Netphen. Die Mariengesellschaft muss sich gedulden: Die Politik will zuerst Klarheit über den Freizeitpark und die Grundschule.

Der Rat gibt – noch – kein grünes Licht für die Erweiterung des Demenzzentrums Haus St. Anna Die Mehrheit hat der Verwaltung den gewünschten Auftrag verweigert, „die notwendigen Voraussetzungen (...) zu schaffen“. Die Entscheidung fiel in der von Klaus-Peter Wilhelm (UWG) beantragten geheimen Abstimmung: Neun Ratsmitglieder waren für die Vorlage der Verwaltung, 16 dagegen, vier enthielten sich der Stimme. Über einen zuvor von Benedikt Büdenbender (CDU) gestellten Vertagungsantrag hatte Bürgermeister Paul Wagener nicht abstimmen lassen.

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Das sagt der Bürgermeister

Bürgermeister Paul Wagener hatte sich engagiert für den Wunsch der Mariengesellschaft eingesetzt. „Dass der dringende Bedarf gegeben ist und zusätzliche Heimplätze dringend notwendig sind, steht außer Frage.“ Wagener erinnerte daran, dass das Haus St. Anna vor zwei Jahren auf einem Grundstück neben dem Freizeitbad errichtet wurde, auf dem ursprünglich einmal ein Hotel gebaut werden sollte.

Die Erweiterung in Netphen stehe dem Bemühen der Stadt nicht entgegen, ein weiteres Pflegeheim im Raum Dreis-Tiefenbach errichten zu lassen. Die Mariengesellschaft sei bereit, auch das zu bauen – allerdings fehle das Grundstück, nachdem der Kreis Siegen-Wittgenstein den Dreis-Tiefenbacher Bahnhof weiter verpachtet und nicht der Stadt überlassen hat. Wagener brachte den Jung-Stilling-Platz ins Spiel für ein „Jung-Stilling-Stift“.

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Für Belange des Freizeitparks werde die Fläche des Parkplatzes 3 nicht gebraucht, weder für Besucherfahrzeuge noch für Wohnmobilstellplätze, die „mühelos“ auch im ehemaligen Eisstadion platziert werden könnten. Der Neuaufbau eines Eisstadions – und damit in der Folge die Ansiedlung weiterer touristscher Anlagen auf der Brauersdorfer Seite des Freizeitparks – sei „auf Jahre hinaus“ nicht umsetzbar. Die Stadt müsse sich auf den Erhalt von Freizeitbad und Trampolinhalle konzentrieren. „Touristische und sonstige Visionen entpuppen sich nach genauem Rechnen als Küstennebel“, sagte der Bürgermeister, „Selbstbeschränkung auf das Notwendige und Machbare ist das Gebot der Stunde.“ Wagener erinnerte daran, dass die Pläne für die Erweiterung des Hauses St. Anna bereits im Februar erstmals vorgestellt wurden: „Die Mariengesellschaft erwartet eine Entscheidung. Sie orientiert sich sonst woanders."

Das sagt die Politik

Manfred Heinz (SPD) stimmte dem Bürgermeister in weiten Teilen zu: Die Stadt brauche ein weiteres Pflegeheim, „möglichst in Dreis-Tiefenbach“, allerdings nicht auf dem Jung-Stilling-Platz: „Das sollten wir den Dreis-Tiefenbachern nicht antun.“ Lothar Kämpfer (SPD) regte später einen „Letter of Intent“ an, den Mariengesellschaft und Stadt verabreden könnten: Die Mariengesellschaft verpflichte sich zur Investition in ein weiteres Pflegeheim, die Stadt zur Beschaffung des Grundstücks. „Das hätten Sie auch schon im Februar sagen können“, fand Bürgermeister Paul Wagener. „Oder Sie“, rief Manfred Heinz (SPD) zurück.,

