Netphen. Bruno Obermann malt. Dass seit 40 Jahren immer auch Köpfe dabei sind, fasziniert Christian W. Thomsen. Eine Begegnung im Netphener Rathaus.
Bürgermeister Paul Wagener traut sich was: Bruno Obermann, sagt er, ist der „größte Künstler Netphens“, jedenfalls im Bereich der Malerei. Er ist sich da auch deshalb sicher, weil es Professor Christian W. Thomsen ist, der dem Deuzer und seinem Werk ein Buch widmet: „40 Jahre Köpfe ohne Kragen“ wird am Donnerstag, 10. November, 18.30 Uhr, im Rathaus vorgestellt, verbunden mit der Eröffnung der gleichnamigen Ausstellung. Christian W. Thomsen veröffentlicht viel, allein über 50 Bücher. Aber irgendwie besonders muss ein Sujet schon sein, bevor sich der emeritierte Anglistik-Professor ihm zuwendet. Dem Holz-Keiler von Bernd Heinemann, dem Künstler aus Salchendorf, zum Beispiel, dem er zu seinem Zwilling in Bronze vor dem Rathaus verholfen hat und dem er den Netpherland-Bildband „Der radelnde Keiler“ nachschob.
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Man schweift ab – Christian Thomsens Art, vermeintlich plaudernd zu erzählen und dabei tatsächlich strikt gedruckten Text zu referieren, steckt an. Bruno Obermann also: Eigentlich, sagt er schließlich, sei das so gar nicht seins. Gäbe es das Buch nicht, würde er neue Arbeiten zeigen und nicht die von vor drei oder vier Jahren. „Man entwickelt sich ja weiter.“ Draußen auf dem Rathausflur hat er noch Platz für zwei neue Bilder gefunden. Er beschreibt sie als heller, leichter. „Ich will jetzt mal weg von den Köpfen.“ Dass die aber nun mal da sind, findet der 65-Jährige nun auch keineswegs schlecht: Bruno Obermann sieht den Band als Bestandsaufnahme, „das ist wie eine Inventur."
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Wie Bruno Obermann doch nicht Vollzeit-Künstler wurde
Christian W.. Thomsen beginnt das Buch tatsächlich mit den Kritzeleien beim Telefonieren, die schon bei dem jungen Obermann, als er noch zur Schule geht, kleine Kunstwerke sind: Köpfe von Leuten, zunächst als Karikaturen. Er erzählt von jedem Sommer 1978 in Südfrankreich, den Besuchen in den Galerien dort. „Da hat es mich gepackt. Direkt danach habe ich Ölfarben gekauft und eigentlich nie wieder aufgehört zu malen.“ 1984 gründet er mit Lutz Kringe, Gerold Groos und Klaus Süßmann die Produzentengalerie Direktkunst. Als sie aus dem Haus an der Uhlandstraße heraus mussten, bot ihnen die Stadt den Alten Bahnhof in Deuz an – aber da, in den 1990ern, war die Gruppe bereits in Auflösung.
Ja, sagt Bruno Obermann, er habe damals tatsächlich einmal daran gedacht. nur noch Kunst zu machen. „Das wäre nicht gut gegangen.“ Obermann gründet eine Familie, kaufte das Haus in Deuz, ging als studierter Betriebswirt seiner Tätigkeit in der Industrie nach, zuletzt als Einkaufsleiter bei Schrauben Fuchs. Die Liste seiner Ausstellungen, die 1984 in der Rampe in Siegen, dem heutigen VEB, beginnt, ist lang geworden. Nicht zufällig. „Man muss mit den Leuten drüber reden. Und man hofft auch, etwas zu verkaufen.“ Bei Letzterem, räumt er ein, stehe er sich manchmal wohl selbst im Wege: „Die meisten Leute wollen keine Bilder, wo etwas Gesellschaftskritisches drin steckt. Aber ich will keine Wanddekoration herstellen.“ Den Ratschlag aus dem Finanzamt, etwas gefälliger zu arbeiten, schlägt er in den Wind. Das kann er sich leisten.
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Wie die Namen zu den Bildern von Bruno Obermann kommen
Bruno Obermanns Bilder haben Titel wie „Dark Side of the Man“, „Der Marlon Brando der Tomatenzüchter“ oder „Alter Mann sortiert sein Leben“. Seine Bilder, auch die Köpfe, die er im Rathaus zeigt, sind mehr- und vieldeutig. In der „Beweinung des Singer-Song-Writers“ bringt er seine lebenslange Prägung unter, die ihm die Musik seine Jugend beschwert hat: die Doors, Pink Floyd, Jim Morrison, Bob Dylan, Joni Mitchell… „So ein Anklang von Zerstörung und Vergänglichkeit ist immer in den Bildern enthalten“, sagt Bruno Obermann, „ich habe nie Wert darauf gelegt, dass Bilder perfekt sind oder realistisch.“ Manche übermalt er direkt nach der Fertigstellung, um aus dem neuen Bild dann doch wieder altes hervorscheinen zu lassen. Manche legt er weg, um sie erst Jahre später für sich neu zu entdecken. Deuten mag jeder die Bilder selbst – Bruno Obermann gibt da nichts vor, könnte er auch gar nicht, wo er doch selbst immer noch Neues in den eigenen Arbeiten entdeckt.
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Warum Bruno Obermann keine Staffelei hat
Christian W. Thomsen haben es die sommerlichen Gartenausstellungen in Deuz angetan und das Atelier, das einmal Waschhalle für Autos war, als vor dem Haus noch eine Tankstelle stand. Der Autor hat dem Künstler genau zugesehen. „Der hat noch nie eine Staffelei benutzt – das wird eines Tages zu grässlichen Bandscheibenvorfällen führen.“ Und wenn schon. „Ich verdünne die Farben sehr stark“, erklärt Bruno Obermann, „das würde alles unkontrolliert nach unten laufen.“ Manchmal weiß man dann eben nicht, was Kunst ist und was Versehen. „Es kann schon mal sein, dass ich mit dem Schuh auf ein Bild gerate.“ Die Löcher allerdings hat er mit der Gasflamme reingebrannt. Kein Zufall.
Wer sich in Obermanns Bilder von Köpfen vertieft, mag ins Sinnieren kommen über menschliche Tiefen und Untiefen. Bruno Obermann kann dann schon im Gespräch auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Die englischen Titel hat er schließlich auch nur gewählt, weil diese Sprache so viel unkomplizierter und klarer ist als die deutsche. Und so ist es auch mit seinem Werk. Inhaltlich, sagt Bruno Obermann, sei er sich über die Jahrzehnte treu geblieben. „Die Bilder sind nur größer geworden.“ Weil jetzt, anders als in den 1970ern, Platz ist. „Da wohnten wir ja noch zur Miete.“
Bis 9. Dezember im Rathaus Netphen. Eröffnung Donnerstag, 10. November, 18.30 Uhr.
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