Netphen. Vom Brandmelder bis zur Cloud: Hier steht, was die Neuen in der Industriestraße in Netphen alles machen – und was „effexx“ überhaupt heißt.

Die Fahnen sind neu, die Schilder auch. Wo zuletzt „Amova“ stand und ganz früher „Siemag“, ist jetzt „effexx“ drin. „Wir hatten vorigen August noch keinen Gedanken daran verschwendet, Weidenau zu verlassen“, erzählt Oliver Fries. Von seiner in Netphen lebenden Schwester kam der entscheidende Tipp. „Der Standort war noch gar nicht auf dem Markt. Und dann ging alles rasend schnell.“ Wer sind die Neuen in der Netphener Industriestraße?

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Wer ist effexx?

Die Großraumbüros sind schon seit Juli bezogen, von den rund 250 Mitarbeitenden an den über ganz Deutschland verteilten Standorten hat gut die Hälfte ihren Arbeitsplatz hier in der neuen Zentrale. Hier und da sind die Maler und Trockenbauer noch an der Arbeit. Auf dem Schreibtisch von Timm Fries steht ein orangefarbenes Wählscheibentelefon, das wohl keiner der rund 40 Azubis des Unternehmens noch zu bedienen wüsste - wenn es denn überhaupt angeschlossen wäre. Timm Fries, der effexx gemeinsam mit seinen Geschwistern Oliver Fries und Katja Mörchen leitet, nimmt das Gerät in die Hand: „Volkspolizei 110“ steht auf der Mitte der Wählscheibe, wo früher die wichtigsten Telefonnummern angezeigt wurden. Fernmeldewerk Nordhausen,10/82, steht auf der Rückseite. Das Teil ist eindeutig nicht von hier. Ein Souvenir aus der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam, wo effexx die Stadtverwaltung und die Schulen mit moderner Telekommunikationstechnik ausgestattet hat.

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Was macht effexx?

Telekommunikation: Damit hat Dieter Fries, der Vater der heutigen Geschäftsführungsgeneration, 1974 in Weidenau angefangen. Ungefähr zu der Zeit, als die staatliche Post mit ihren Fernmeldeämtern ihr Monopol auf die Telefongeräte losgelassen hat. Dieter Fries hat Elektriker gelernt, ist Fernmeldemechanikermeister, hat bei Emil Weber in Siegen und für Siemens gearbeitet, bevor er sich selbstständig machte. In seinem Elternhaus, in dem Dieter Fries’ Vater eine Schreinerei betrieb und dessen Adresse („Grube Neue Haardt 1“) den Ursprung als Verwaltungsgebäude eines Weidenauer Bergwerks verrät. Ab Ende November wird dort nun das Klinikum Siegen seine psychiatrische Tagesklinik betreiben.

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Timm Fries ist beruflich in die Fußstapfen des Vaters getreten und gelernter Elektromeister. „Ich hatte Spaß daran.“ Sein älterer Bruder Oliver Fries ist studierter Diplom-Kaufmann und seit 1999 dabei: „Da gab es noch keine Smartphones.“ Oliver Fries erinnert sich an eine Tagung beim Telefonanbieter Alcatel: Telefone, haben die damals gesagt, gibt es bald nicht mehr. In der Tat: Das Telefon von heute ist als Softphone in den Arbeitsplatzcomputer integriert. „Wir haben 2006 eine erste große Voice-Over-IP-Installation gemacht“, berichtet Oliver Fries, „und dann begonnen, eine eigene IT-Firma aufzubauen.“ Von nun an wird hochtechnologisch. Von wegen Volkspolizei 110.

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Sicherheitstechnik: Noch ein Betriebszweig aus den Anfangszeiten, als die Firma „Franke + Fries“ hieß, Rainer Franke war bei der Firmengründung Dieter Fries’ Kompagnon. Vor allem Brandmeldeanlagen und Alarmanlagen bestimmen das Geschäft in dieser Sparte, hinzugekommen sind Videoüberwachungsanlagen und Zugangskontrollen – das sind die Türen, die sich erst öffnen, wenn die berechtigte Person eine Chipkarte vor eine Schaltfläche hält. Vor allem deswegen hat effexx Niederlassungen in Berlin, Bonn, Dortmund und Frankfurt und weitere Service-Stützpunkte in Hannover, Koblenz, Münster, München und Stuttgart. „Hier geht es ganz viel um Reaktionszeiten“, sagt Oliver Fries. Die Kunden wählen ihren Dienstleister in der Regel im 100-Kilometer-Umkreis. Manche sind aber auch ganz nah: die Siegener DRK-Kinderklinik zum Beispiel. „Man kann viel über Fernzugriff machen, aber bei der Sicherheitstechnik gibt es auch noch viele Vor-Ort-Tätigkeiten. Beim Rheinischen Landesmuseum ist effexx ebenso drin wie in Atommüll-Zwischenlagern, bei VW in Baunatal oder bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.

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Informationstechnologie: Das ist die Fortsetzung der Telekommunikation im 21. Jahrhundert. Der Aufbau von LAN-und WLAN-Netzen, von Daten-Clouds für Büros und Praxen oder auch zum Beispiel für die Siegener IHK. Im Eiserfelder IHW-Park baut effexx gemeinsam mit der Uponu GmbH und der Deutschen Rechenzentrum GmbH ein Rechenzentrum auf, bei dem Kunden ihre (Back-Up-)Daten sicher lagern können. Einer der großen Kunden von „Dinfra“ ist die Verbraucherzentrale NRW.

