Hilchenbach/Siegen. Carl Kraemer hat in seinem Leben viel bewirkt. Das Wohl der Tiere lag ihm immer am Herzen. Nun steht er im Zentrum einer Veranstaltung in Siegen.

Auch wenn Carl Kraemers Lebenslauf in Hilchenbach sowohl seinen Ursprung nahm, als auch seinen Abschluss fand, so weist er doch weit darüber hinaus. Am Samstag, 1. April, steht er nun im Zentrum der Südwestfalenbörse in der Siegerlandhalle. Seine Geschichte ist beeindruckend.

Anfänge

Geboren wurde Carl Kraemer am 22. Dezember 1873 in der Bruchstraße 23 (heute Haus-Nr. 28) in Hilchenbach. Sein Vater, der Gerbermeister Karl Kraemer, und seine Mutter Caroline, geb. Henkel, waren 1872 evangelisch getraut worden. Carl Kraemer („Henkels Carl“) sah auch die Tierwelt als schützenswerten Bestandteil der göttlichen Schöpfung an. Er besuchte ab 1880 in Hilchenbach die Volksschule und erlernte ab 1889 in Siegen das Sattlerhandwerk. Nach bestandener Meisterprüfung machte er sich in Hilchenbach als Polsterer selbstständig.

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Bereits im Alter von 23 Jahren wurde Kraemer zum korrespondierenden Mitglied der zoologischen Sektion des Westfälischen Provinzialvereins für Wissenschaft und Kunst in Münster berufen. Nach dem Tod seines Förderers Richard Becker übernahm Kraemer 1899 den Vorsitz im 1885 gegründeten Tier-Schutz-Verein Hilchenbach. Seit 1894 verband ihn eine Freundschaft mit den Eheleuten Hans und Meta Beringer in Berlin. Diese hatten im Dezember 1891 den Berliner Tierschutz-Verein zur Bekämpfung der Massentierquälereien gegründet. Kraemer hatte den Beringers versprochen, ihre Arbeit weiterzuführen. Und so wurde er 1911 als Geschäftsführer dieses Vereins nach Berlin berufen. Dort ließ er für die Schuljugend Tierschutzmerkblätter, den jährlichen „Tierschutz-Kalender“ und ab 1930 die Zeitschrift „Der junge Tierschützer“ drucken.

Ideen und Erfolge

1914 zog auch das Deutsche Heer noch mit Pferden in den Ersten Weltkrieg. Die geschätzte Zahl der von den Kriegsparteien eingesetzten Pferde betrug 10 bis 16 Millionen, von denen mehr als die Hälfte umkam. Um verwundete Pferde in ein Lazarett bringen zu können, entwickelte Kraemer 1915 mit einem Wagenbauer einen Pferdetransportwagen mit speziellen Tragevorrichtungen. Zu Kriegsbeginn wurde der „Internationale Rote Stern“, der sich um die im Krieg eingesetzten verwundeten Pferde und anderen Tiere kümmern sollte, in Genf gegründet. Hier vertrat Kraemer im Juni 1915 die Interessen des Deutschen Kaiserreiches. 1917 wurde er für sechs Monate zum Militär eingezogen. Anschließend kümmerte er sich wieder um die Versorgung der Pferdelazarette.

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Im Stadtarchiv Hilchenbach befinden sich sieben Briefe, die Kraemer 1922/23 aus Berlin an Hilchenbachs Bürgermeister Walter Volkmann geschrieben hat. Daraus ist ersichtlich, wie sich Kraemer für die Umwandlung des 1867 in Hilchenbach eröffneten Lehrerseminars in eine Aufbauschule, eine Art von Aufbaugymnasium, einsetzte. Kraemers Bemühungen waren schließlich in Gestalt der „Jung-Stilling-Schule“ auch erfolgreich.

Carl Kraemer entwickelte mit einem Wagenbauer einen Pferdetransportwagen.
Carl Kraemer entwickelte mit einem Wagenbauer einen Pferdetransportwagen. © wilfried lerchstein | Sammlung Wilfried Lerchstein

Aus Zeitungsberichten erfuhr Kraemer von den Plänen des Osnabrücker Ingenieurs Reinhold Tiling, in von ihm entwickelten wiederverwendbaren Raketenflugzeugen zunächst Hunde oder Katzen als Passagiere einzusetzen. Empört forderte er, „man möge mit allen Mitteln verhindern, dass lebende Tiere in solchen Raketen fortgeschleudert werden“. Ein Explosionsunglück, bei dem Tiling starb, verhinderte 1933 vorzeitig die Fortsetzung dieser Pläne.

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Kraemer sorgte mit dafür, dass in Bayern 1930 die Schlachtung bestimmter Tiere ohne Betäubung illegal wurde. Seitdem war das Schächten, das für Juden und Muslime aus religiösen Gründen vorgeschrieben ist, verboten. Dass Kraemer sich hierbei wie viele andere Tierschutzfunktionäre von einer antisemitischen Einstellung hatte leiten lassen, kann ihm allerdings nicht unterstellt werden. Als 1933 ein entsprechendes reichsweites Schlachtgesetz und das Reichstierschutzgesetz entworfen wurden, wurde Kraemer als einziger Vertreter des Tierschutzes hierbei maßgeblich beteiligt.

