Netphen. Das Lied „Sunshine Reggae“ erklingt, die Stimmung ist ausgelassen: Im Haus St. Anna wurde jetzt eine Strandbar extra für die Bewohner eröffnet.

Edwin erhebt das Glas, Heidi prostet ihm mit ihrem Cocktail zu. Ein paar Schritte weiter tanzt eine Pflegerin zu „Sunshine Reggae“. Die Stimmung im Haus St. Anna könnte nicht ausgelassener sein. Warum auch nicht? Eine Strandbar gibt es ja auch nicht in jedem Demenzzentrum oder Altenheim. Und dann gibt’s gewissermaßen als „Kirsche auf der Torte“ auch noch Waffeln. „Die lieben die Bewohner abgöttisch“, sagt Andrea Hirsch, die im Sozialen Dienst im Demenzzentrum arbeitet, und extra für die Strandbareröffnung den Teig gemixt hat.

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Die Idee für den Strandbereich hatten drei Mitarbeiter: Edi Dobesch, Horst Klappert und Silke Steinhorst kümmerten sich um den Bau der Bar und die Blumen. Die Bar entstand aus Euro-Paletten, steht nun in einem Atrium des Hauses unter freiem Himmel. Der Geruch von Waffeln, Sommermusik, Cocktails – all das könnte Erinnerungen bei den Demenzerkrankten auslösen. Ob sie dadurch tatsächlich an Erlebnisse oder Urlaube erinnert werden, ist zweitrangig. „Der Moment für die Menschen mit Demenz zählt, dass ist die wesentliche Erfahrung aus bald vier Jahren St. Anna“, so Einrichtungsleiter Stephan Berres.

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Im Demenzzentrum Haus St. Anna in Netphen wurde eine Strandbar eröffnet. Heike Berres und Andrea Hirsch (von links) kümmern sich um Essen und Trinken.
Im Demenzzentrum Haus St. Anna in Netphen wurde eine Strandbar eröffnet. Heike Berres und Andrea Hirsch (von links) kümmern sich um Essen und Trinken. © WP | Ina Carolin Pfau

Und da gibt es auch jede Menge zu genießen: „Die Cocktails gibt’s mit Kokosrand oder Rohrzuckerrand“, erzählt Heike Berres. Zur Auswahl stehen zum Beispiel „Exotic Panema“ oder „Mango Fizz“ (beide alkoholfrei). Und die Bewohner kommen und gehen. Mit dabei sind auch ein paar Angehörige, später besuchen die Kinder des Kindergartens St. Elisabeth aus Brauersdorf die Bewohner. „Gut“, findet ein Mädchen die ganze Strand-Aktion. Manchmal braucht es eben nicht viele Worte. „Heute ist natürlich auch super Wetter“, meint Bewohnerin Heidi. Und Andrea Hirsch freut sich und sagt: „Man sieht das Lächeln in den Gesichtern, deshalb macht man das so gerne.“

Urlaube möglich

Zukünftig planen die Verantwortlichen des Netphener Demenzzentrums, dreitägige Urlaubsfahrten mit einigen Hausbewohnern zu unternehmen. „Uns schwebt da z. B. Urlaub auf dem Bauernhof vor“, so Stephan Berres.

Etabliert hat sich auch die Zusammenarbeit mit dem Kindergarten St. Elisabeth aus Brauersdorf: „Regelmäßig besuchen uns die Kinder zur großen Freude der Bewohner in St. Anna“, erzählt der Einrichtungsleiter.

Bis zum Herbst soll es den Strandbereich noch geben, erläutert Stephan Berres. Im Winter soll er durch eine „Winterparadies“ ersetzt werden. Bei den Aktionen geht es auch darum, den Demenzerkrankten immer wieder neue Impulse zu geben.

Im Demenzzentrum Haus St. Anna in Netphen wurde eine Strandbar eröffnet. Sie sorgte bei Bewohnern, Angehörigen und Kindergartenkindern für Begeisterung.
Im Demenzzentrum Haus St. Anna in Netphen wurde eine Strandbar eröffnet. Sie sorgte bei Bewohnern, Angehörigen und Kindergartenkindern für Begeisterung. © WP | Ina Carolin Pfau

Die Krankheit fordert heraus und verunsichert Betroffene und ihre Angehörigen. Menschen mit Demenz finden sich oft nicht mehr allein zurecht, fühlen sich häufig unverstanden. „Und doch wollen sie dazugehören und Teil der Gemeinschaft bleiben. Dazu brauchen sie von uns als Gemeinschaft vor allem Geduld, Verständnis und Unterstützung“, so Stephan Berres. Man müsse sich in der Welt der Demenzbetroffenen zurechtfinden. „Alles andere sorgt nur für Stress.“ Die Betroffenen könnten auch „Schönes mehrmals erleben und sich über den Moment freuen“.

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Mittlerweile verändern sich die Generationen im Haus St. Anna und damit auch der Musikgeschmack, erzählt der Einrichtungsleiter. Nicht jeder ist mit derselben Musik zufrieden. Während die einen lieber „Oldies“ hören, mögen die Jüngeren auch mal aktuellere Musik an der Strandbar. Mit einem Schmunzeln im Gesicht erzählt Stephan Berres, dass er sich auch ein „Klein-Wacken“ im Außenbereich des Demenzzentrums vorstellen könnte. „Mit zwei Zelten auf der Wiese und schöner Musik. Ideen muss man ja haben!“

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