Müsen. Irgendwann werden Besucher in Hilchenbach Stollen und Schächte einfahren – auch wenn es sie dann vielleicht gar nicht mehr gibt.

Auf dem Datenstick, den Hilmar Schöler mitbringt, sind 174 Meter eines Grubengangs, aus dem Bergleute schon vor 1750 Erz und Silber herausgeholt haben. Rolf Golze kann auf dem Laptop durch den Stollen laufen, sich drehen und wenden, nach oben und nach unten schauen, Höhen und Breiten messen oder eine ganz und gar nicht realistische Perspektive einnehmen, in der er von oben in den Berg hineinschaut, auf ein Grubengangnetz blickt, das das Ferndorfer Zitzenbachtal durchzieht.

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Rolf Golze ist Vorsitzender des Vereins Altenberg und Stahlberg, einer der wenigen nicht wissenschaftlich ausgebildeten Forscher in der Altertumskommission des Landschaftsverbandes. Hilmar Schöler ist Vermessungstechniker und Inhaber des Wilnsdorfer Büros „HS 3D-Solutions“; er vermisst im Auftrag des Landschaftsverbandes Gruben und Stollen im Müsener Revier – und der wiederum stellt dem Müsener Verein die Daten zur Verfügung. „Für die museale Umsetzung“, sagt Rolf Golze – und da wird dann ganz viel möglich. Später.

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Wie der Berg vermessen wird

Erst einmal wichtig ist, dass Hilmar Schöler vorankommt. Sein Auftrag ist ein Rennen gegen die Zeit. Die aufgegebenen Gänge sind nicht stabil, sie laufen nach und nach mit Wasser voll. „Vielleicht noch eine Generation, dann sind sie nicht mehr begehbar“, fürchtet Rolf Golze. Je zwei Bergwerke aus dem Mittelalter und der Neuzeit sollen für die Nachwelt dokumentiert und digital begehbar gehalten werden.

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Das Instrument von Hilmar Schöler ist eine Leica RTC 360. Sieht aus wie eine Kamera mit Stativ. Ist aber keine: Das Gerät sendet Laserstrahlen aus und misst, wie sie von Wänden, Decken und Gegenständen reflektiert werden. Zwei Millionen Punkte pro Sekunde werden vermessen, Koordinaten ermittelt, mit denen sie von jedem Ort der Erde aus wiedergefunden werden können. In zehn Metern Entfernung werden die Messpunkte in Abständen von sechs Millimetern gesetzt. Wenn der Scanner seine 360 Grad geschafft hat, arbeiten drei Kameras nach, fotografieren ein Panorama aus zwölf Positionen. Dann ist Ruhe, 100 Hertz Frequenz haben sich mit einem intensiven Brummton bemerkbar gemacht. Hilmar Schöler geht zwei Meter weiter, stellt die Leica wieder auf für den nächsten Scan. Und wenn er durch den ganzen Gang durch ist, in dem Menschen mit mehr als 1,20 Meter Körpergröße nicht aufrecht stehen können, wiederholt er den Marsch. Bis zu vier Mal.

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Wozu Punktwolken gut sind

„Ich muss mich verstecken“, erklärt Hilmar Schöler. Der Vermesser soll schließlich nicht aufs Foto. Falsch: kein Foto. „Eine Punktwolke.“ Die erst einmal nur Grautöne zeigt, wie auf einem Röntgenbild. Auf dem sich „Intensitätsfarben“ einstellen lassen. Da wird Dunkles rot und Helles grün. Sieht aus wie Kunst – bis die Kameraaufnahmen der Punktwolke realistische Farben geben. Da ist dann der Moment erreicht, wo der Chef des Museumsvereins träumen darf: „Von der Möglichkeit, der Bevölkerung irgendwann mal einen Einblick zu geben“, sagt Rolf Golze. Aus den gewonnenen Daten können Computeranimateure einen virtuellen Rundgang machen und, wenn es denn populär sein soll, sogar alte Bergleute als Avatare in den Film hineinzaubern. „Erst einmal geht es darum, die Daten zu sichern“, bremst Rolf Golze – das Weitere ist Zukunftsmusik. „Der Verein allein kann die Kosten nicht stemmen.“ Die Idee, mit dem digitalen Bergwerk ein Projekt der Südwestfalen-Regionale 2025 zu werden, wird jedenfalls nicht weiterverfolgt. Zu kompliziert, zu arbeitsaufwendig. Auch wenn der Verein schon 2019 unter den Preisträgern des Siegen-Wittgensteiner Zukunftspreises war.

