich hatte Angst nie wieder Theater spielen zu dürfen.“ Markus, die beiden hatten im Jahr zuvor geheiratet, sah eine Alternative: die freie Theaterszene. Mit dem Ensemble „Theaterachse“ erlebten sie tolle Theatersommer mit Aufführungen von Salzburg bis Dresden, jedoch auch einem Hauptspielort: die Mildenburg in Miltenberg am Main. Elisabeth: „Das war meine Rettung. Dabei habe ich viel Theaterhandwerk gelernt und auch, dass die Aufteilung hier Bühne, dort Publikum veränderbar ist.“ Vor allem: Elisabeth Nelhiebel konnte durchgehend spielen, abgesehen von einer Unterbrechung. 2010 kam ihre gemeinsame Tochter Marie zur Welt: „Ich bin bis zum sechsten Monat der Schwangerschaft aufgetreten und stand neun Monate nach der Geburt schon wieder auf der Bühne.“
Fast parallel dazu übernahm Markus Steinwender als Geschäftsführer das „Haus der freien Szene“ in Salzburg. Ein kleines Theater mit 150 Plätzen. „Eine spannende Zeit mit vielen Gastspiel-Theatern, Kabarett, Komödie, Musik. Und: Wir mussten 68 Prozent des Etats selbst einspielen – und haben das geschafft.“ Seit 2012 stand er auch nicht mehr als Schauspieler auf den Brettern, die die Welt bedeuten, war stattdessen als Regisseur unterwegs und inszenierte. Es folgte eine Zeit am Theater im bayerischen Eggenfelden, an dem er die Sparte für Junges Publikum aufbaute, während Elisabeth als Schauspielerin in Salzburg blieb. Knapp zwei Jahre führten sie eine Wochenend-Ehe.
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Das Siegerland erwandern
Die theaterlose Zeit der Pandemie nutzte Markus Steinwender dazu, sein Theaterwissen zu erweitern. An der Uni Salzburg etwa über das Thema „Wie gestaltet man ein Theater- oder Festivalprogramm“. Außerdem erwarb er das Zertifikat zum „Geprüften Kulturmanager (DAM)“. Siegen, wo er sich für die frei gewordene Intendanten-Position im Apollo Theater beworben hatte, kannten er und seine Frau noch nicht. Aber: „Wir fühlen uns der Stadt vom ersten Tag an sehr verbunden.“ Hier im Apollo gestalten sie seit Sommer letzten Jahres gemeinsam Theater. Markus Steinwender als Intendant und Regisseur, Elisabeth Nelhiebel als Schauspielerin wie bei den „Bremer Stadtmusikanten“, „Die kleine Muck“ oder „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ Unvergessen ist auch ihr Auftritt als nervende Handy-Frau mitten im Publikum bei der Vorstellung der neuen Spielzeit Ende Mai. Sie spielte diese Rolle so echt, dass manche der Theaterbesucher sich lautstark über ihre Geschwätzigkeit beschwerten.
„Wir möchten die Stadt Siegen und ihr Umfeld noch besser kennenlernen“, sagen Elisabeth Nelhiebel und Markus Steinwender. Dazu haben sie sich viele Bücher über das Siegerland besorgt. Eines der ersten war „Die Zerstörung Siegens am 16. Dezember 1945.“ Viel Neues entdecken sie bei umfangreichen Wanderungen in den Siegerländer Bergen. Auch das verbindet Markus Steinwender und Elisabeth Nelhiebel miteinander und mit ihrer neuen Heimat.
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