Herzhausen. Das Siegerland zählt sicherlich nicht zu den typischen Weinbaugebieten. Doch Wein wächst auch in Netphen. Dahinter steckt ein besonderes Projekt.

„Das hier ist mein spezielles Projekt. Hier steckt mein Herzblut drin, ich fühle und leide immer mit“, sagt Gärtnermeister Michael Imkamp. 2019 wurden in Herzhausen von der Lagano gGmbH aus Hilchenbach die ersten Weinstöcke angepflanzt. Michael Imkamp ist von Anfang an dabei. Seit Jahren wartet er geduldig darauf, dass die weißen und roten Trauben so weit sind. Weinstöcke brauchen Zeit, um optimal zu wachsen. Dieses Jahr könnten die ersten Weinflaschen abgefüllt werden – wenn die weißen Trauben noch etwas größer werden.

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Eigentlich habe sich die Lagano gGmbH bewusst für Weinsorten entschieden, die mit dem Siegerländer Wetter – also viel Regen – umgehen können, erzählt Michael Imkamp. Doch wegen des Klimawandels werden die Sommer immer heißer und trockener. In den letzten drei Augustwochen war Michael Imkamp zum Beispiel fast täglich vor Ort – zu diesem Zeitpunkt war die Trockenheit besonders ausgeprägt. Mit viel Liebe und Hingabe haben er und sein Team die Weinstöcke großgezogen – sie sollen durch die Hitze im (Spät-)Sommer nicht kaputtgehen. Zu viele Stunden, zu viel Mühe stecken in ihnen.

Aus dem Weißwein könnte in Herzhausen trotz des heißen und trockenen Sommers 2022 noch etwas werden. 
Aus dem Weißwein könnte in Herzhausen trotz des heißen und trockenen Sommers 2022 noch etwas werden.  © WP | Ina Carolin Pfau

Wein aus Netphen: Lagano hat baut in Herzhausen besonders resistente Rebsorten an

Generell seien Weinstöcke auch „relativ robust“, so Michael Imkamp. Die Lagano gGmbH hat sich zudem für sehr resistente Pflanzen (gegen Mehltau, Schwarzfäule, etc.) entschieden, die vieles abkönnen. Nur ist es eben nicht das erste trockene Jahr, was die Stöcke schon hinter sich haben. „Wir wässern nicht, um die Traube zu retten, sondern den Stock“, so Michael Imkamp. Dass sie die Pflanzen überhaupt einmal gießen müssten, damit hätte er nicht gerechnet. Doch im trockenen Sommer müssen er und sein Team immer häufiger Wasser aus einem Tank nutzen. 20 bis 25 Kubikmeter waren es in den letzten drei Augustwochen, schätzt Michael Imkamp.

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Im nächsten Jahr soll das Wasserzufuhr-System ausgebaut werden, um den Herausforderungen besser gewachsen zu sein. Bisher gibt es nur vereinzelte Schläuche, die an den Stöcken entlang führen, und per Anschluss mit Wasser versorgt werden können. Durch die Tropfleitungen könne das Wasser langsam einsickern, erläutert Michael Imkamp, so könne es auch trockener Boden aufnehmen. Auch Löcher wurden an den Stöcken gegraben, sodass das Wasser schneller an die Wurzel gelangen kann. Mit so wenig Wasser wie möglich wird bei Bedarf versucht, die bestmöglichen Ergebnisse zu erreichen, betont Michael Imkamp.

Die dunklen Trauben in Herzhausen machen einfach etwas her. In diesem Jahr wird es aber wohl noch keinen Wein aus ihnen geben.
Die dunklen Trauben in Herzhausen machen einfach etwas her. In diesem Jahr wird es aber wohl noch keinen Wein aus ihnen geben. © WP | Ina Carolin Pfau

Netphen: In Zukunft soll es Weißwein und Rotwein aus Herzhausen geben

Rotwein (Cabernet Jura) und Weißwein (Calardis Blanc) werden in Herzhausen angepflanzt. Die Weinfläche liegt direkt am Herzhäuser Panoramaweg – einer beliebten Wanderroute in der Region. Mit den roten Trauben hat Michael Imkamp bereits abgeschlossen. „Das ist durch“, sagt er. Die Trauben wurden wegen des heißen und trockenen Klimas nicht groß genug, damit aus ihnen noch Wein gepresst werden kann. Zwei Drittel mussten im August bereits weggeschnitten werden, um die Pflanzen zu retten. „Es tut schon weh, dass es dieses Jahr nicht so klappt, wie wir wollten“, sagt Michael Imkamp.

Hintergrund

Die „Lagano gGmbH“ ist eine Tochterfirma des Vereins „Interkulturelle Soziale Arbeit und Forschung“ (ISAF). Dieser gibt Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen ein neues Zuhause, die nicht mehr in ihrer Familie bleiben können (wir berichteten).

Bei der „Lagano gGmbH“ werden Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Ausbildung oder die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht, etwa im Gartenbau-, Hauswirtschafts- oder Bürobereich. Sprich: Einige wenige Bewohner der ISAF-Wohngruppen können auch eine Lehre bei der „Lagano gGmbH“ machen.

