Achenbach. Ein Jahr nach Günther Langers Tod führt Staatsanwaltschaft Siegen frühere Dienststellenleiterin der Weiterbildungsgesellschaft als Beschuldigte.

Vor einem Jahr nahm sich Günther Langer das Leben. Zuvor waren Vorwürfe bekanntgeworden, die sich auf das Privatleben des langjährigen Stadtverordneten und Vorsitzenden des Heimatvereins Achenbach bezogen. Familie, Freunde und das politische Siegen waren geschockt.

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Auch Langers berufliche Tätigkeit rückte in den Fokus, die Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt seither im sogenannten „Achenbach-Skandal“. Dabei geht es um seine Funktion als Geschäftsführer der Weiterbildungsgesellschaft (WBG), die dem Heimatverein angeschlossen ist. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen inzwischen ausgeweitet: Im Fokus steht mittlerweile auch eine ehemalige Dienststellenleiterin der WBG, die als Zeugin ausgesagt hatte, nun aber als Beschuldigte geführt wird. Vorwurf: Betrug, womöglich Untreue. Das bestätigt Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss auf Anfrage dieser Zeitung. Neben dem früheren Geschäftsführer Langer war die Frau, die medial als „Kronzeugin“ gegen ihren früheren Chef und ihre Arbeitgeberin auftrat, möglicherweise mitverantwortlich für die Vorgänge in der WBG.

Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt wegen Steuerhinterziehung, Betrug, Schwarzarbeit

Im Ermittlungsverfahren der Siegener Staatsanwaltschaft geht es um mutmaßliche Steuerhinterziehung, Betrug, Schwarzarbeit. Es soll, so der Vorwurf, beim Personal getrickst worden sein, indem etwa Geld für Bundesfreiwilligendienstleistende und dazugehörige Dienstleistungen kassiert wurde, die es faktisch gar nicht gab („Luftbuchungen“). Ein anderer Vorwurf dreht sich um den illegitimen Einsatz sogenannter „16i-Kräfte“ aus einer Qualifikationsmaßnahme, die nicht vertragsgemäße Tätigkeiten hätten verrichten müssen. Die Behörden ermitteln in mehreren Verfahren, in denen es um unterschiedliche Schadenshöhen geht. Manche davon bewegen sich zwischen 5000 und 10.000 Euro, andere liegen darunter. Der Gesamtschaden scheint aber nicht so hoch zu sein wie anfänglich angenommen, heißt es auf Anfrage. Die heutige Geschäftsführung der Weiterbildungsgesellschaft teilt dazu mit, dass man unabhängig vom Ermittlungsverfahren intensiv die alten Strukturen aufarbeite.

Die Weiterbildungsgesellschaft bezog und bezieht als freie soziale Trägerin staatliche Gelder, unter anderem vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) sowie vom Jobcenter des Kreises Siegen-Wittgenstein. Davon wurden die Menschen in den Qualifizierungsmaßnahmen bezahlt und auch die Festangestellten. Bisher gebe es keinerlei Anhaltspunkte auf strafrechtlich relevantes Verhalten staatlicher Stellen, so Staatsanwalt von Grotthuss; vielmehr seien diese selbst an der Aufklärung der Vorwürfe interessiert und kooperierten mit den Ermittlern.

Ehemalige Dienststellenleiterin der WBG Achenbach nun im Fokus der Behörden

Derweil gerät die Dienststellenleiterin aufgrund ihrer öffentlichen Aussagen in Kombination mit ihrer früheren Position in juristische Bedrängnis: „Die Frau hat vieles gewusst und im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit gegengezeichnet“, sagt Patrick von Grotthuss. Tatsächlich hatte die nun Beschuldigte in der Vergangenheit öffentlich von zweifelhaften Geschäftspraktiken berichtet, die Verantwortlichkeit aber stets in Richtung Günther Langers gelenkt. Letzterer habe entsprechende Handlungen von ihr verlangt. Der Staatsanwalt dazu: „Viele Schreiben und Verträge gingen über ihren Schreibtisch, sie hat diese gezeichnet, obwohl sie wusste, dass das nicht richtig war.“

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Diese Zeitung hatte im Dezember 2022 über Unregelmäßigkeiten und Ungereimtheiten bei Personalangelegenheiten innerhalb der WBG berichtet und die Rolle der Dienststellenleiterin kritisch hinterfragt. Immerhin hätte sie jederzeit – auch gegen den Willen ihres Vorgesetzten Günther Langer – die Behörden informieren können.

Staatsanwaltschaft Siegen: Ermittlungen in Sachen Achenbach werden noch dauern

In der Vergangenheit hatte die Staatsanwaltschaft in dieser Sache zwei Personen als Beschuldigte geführt: den verstorbenen Geschäftsführer und einen weiteren ehemaligen hauptamtlichen Mitarbeiter, der inzwischen nicht mehr für die WBG tätig ist. Das Gesamtverfahren läuft nach wie vor und werde wohl erst in einigen Monaten ein Ende finden – lediglich ein Teilkomplex könne, so von Grotthuss, in Kürze abgeschlossen werden.

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Mit den Vorwürfen konfrontiert, erklärt die ehemalige Dienststellenleiterin, von einem gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren nichts zu wissen. Dazu erklärt die Staatsanwaltschaft: In diesem Verfahrensstadium gebe es keine Verpflichtung, Beschuldigte förmlich darüber zu informieren, dass gegen sie ermittelt wird. Erst wenn die Justiz beabsichtige, Anklage zu erheben, müsse ihnen rechtliches Gehör gewährt werden. In solchen Fällen erfahren die Betroffenen dann in der Regel durch eine schriftliche Vorladung der Polizei von dem Ermittlungsverfahren.

Zur Person: Günther Langer

Günther Langer († 60) war jahrzehntelang eine prägende Figur der Siegener Kommunalpolitik; lange in der SPD, nach einem Streit dann in der UWG. Seinen Wahlkreis in Achenbach gewann er bei jeder Wahl haushoch – der gebürtige Berliner galt als inoffizieller „Bürgermeister“ des Siegener Stadtteils, als Kümmerer, der für jede und jeden ein offenes Ohr hatte. Als Vorsitzender des Heimatvereins Achenbach formte er die Weiterbildungsgesellschaft zu einem Sozial-Unternehmen unter seiner Geschäftsführung, das unter anderem Sozialkaufhäuser überall im Stadtgebiet und weit darüber hinaus betreibt. Mit der Trennung zwischen Verein und Qualifizierungsgesellschaft nahm es Langer dabei nicht sonderlich genau. Menschen am Rand der Gesellschaft zu helfen war ihm ein Anliegen.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.