Hilchenbach. Bauministerin Ina Scharrenbach widerruft die Denkmalschutz-Entscheidung ihres Vorgängers. Jetzt gibt es auch neue Pläne für die Umgebung.

Die Bauzäune am Ruinener Weg sind mit Transparenten verkleidet. „Wir machen Hilchenbach schöner“, steht darauf. Eigentlich wird gerade erst einmal nur die Gasleitung verlegt, damit danach die Umgestaltung des Marktplatzes beginnen kann. Der Spruch bekommt aber nun auch eine andere aktuelle Bedeutung: Das gegen den Willen von Eigentümern und Stadt unter Denkmalschutz gestellte Haus Hüttenhain darf abgerissen werden. „Das hat die Ministerin entschieden“, bestätigt Baudezernent Michael Kleber.

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Auftakt: Ein Filetgrundstück am Marktplatz wird entdeckt

1821 wurde das Fachwerkhaus in der Dammstraße 2 gebaut. Es sein „ein Zeugnis des Wohnens und Wirkens einer Hilchenbacher Familie im 19. Jahrhundert“, hieß es im Gutachten des Landeskonservators, „die Geschichte der Stadt und einer Familie ist anhand dieses Gebäudes an prominentem Platz sichtbar und erforschbar.“ Es sei zudem das erste Haus in der Sichtachse von der Wilhelmsburg in die Herrenwiese, eine Stadterweiterung im bis dahin „freien Sicht- und Schussfeld“ der Residenz. Gebaut worden war das Haus von dem Sattler und Kaufmann Johannes Knipp für seine Tochter Katharina und deren Ehemann, den Gerbermeister Friedrich Hüttenhain.

Das Grundstück am Entrée zum Marktplatz war spätestens 2008 ins Blickfeld geraten. Der inzwischen als Immobilienmakler tätige frühere Stadtdirektor Wolfgang Bell hatte sich eine Kaufoption für das Hüttenhain-Grundstück gesichert. Zusammen mit dem städtischen Grundstück am Ruinener Weg, auf dem Parkplätze angelegt sind und der Langenfelder Bach fließt, hätte dort ein Aldi-Discountmarkt errichtet werden können. Aldi war damals noch zusammen mit Rewe im Gerberpark.

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Konflikt mit Minister und Gericht

2009 meldete sich der Landeskonservator und erklärte das Haus für denkmalwürdig, eine Auseinandersetzung beginnt. Im Februar 2010 kommt Bauminister Lutz Lienenkämper nach Hilchenbach, sein Nachfolger Harry K. Voigtsberger entscheidet im September 2010: Die Stadt Hilchenbach wird angewiesen, das Haus Hüttenhain unter Denkmalschutz zu stellen. Knapp ein Jahr später liegt der Fall beim Verwaltungsgericht Arnsberg. Die Erbengemeinschaft Hüttenhain hat geklagt und unterliegt. Das Haus habe einen „hohen Dokumentationswert für die Stadtgeschichte Hilchenbachs“, heißt es in dem Beschluss. Die Bedeutung eines Objekts müsse sich „nicht schon auf den ersten Blick und erst recht nicht aus laienhafter Sicht erschließen“.

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Danach: Aldi weg – und eine Zwangsversteigerung

In den folgenden Jahren ist ein neues Einkaufszentrum nicht auf der Ecke Ruinener Weg/ Dammstraße, sondern in der Herrenwiese jenseits der B 508 entstanden. Rewe ist aus dem Gerberpark dorthin übergesiedelt,Aldi hat sich aus Hilchenbach ganz verabschiedet. Das Grundstück mit dem Denkmal gerät in die Zwangsversteigerung, neuer Eigentümer wird der Nachbar: Die Zahnärzte Menn planen einen Anbau,d er inzwischen auf dem Grundstück Dammstraße 4 entstanden ist – da, wo ein nicht denkmalgeschützter Anbau an das Haus Hüttenhain stand. Die neuen Eigentümer beantragen nun ihrerseits die Löschung aus der Denkmalliste und die Zustimmung zum Abbruch. Vorher schlagen sie einen Umbau des Hauses Dammstraße 2 in ein Mehrfamilienhaus vor. Dieser Veränderung des Denkmals, so Baudezernent Michael Kleber, habe der Landeskonservator nicht zugestimmt. „Nachvollziehbar belegt“ hätten die Eigentümer dann auch noch, dass ihnen ein Erhalt des Gebäudes wirtschaftlich nicht zumutbar sei; ein Gutachten sei zu einem Investitionsaufwand in siebenstelliger Höhe gekommen.

Inzwischen ist Ina Scharrenbach Bauministerin. Als sie im Juli 2020 den Ritterspielplatz in der Herrenwiese eröffnet, führt Bürgermeister Holger Menzel sie auch in die Dammstraße. Als der Landeskonservator ihr jetzt sein Nein zum Abbruchantrag vorlegt, entscheidet sie im Sinne der Stadt.

Am Ruinener Weg in Hilchenbach: Das Haus Hüttenhain (rechts) ragt noch über den Bauzaun. Die Stadt will hier Baurecht für ein Café schaffen.
Am Ruinener Weg in Hilchenbach: Das Haus Hüttenhain (rechts) ragt noch über den Bauzaun. Die Stadt will hier Baurecht für ein Café schaffen. © Stadt Hilchenbach | Steffen Schwab

Und jetzt: Ein Bach und ein Café

Der Infrastrukturausschuss wird am Mittwoch, 9, November, über die neue Planung für das Gelände beraten. Die Stadt will den Langenfelder Bach wie schon im Bereich der Gerichtswiese – öffnen und auf den jetzigen Parkplatz verschwenken. Direkt an der Straße soll ein neues mehrgeschossiges Gebäude errichtet werden dürfen. „Derzeit geplant ist die Errichtung eines Backshops mit Café sowie Wohnungen ab dem 1. Obergeschoss", heißt es in der Begründung des Bebauungsplans. Wann der Bach verlegt wird? „Wir hoffen, im nächsten Jahr“, sagt Baudezernent Michael Kleber. Ansprechend gestaltet werden sollen die Fassade des Zahnarztpraxis-Anbaus und die künftige Freifläche Dammstraße 2: „Der Zugang zur Stadtmitte wird erheblich aufgewertet.“

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