Der Freizeitpark werde nicht weiter wachsen, stellte SPD-Fraktionschef Manfred Heinz fest. „Wir werden kaum in der Lage sein, den Freizeitpark zu einem Zentrum zu machen, das die halbe Welt herausfordert, nach Netphen zu kommen." Vor einer Entscheidung über das Haus St. Anna müsse aber Klarheit über die Entwicklung des Freizeitparks geschaffen werden. Das ehemalige Eisstadion war auch schon einmal als Standort für einen Neubau der Grundschule Netphen ins Gespräch gebracht worden. Bis März könne das geklärt werden. Die Forderung des Bürgermeisters, bereits jetzt zu entscheiden, sei „fast ein bisschen erpresserisch“.

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Silvia Glomski (Grüne) verwies darauf, dass am Montag, 19. Dezember, der Arbeitskreis tage, der über die künftige Nutzung des Eisstadion-Standortes berate. Dort, so kündigte Beigeordneter Andreas Fresen an, werde er vier Alternativen vorstellen, die aber allesamt nicht die Brauersdorfer Seite des Freizeitparks berührten. Wegfallende Parkplätze neben dem Haus St. Anna würden auf dem jetzigen Parkplatz zwischen Trampolinhalle und Bad ersetzt, indem dort eine zweigeschossige Parkpalette mit Solardach errichtet wird. „Dann hätten wir die Parkplätze da, wo wir sie brauchen.“

Geheime Abstimmung über das Haus St. Anna: Bürgermeister Paul Wagener leert die Urne mit den Stimmzetteln, Beigeordneter Andreas Fresen und die stellvertretenden Bürgermeisterinnen Dr. Sandra Groos (CDU) und Annette Scholl (SPD, von links) assistieren.
Geheime Abstimmung über das Haus St. Anna: Bürgermeister Paul Wagener leert die Urne mit den Stimmzetteln, Beigeordneter Andreas Fresen und die stellvertretenden Bürgermeisterinnen Dr. Sandra Groos (CDU) und Annette Scholl (SPD, von links) assistieren. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

„Alles ist miteinander verknüpft“, stellte Benedikt Büdenbender (CDU) fest, betonte aber auch: „Niemand erteilt dem Erweiterungsbau von Haus St. Anna eine Absage." Klaus-Peter Wilhelm (UWG) forderte, „endlich mal Nägel mit Köpfen zu machen“. Keine Planung für den Freizeitpark berühre das für St. Anna ins Auge gefasste Grundstück, auch ein Grundschulneubau – wenn es denn nicht bei einer Erweiterung in Niedernetphen bleibt – stehe in keinem Zusammenhang mit dem Vorhaben.

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Das sagt die Mariengesellschaft

Das vor zwei Jahren eröffnete Haus St. Anna ist eins von sechs Pflegeheimen der Mariengesellschaft. Die 60 Plätze sind für Menschen mit schwerer Demenz bestimmt, die auf gerichtlichen Beschluss eingewiesen werden. Das Haus ist seit Oktober 2020 durchgehend zu mehr als 95 Prozent belegt. Insgesamt wurden bisher 144 Bewohner aufgenommen, davon 25 aus dem Stadtgebiet Netphen und insgesamt 110 aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein. In dem Neubau sollen 40 weitere Bewohnerplätze geschaffen werden.

„Wir bedauern die Entscheidung des Netpher Rats für ein Nein zu einer Erweiterung unseres Demenzzentrums sehr. Insbesondere schwerstpflegebedürftige Menschen und deren Angehörige trifft diese Entscheidung hart“, sagte Hans-Jürgen Winkelmann, Hauptgeschäftsführer der Mariegesellschaft Siegen, auf Anfrage dieser Zeitung. „Unser Haus St. Anna hätte dringend erweitert werden müssen, um dem äußerst akuten Bedarf gerecht zu werden. Denn die aktuelle Warteliste für eine Aufnahme ist sehr lang. Wir hoffen, dass die verantwortlich Handelnden dem wichtigen Anliegen zu einem späteren Zeitpunkt zustimmen werden.“

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