Siegen. Ein letztes Mal treffen sich die Ehrenamtlichen im Umsonstladen – um in leerzuräumen. Und, um sich zu verabschieden, ein letztes Mal zu feiern.
Die letzten Sachen sind verteilt, an Sozialkaufhäuser, Kleiderläden. So viel war’s auch gar nicht, „wir sind das Meiste ja immer direkt losgeworden“, sagt Philip Engelbutzeder und schraubt weiter das Regal auseinander. Ein letztes Mal treffen sich die Ehrenamtlichen im Umsonstladen: Um Weihnachten zu feiern, einen Geburtstag, sich selbst und was sie geschaffen haben. Dass das nun vorbei ist, feiern sie eher nicht. Sei’s drum, das Leben geht weiter.
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Der Umsonstladen macht dicht, diesmal endgültig, die Stadt hat sich durchgesetzt, die Ehrenamtlichen konnten keine Alternative finden. Philip Engelbutzeder, der Initiator, hat sich zurückgezogen, entnervt vom Dauerstreit mit der Verwaltung, der immer größeren Arbeitsbelastung im Engagement für das Angebot.
Seit Wochen schon galt ein Annahmestopp am Siegener Umsonstladen
Während die einen Regale auseinanderschrauben, vor die Tür schleppen, den Anhänger beladen, bereiten die anderen das letzte Festmahl vor: Kartoffeln, Hähnchenbrust, im Ofen brutzeln geriebene Möhren mit Käse und Knoblauch, eingewickelt in China-Kohl, Elena Müller belädt fürs gemeinsame Essen den Tisch mit Weihnachts-Deko, bis kaum noch Platz für Essen bleibt. Sie haben so viel Kuchen gebacken, dass sie ihn unmöglich komplett aufessen können, aber Lea hat an diesem Tag Geburtstag. Ein kleines Theaterstück ist auch noch geplant, wie sie das oft gemacht haben zwischen dem Dinge verteilen und dem Essen; es gibt vielleicht noch mehr Umarmungen und Schulterklopfen als sonst an diesem letzen Umsonstladen-Tag, der schon kein richtiger Umsonstladen-Tag mehr ist, weil ja keine Menschen mehr kommen, um sich die Dinge abzuholen, für die andere keine Verwendung mehr haben.
Seit Wochen schon gab es ein Annahmestopp, weil sich immer klarer abzeichnete, das es dieses Mal nichts werden würde mit der Rettung in letzter Sekunde. Im Sommer kam es irgendwie zu einer Einigung – dieses Mal nicht. Auch wenn sie das natürlich, wider besseren Wissens, auch dieses Mal gehofft hatten, irgendwie. Die Stadt Siegen bleibt aber dabei: Der Umsonstladen könne nicht für einen Öffnungstag pro Woche einen ganzen Raum blockieren – erst recht nicht, nachdem man unbürokratisch in einer Notlage geholfen und diesen Raum zur Verfügung gestellt habe. Immer wieder habe man gebeten, Alternativen zu finden, einen Container draußen auf dem Schulhof etwa, da sei aber nichts gekommen.
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Die Ehrenamtlichen – viele von ihnen sind öfter als nur mittwochs hier, wenn der Umsonstladen geöffnet hat –, fragen sich, wo die anderen Nutzergruppen sind, die den Raum so dringend benötigen. Ein Verein habe in den letzen Wochen abends mal Fußball geguckt, sagt einer. Sie finden es auch komisch, dass die Blockade eines ganzen Raums für nur einen halben Öffnungstag schräg gegenüber okay sei, bei ihnen aber nicht. Aber so ist das eben jetzt, nun sind sie weg.
Irgendwie soll es künftig weitergehen mit dem Umsonstladen – wie, wissen sie nicht
„Und dann steht man hier und die Gedanken kommen“, sagt Ulrike Neuburger, die alle Uli nennen. An ihre Freundin Gisela, immer wieder, die auch nach ihrem Tod in den Gedanken der anderen immer dabei war. Wie sie beide, zwei Frauen Mitte 70, den Umsonstladen für einige Zeit jede Woche alleine schmissen. Anstrengend war das, sagt Uli Neuburger, total kaputt war sie oft nach den langen Tagen in der alten Hammerhütter Schule (KIQ). „War schön.“
Dann kommen die Tränen trotzdem, aber das soll diese Gruppe von ganz unterschiedlichen Menschen auch an diesem Tag nicht davon abhalten, noch einmal zu feiern, sich auch zwischendurch mal zu zanken und schließlich mit dem Gefühl nach Hause zu gehen, dass sie hier neue Freunde gefunden haben, die sie auch ohne den Umsonstladen behalten werden.
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Es soll weitergehen, so oder so. Wo und wie – wissen sie nicht, Ideen gibt es, aber noch sind es nur Ideen. Den Raum haben sie verloren. Die gemeinsame Idee und die Hoffnung, ganz unterschiedliche Menschen zusammenzubringen, Dinge wie Kleidung und Möbel umzuverteilen, ein Stück mehr Nachhaltigkeit in die Stadt zu bringen – die nicht.