Siegen. Um bundesweit mehr Menschen anzuziehen, soll Siegen zur national bekannten Marke werden. Doch was ist ihr Markenkern? Die Stadt fragt die Bürger.
Wenn Sie Siegen mit nur drei positiven Worten beschreiben müssten: Welche wären das? Wenn sie einem Ortsfremden die drei schönsten Ecken zeigen wollten: Wo gingen Sie hin? Das Stadtmarketing möchte Siegen zur national bekannten Marke machen und deshalb von den Menschen, die hier leben, arbeiten oder zumindest regelmäßig zu Gast sind, wissen, was die Stadt im Kern ausmacht. Zwei Bürger-Workshops am Dienstag und Mittwoch sollen Weichen für das weitere Vorgehen stellen.
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Der Prozess ist komplex und steht relativ am Anfang. Ergebnisse liegen noch nicht vor, weil die entscheidende und großangelegte (Online-)Befragung noch nicht stattgefunden hat. Wie der Fragebogen dafür überhaupt aussehen soll, sollen die Erkenntnisse aus den Workshops ergeben. Es bringe nichts, von außen mit einem Standardfragenkatalog anzurücken, der zu viele und zu unspezifische Punkte abdeckt, erklärt Peter Pirck den Workshopteilnehmerinnen und -Teilnehmern im Atriumsaal der Siegerlandhalle am Dienstagabend. Er ist Geschäftsführer der Brandmeyer GmbH & Co KG aus Hamburg, die vom Stadtmarketing mit Durchführung und Auswertung beauftragt wurde. Das Unternehmen berate Städte aller Größenordnungen, sagt Peter Pirck. „Ich beschäftige mich seit 20 Jahren mit dem Thema ,Stadt als Marke’.“
„Siegen ist für mich fast schon eine Traditionsmarke: nichts Schnelles und Austauschbares, sondern etwas Grundsolides – und immer etwas, was mich sehr geerdet hat. Siegen ist für mich Sicherheit.“
Jennifer Haßler (37) wurde in Geisweid geboren, hat zeitweise als Flugbegleiterin gearbeitet und viel von der Welt gesehen und lebt nun wieder in Siegen.
Der Gedanke, dass eine Stadt eine Marke sein kann, wirke auf viele Leute zunächst befremdlich, räumt der Hamburger ein. „Die ,Marke’ sind positive Vorstellungen und Assoziationen, die weithin mit einem Produkt verbunden werden“, gibt er der recht kleinen Runde – von etwa 10 Angemeldeten sind sechs erschienen – eine Definition. Als Beispiel zeigt er das Logo eines skandinavischen Autoherstellers, mit dem viele Menschen Begriffe wie „solide“ und „gutes Design“ verbänden.
Dass das auch mit Orten funktioniert, belegt Peter Pirck mit dem Namen „Hamburg“, mit dem meist „schöne Stadt“, „Hafen“ und „Elbphilharmonie“ assoziiert werden – und das sogar von Leuten, die noch nie dort waren. Eine ähnlich klare Positiv-Vorstellung soll auch für Siegen herauskommen. Und das sei nicht bloße Kosmetik, unterstreicht Peter Pirck: „Viele Städte haben das Problem, dass ihnen Fachkräfte fehlen. Deshalb muss man die Stärken einer Stadt in die Köpfe bringen.“ Dies stärke die Identität, das Wir-Gefühl und erhöhe vor allem die Anziehungskraft auf junge Menschen. „Letztlich geht es um die Zukunft der Stadt.“
Siegen als Marke: Die Stärken der Stadt bundesweit in die Köpfe bringen
Es geht um Siegens Schokoladenseiten. Und nur um die. Das liege nicht an mangelnder Kritikbereitschaft, wie der Fachmann erläutert, sondern am Prinzip der Markenbildung: Hersteller von Autos oder Smartphones würden ihre Produkte schließlich auch nicht mit den Aspekten bewerben und bekannt machen, die daran schlecht sind, sondern mit den jeweiligen Vorzügen.
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Im ersten Schritt geht es darum, die wichtigsten Themenfelder zu ermitteln, die Siegen aus Sicht der am Workshop Teilnehmenden am stärksten prägen. 13 Vorschläge hat das Hamburger Team mitgebracht, weitere darf die Gruppe machen. Ist es das Kulturangebot? Sind es die Freizeitmöglichkeiten, das Stadtbild, die Lage oder die Familienfreundlichkeit? Die Abstimmung erfolgt anonym über zur Verfügung gestellte Tablets; und die Ergebnisse – das ist die Bedingung für die Teilnahme am Workshop als Journalist – dürfen in diesem frühen Stadium noch nicht kommuniziert werden, um mögliche weitere Befragte nicht potenziell zu beeinflussen.
„Ich bin aus Siegen weggegangen, weil man überall immer dieselben Menschen getroffen hat. Jetzt finde ich, gerade das ist die Stärke der Stadt: diese Möglichkeit der Vernetzung.“
Sabine Ullrich hat zusammen mit Susanne Propach das Buch „Glücksorte in und um Siegen“ geschrieben. Nach dem Studium in Siegen wollte sie „nichts wie weg – und bin dann zurückgekehrt“, sagt sie.
Weitere Fragen beziehen sich auf Orte, die man Gästen in Siegen zeigen, oder Sätze, mit denen man die Stadt Auswärtigen im Gespräch beschreiben würde. Hier sind freie Antworten gewünscht. Aus einer – von der Workshop-Runde ergänzten – Liste gilt es wieder auszuwählen, wenn es um Adjektive geht, mit denen man Siegens Persönlichkeit charakterisieren würde. Ist Siegen lebhaft? Authentisch? Tolerant, grün, natürlich oder vielleicht hilfsbereit? Und welche Bilder von welchen Orten würde man auswählen, um einen Text über Siegen zu illustrieren? Alles gar nicht so einfach, wenn immer nur maximal drei Antworten möglich sind!
„Eine Stadt ist immer wahnsinnig vielfältig“, merkt Peter Pirck an. „Aber wird mal dieser, mal jener Punkt ins Schaufenster gestellt, bleibt kein klares Profil hängen.“
„Siegen ist auf jeden Fall eine grüne Stadt. Wenn meine Familie mich aus Aalen besuchen kommt, ist sie immer begeistert. Auch schön: Die Bebauung in der Stadt ist nicht so hoch.“
Ergin Sarac (31) zog 2020 der Liebe wegen nach Siegen.
Die Onlinebefragung soll auf Grundlage der Workshops gestaltete werden. Außer den beiden Bürger-Workshops, zu denen sich alle Interessierten anmelden konnten, gab es noch zwei mit so genannten Meinungsbildnern, wie Katja Teixeira, Geschäftsführerin der Stadtmarketing Siegen GmbH, erläutert: also mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Gastronomie, Einzelhandel, Kultur, Sport und Umwelt, die sich in der Stadtgesellschaft engagieren. Die Politik wird separat einbezogen. Einen Termin für den Start der Onlinebefragung gibt es noch nicht. Das Stadtmarketing hofft aber auf große Resonanz, wenn es soweit ist: Je mehr Menschen sich beteiligen, um so klarer der Markenkern, der sich für Siegen abzeichnet.
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