Im 1. Weltkrieg kamen schätzungsweise 10 bis 16 Mio. Pferde zum Einsatz, von denen mehr als die Hälfte umkam.
Im 1. Weltkrieg kamen schätzungsweise 10 bis 16 Mio. Pferde zum Einsatz, von denen mehr als die Hälfte umkam. © wilfried lerchstein | Sammlung Wilfried Lerchstein

Die Krönung seiner Arbeit erfuhr er am 24. November 1933, als das erste deutsche Tierschutzgesetz erlassen wurde. Im Reichsministerium des Innern nannte man ihn anerkennend den „Vater des Tierschutzgesetzes“. Die meisten Vorschriften „seines“ Tierschutzgesetzes waren auch noch in der Bundesrepublik bis zur 1972 erfolgten Novellierung gültig.

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Unter dem Dach des „Reichs-Tierschutzbundes“ sollte Kraemer ab Ende 1933 die Gleichschaltung der deutschen Tierschutzvereine organisieren. Anfang 1937 wurde ihm diese Aufgabe entzogen. Durch die 1941 gegründete gemeinnützige „Verlag Deutscher Tierschutzwerbedienst GmbH“ gelang es ihm, seine Tierschutzarbeit dem Einfluss der Nazis zu entziehen. Weil wegen Papiermangels so gut wie keine Schriften und Kalender mehr gedruckt werden konnten, kehrte er 1943 nach Hilchenbach zurück. Dort erfuhr er im April 1945 von der Zerstörung des Berliner Verlagsgebäudes durch alliierte Bombenangriffe. Kraemer war nie Mitglied der NSDAP. Er wurde als unbelastet entnazifiziert und erhielt noch 1948 eine Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb von Tierschutzschriften.

Gedenken

Die deutsche Tierschutzbewegung verlor am 12. Mai 1951 durch Carl Kraemers Tod „einen ihrer tapfersten, edelsten und zähesten Vorkämpfer“. Kraemer war seit 1903 mit Ida, geb. Westhelle, verheiratet. Aus der seit 1919 zerrütteten Ehe ging 1904 eine Tochter hervor. Noch heute leben zahlreiche Nachfahren von Carl Kraemer. Kraemer war wohl bis zu seinem Tod mit seiner engsten Mitarbeiterin Helene Krug (1894 - 1969), die in seinem Haus die Geschäfte des Deutschen Tierschutzwerbedienstes weitergeführt hat, auch privat liiert.

Das Geburtshaus von Carl Kraemer in der Bruchstraße in Hilchenbach.
Das Geburtshaus von Carl Kraemer in der Bruchstraße in Hilchenbach. © wilfried lerchstein | Wilfried Lerchstein

In Berlin gibt es seit 1955 die „Carl-Kraemer-Grundschule“, in Hilchenbach den „Carl Kraemer Weg“ und seit 2005 die „Carl-Kraemer-Realschule“ im Gebäude des ehemaligen Lehrerseminars. Kraemers Grab wird von Schülerinnen und Schülern dieser Schule gepflegt. Darüber hinaus erinnert seit 1966 an seinem Geburtshaus eine Gedenktafel an sein Wirken.

In der Wilhelmsburg teilt sich Carl Kraemer ein Gedenkzimmer mit seinem Zeitgenossen und Freund Wilhelm Münker (1874 - 1970). Aufgrund seiner vielen Verdienste bleibt allerdings die Frage berechtigt, warum Kraemer, anders als Münker, die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatstadt verwehrt geblieben ist.

Siegen: Carl Kraemer steht im Mittelpunkt der Südwestfalenbörse in der Siegerlandhalle

Um im Jahr seines 150. Geburtstages auf Carl Kraemer aufmerksam zu machen, steht er am Samstag, 1. April, im Mittelpunkt der Südwestfalenbörse im Leonhard-Gläser-Saal der Siegerlandhalle. Nicht nur Briefmarkensammler können dort von 10 bis 16 Uhr Briefmarken, Umschläge und Postkarten mit Carl-Kraemer-Motiven mit einem, sein Porträt zeigenden Sonderstempel, versehen lassen. Zusammen mit dem NABU-Kreisverband Siegen-Wittgenstein werden vier weitere Gastvereine aus Hilchenbach und Siegen über ihre Arbeit im Bereich der Heimatgeschichte und des Tier- und Naturschutzes informieren.

Besondere Bedeutung gewinnt die Südwestfalenbörse durch den Informationsstand der Prüfer des Verbands Philatelistischer Prüfer e.V. zum Thema „Echt! Oder falsch?“. Die Expertise und auch Bewertung von Sammlerstücken ist kostenlos, ebenso die Beratung zur Veräußerung von Briefmarken, Münzen oder Orden u. a. durch den Siegener Verbandsprüfer Thilo Nagler.

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Unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Steffen Mues organisieren die fünf südwestfälischen Briefmarkenvereine Siegen, Olpe, Netphen, Bergneustadt und Wittgenstein die Veranstaltung. Unter dem Motto „Weck’ Deine Erinnerungen!“ erwartet die Besucher ein vielseitiges Angebot an Briefmarken, Münzen, Medaillen, Banknoten, Ansichtskarten, Orden und Ehrenzeichen. Der Eintritt ist frei.

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