Software: Auch die Software zu den Geräten kommt von effexx. Dahinter steht – im Marketing-Sprech – die Idee von der „ganzheitlichen Unternehmenstechnologie“. Einfacher gesagt: Der Kunde soll sich nicht alles zusammenkaufen müssen, sondern die technische Infrastruktur für sein Unternehmen aus einer Hand beziehen können. Wer also zum Beispiel über eine Cloud telefoniert, bekommt mit „Stimme“ das passende Programm dazu. Die Siegener Wahl-Gruppe telefoniert damit ebenso wie TUI-Reisecenter in ganz Deutschland.

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effexx green: Zur jüngsten Sparte gehört das Ladesäulen-Management ebenso wie die Planung, Installation von und der Service bei Photovoltaikanlagen. Partner ist die Wilnsdorfer Hommerich Elektrotechnik.

Was ist das Besondere an effexx?

Der „ganzheitliche Ansatz“, sagt Oliver Fries, „alles aus einer Hand mit eigenem Personal.“ Mit diesem Konzept ist das Neu-Netphener Unternehmen ziemlich allein auf dem Markt. „Unsere Kunden müssen sich nicht ständig auf neue Mitarbeiter einstellen. Wir arbeiten so lange mit den Kunden zusammen, bis man sich blind versteht.“ Weil das Unternehmen eben das ganze Spektrum von der Einbruchmeldeanlage bis zur E-Mail-Verschlüsselung anbietet. Und weil die Mitarbeitenden sich lange ans Unternehmen binden. Eher eine Adresse für Stammkunden also als für Schnäppchenjäger. „Wir sind persönlich für die Kunden da“, sagt Timm Fries, „man kann mit uns sprechen.“ Das klingt nach Reklame – aber nur für jemanden, der noch nicht in einem Callcenter stecken geblieben ist.

Wer arbeitet bei effexx?

Informationselektroniker, Systemtechniker, Fachinformatiker, IT-Systemkaufleute, Kaufleute für Büromanagement – das Spektrum an Berufen, die in dem Unternehmen vertreten sind und ausgebildetwerden, ist groß. effexx ist gerade zum dritten Mal als familienfreundliches Unternehmen zertifiziert worden. Nicht, weil hier auch Geschwister, Väter und Söhne, Mütter und Töchter arbeiten. Sondern weil Arbeitsbedingungen an Lebensumstände anpassbar sind.

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„Wir haben zurzeit 17 verschiedene Arbeitszeitmodelle“, berichtet Katja Mörchen, „wir haben eine total gemischte Mannschaft.“ Manche machen eine Vier-Tage-Woche, manche möchten oder können gerade nicht reisen, manche möchten lieber Remote-Dienst in Netphen machen und nicht mehr ständig unterwegs sein, andere wiederum zieht es nach der Familienphase in die Ferne: Wenn die Kinder aus dem Haus sind, ist die Brandmeldeanlage für das Schloss Charlottenburg in Berlin und die anderen preußischen Schlösser in der Umgebung eine beliebte Abwechslung. „Der eigene Herr sein, soweit das geht“, so beschreibt Katja Mörchen das Prinzip, eigenverantwortliches Arbeiten eben. „Stundenpläne gibt es hier nicht.“

Bei der Einrichtung des neuen Hauses müssen die Chefs denn auch einmal Konzessionen machen: Großraum, Lounge-Bereiche als Treffpunkte, möglichst wenig Schränke und Rollcontainer – schön und gut. Nur beim „Clean Desk“ hörte die Freude am Fortschritt auf: Auch in Netphen hat jeder effex-Beschäftigte seinen eigenen, festen Arbeitsplatz. Darauf hat die Mannschaft dann doch Wert gelegt.

Katja Mörchen, Oliver und Timm Fries (von links) leiten das Unternehmen in der zweiten Generation.
Katja Mörchen, Oliver und Timm Fries (von links) leiten das Unternehmen in der zweiten Generation. © Steffen Schwab

Wie geht das alles weiter?

Das Tempo der Veränderungen ist rasant, die effexx-Leute sind vorsichtig mit Prognosen. „Wir hatten ja auch mal ISDN“, erinnert Oliver Fries – der letzte Schrei in den 1990er Jahren. Vielleicht werden sich Brandmeldeanlagen einmal selbst warten? Die Pandemie war ein starker Treiber in der Kommunikationstechnik. Irgendwann, schätzt Oliver Fries, werden die Grenzen zwischen regionalem und globalem Arbeiten wegfallen, allerdings auch zwischen geschäftlichem und privatem Kommunizieren. Ganz aktuell geht allerdings auch effexx einen Schritt zurück und baut ein Lager mit Servern, Telefonen, Brandmeldeanlagen und Chips auf. „Wir haben unseren Lagerbestand verdreifacht, für alles, was kritisch werden könnte.“ Die Lieferketten...

Was heißt eigentlich effexx?

Ach so: effexx ist seit 2010 der Name des Unternehmens. Kein echter Kunstname, sondern einer mit Bedeutung: Ehemals Franke und Fries erweitert um xx.

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