Nicht jede oder jeder der jungen Erwachsenen bei ISAF sei auch für den ersten Arbeitsmarkt bereit, erläutert Alexander Reichenau. „Mit der Lagano gGmbH haben wir andere Möglichkeiten.“

Bei dem Weinprojekt in Herzhausen steht die Beschäftigung der Auszubildenden im Vordergrund. Gestartet ist es 2017, genehmigt wurde es 2018, 2019 begann die Anpflanzung.

Doch da gibt es ja noch die weißen Trauben, aus denen noch etwas werden kann. Sie sind widerstandsfähiger. Trotzdem sei in ihnen noch zu wenig Flüssigkeit, der Säuregehalt noch zu hoch. Michael Imkamp probiert eine Weißweintraube und verzieht das Gesicht: Der Süßegrad (75 Grad Oechsle), den die Weintrauben haben sollen, wurde noch nicht erreicht. Aber es sind ja noch ein paar Wochen, in denen sie reifen können. Ein „Drei-Mann-Wein“ („Zwei halten, einer trinkt“) soll es nicht werden, sagt Michael Imkamp lachend. Das sei ein altes Winzer-Sprichwort.

Die Hitze und Trockenheit haben an den Rebstöcken in Herzhausen unübersehbare Spuren hinterlassen. Trotzdem hofft das Lagano-Team, in diesem Jahr den ersten Wein abfüllen zu können.
Die Hitze und Trockenheit haben an den Rebstöcken in Herzhausen unübersehbare Spuren hinterlassen. Trotzdem hofft das Lagano-Team, in diesem Jahr den ersten Wein abfüllen zu können. © WP | Ina Carolin Pfau

Anbau in Netphen-Herzhausen: 1600 Weinstöcke auf 4300 Quadratmetern Fläche

4300 Quadratmeter groß ist die Fläche, die der Hilchenbacher Bauunternehmer Brian Born der Lagano gGmbH verpachtet hat. 1600 Weinstöcke befinden sich mittlerweile darauf. Kooperiert wird mit dem Winzer Elmar Zwick aus Hammerstein. Dort absolvierte ein Mitarbeiter der Lagano gGmbH eine Winzerausbildung, Michael Imkamp begleitete ihn tageweise vor Ort (siehe Box oben). Dort habe er „das kleine Einmaleins“ des Weinanbaus gelernt, erzählt der Gärtnermeister.

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Marco Ecker, Malcolm Lanz, Bianca Imkamp und Michael Imkamp kümmern sich seit Jahren um den Weinanbau in Herzhausen, sind ein eingespieltes Team. Das Wetter sei immer die größte Herausforderung, so Michael Imkamp. Es entscheidet hauptsächlich, ob aus dem Weintraum in der jeweiligen Saison etwas wird. Alles wird genau beobachtet. „Ein Mal die Woche gucke ich immer“, sagt Michael Imkamp. Pflanzenschutzmittel werden so wenig wie möglich eingesetzt, so viel, wie gerade nötig.

Die Lagano gGmbH kümmert sich um ihre eigenen Weinreben in Herzhausen. 
Die Lagano gGmbH kümmert sich um ihre eigenen Weinreben in Herzhausen.  © WP | Ina Carolin Pfau

Herzhausen: Weinstöcke wachsen im Idealfall 10 Zentimeter am Tag

Es sei ein „sehr befriedigendes Projekt“, sagt Michael Imkamp. Gerade weil man sehe, wie „aus einem kleinen Pflänzchen ein schöner Stock“ würde. „Der Weinstock wächst 10 Zentimeter am Tag, wenn es gut läuft.“ Jeder Zentimeter sorge für Freude, betont Marco Ecker, Fachwerker im Gartenbau. Hinzu kommt die ruhige Lage in Herzhausen, die das vierköpfige Team jedes Mal aufs Neue genießt. Es möchte beweisen, dass der Weinanbau auch im Siegerland und in NRW, das ja bekanntlich ebenfalls kein Weinbaugebiet ist, funktioniert.

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Michael Imkamp ist trotz all der Expertise, die er sich angeeignet hat, froh über die Unterstützung vom Weinexperten aus Hammerstein. „Man braucht einen Fachmann an seiner Seite“, sagt er. Wenn sich die Herzhäuser Weinanbauer unsicher sind, fragen sie Elmar Zwick um Rat. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können das Projekt ebenfalls unterstützen und eine Rebpartnerschaft übernehmen. Bald soll es nach der Corona-Pause auch wieder ein Rebpatenfest geben, bei dem sich die Paten ihre Reben genau anschauen können.

Netphen: Lagano gGmbH bietet Rebpatenschaften für Weinstöcke in Herzhausen an

„Der Weinanbau kostet eine Menge Geld“, sagt Alexander Reichenau, der sich um die Verwaltungstätigkeiten bei der Lagano gGmbH kümmert. Die Pflanzen seien nicht der Hauptkostentreiber, eher alles drum herum, wie Arbeitszeit, Material für Zäune, usw. 99 Euro kostet eine Rebpatenschaft für drei Jahre. An der jeweiligen Rebe wird dann eine Beschilderung mit Namen und oder Firmenlogo des Sponsors befestigt. Und natürlich gibt es für die Paten irgendwann auch den Wein aus Herzhausen – hoffentlich in diesem Jahr aus den ersten Flaschen.

Mehr Infos zum Projekt der Lagano gGmbH und zur Rebpatenschaft gibt es im Netz unter www.sozialwein.de.

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