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Was man noch alles scannen kann

Den Hund hat Hilmar Schöler nicht mitgebracht. „Mobile Mapping ist im Kommen“, sagt der Vermessungstechniker aus Wilnsdorf zwar. Aber der 35 Kilo schwere Roboterhund, der sich ferngesteuert zur Punktwolkenbeschaffung in den Berg schicken ließe, ist für die Müsener Gänge einfach zu groß. An den Auftrag für den Stahlberg ist Hilmar Schöler eher zufällig gekommen: Als er sah, wie die Archäologen die Maschinenhalle der Grube Landeskrone bei Wilnsdorf fototechnisch erfasst hatten, habe er Dr. Manuel Zeiler, einen der Archäologen des Landschaftsverbandes in Olpe, direkt angesprochen – und der habe sich auf das Angebot eingelassen. „Ich war ja damals noch ganz frisch auf dem Markt.“

Tagung

Der Verein für Siegerländer Bergbau richtet in dieser Woche den 23. Internationalen Bergbau- und Montanhistorik-Workshop aus. Bis Samstag sieht das Tagungsprogramm Vorträge in der Wilnsdorfer Festhalle und Exkursionen vor.

Im Museum Wilnsdorf wird dazu die Ausstellung „Dimension Farbe“ gezeigt. Der Herdorfer Architekt Carsten Trojan hat ein Verfahren mit Künstlicher Intelligenz entwickelt, die Fotografien von Peter Weller (1869-1940) zu kolorieren, der die Lebens- und Arbeitswelt des Siegerlandes dokumentiert hat.

In den über 20 Vorträgen werden auch Siegerländer Themen behandelt, zum Beispiel die Geschichte der Erzbergbau Siegerland AG oder der Charlottenhütte in Niederschelden. In fast 40 Exkursionen geht es oft auch untertage, zum Beispiel in Müsen, in Eiserfeld und auf der Eisernhardt.

Info: www.bergbau.siegerland.de

Längst ist aus HS 3D-Solutions ein größeres Büro geworden: Die Vermessung von Innenräumen ohne Leiter und Gerüst ist ihr Geschäft. Architekten nutzen die Daten für Umbauten, Reedereien für Reparaturen ihrer Schiffe bei laufender Fahrt. Die Geschichte bleibt ein besonderer Schwerpunkt: Bei der Siegener Stadtmauersanierung waren die Wilnsdorfer gefragt, beim Umbau der Alten Vogtei in Burbach. Und bei der Vermessung der Nikolaikirche in Siegen. „Da sind wir hoch bis in den Glockenturm.“

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Was die Ergebnisse bedeuten

Das Ergebnis der Scans ist hier und da überraschend. „Wir haben das auch mal mit den Vermessungen vor 200 Jahren verglichen“, berichtet Rolf Golze. Als die Ingenieure sich mit Schnur und Winkel untertage bewegt haben: „Da gibt’s Abweichungen.“ „Winkelfehler“, sagt Hilmar Schöler – die Kurve, die der Gang schlägt, wurde übersehen. Und manchmal sogar ein ganzer Zwischengang. 2013 hat der Verein Altenberg und Stahlberg mit seinem Mittelalterprojekt begonnen, seitdem im Raum Kreuztal und Hilchenbach sieben Bergwerke und 20 mittelalterliche Verhüttungsplätze entdeckt und die Archäologen des Landschaftsverbandes bei drei großen Grabungskampagnen unterstützt. 2016 wurde die Grube Brüche als erstes Bergwerk digital vermessen. Die weiteren Standorte will Rolf Golze nicht öffentlich genannt wissen. Zu viele Amateure knacken derzeit Schlösser und dringen in Gruben vor – die „Lost Placers“, so heißen die Jäger der verlorenen Orte, haben ein gefährliches Hobby.

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